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Meinung

Philipp Loser über die USA vor der Wahl
Ist Trump ein Faschist?

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Kürzlich im Regionalzug von Sissach nach Basel: eine Diskussion mit einem Gymnasiallehrer über die Wahlen in den USA. Er macht mit seinen Schülerinnen und Schülern viel dazu, lässt sie US-Zeitungen lesen, diskutiert mit ihnen über die Bedeutung von Social Media im Wahlkampf, über die Kampagnen der Kandidaten. Am Dienstag, wenn in den USA gewählt wird, wird er mit seiner Klasse die Live-Übertragung schauen und mit ihnen die Nacht durchmachen.

«Es ist eine historische Wahl», sagte der Lehrer. «Entweder wird die erste Frau gewählt oder der erste Faschist.»

Trump, ein Faschist? Die Diskussion ist nicht neu, sie wurde kurz nach seiner ersten Wahl 2016 ausgiebig geführt. Soll man ihn so bezeichnen? Muss man? Schadet es? Nützt es?

Im Vorfeld der aktuellen Wahl wurde die Frage in den USA noch einmal lebhaft diskutiert. John Kelly, der ehemalige Stabschef von Donald Trump, wurde von der «New York Times» genau das gefragt: Ist Trump ein Faschist? Kelly antwortete mit einer Definition. Faschismus sei eine extrem rechte, autoritäre, ultranationale Ideologie, eine Bewegung mit einem diktatorischen Anführer, der die Opposition zu unterdrücken versuche. Darum: «Ja. Trump ist ein Faschist.»

Als Kamala Harris kurz danach gefragt wurde, ob sie glaube, dass Trump ein Faschist sei, sagte sie zum ersten Mal in diesem Wahlkampf: «Ja, das glaube ich.»

Ist das «masslos» und «etwas panisch», wie die NZZ schreibt? Leute, die dagegen sind, dass man Trump einen Faschisten nennt, haben hauptsächlich drei Argumente.

1. Der Vorwurf nutze sich ab. «Jeder, den du nicht magst, ist heute ein Faschist», sagte der Historiker Robert Paxton, der ein Leben lang über Faschismus geforscht hat, im Jahr 2017. «Der Begriff hat seine Kraft verloren.»

2. Der Vergleich sei ahistorisch. Trump sei kein zweiter Hitler, er plane keine Ausrottung ganzer Völker.

3. Alles nur Hysterie! Trump habe autoritäre Fantasien, diese würden aber vom amerikanischen System gebremst.

Nutzt sich ein Vorwurf, ein Begriff ab? Ja, vielleicht. Stimmt er deswegen weniger? Nein. Robert Paxton hat nach dem Angriff auf das Kapitol seine Haltung geändert. Die Gewalt sei so explizit gewesen, so gewollt, dass sie eine neue Sprache brauche. Trump habe damals eine rote Linie überschritten. «Das Label ‹Faschist› ist nicht nur akzeptabel, es ist nötig.»

Ist der Vergleich ahistorisch? Nur wenn man sagt, dass Donald Trump ein zweiter Hitler ist, ein zweiter Mussolini. Eine solche Behauptung ist nicht haltbar.

Bleibt der Vergleich zur ersten Amtszeit. Ja, damals verhinderten die Mitarbeiter von Trump die Umsetzung seiner schlimmsten Ideen. Sie waren die «Erwachsenen im Raum», die dafür sorgten, dass es nicht zur Katastrophe kam. In den vergangenen vier Jahren haben Trump und sein innerer Kreis jedoch viel dafür unternommen, dass es beim nächsten Mal anders sein wird. Eine Aufgabe in der Regierung soll nur noch erhalten, wer dem Präsidenten bedingungslos ergeben ist – und selbst seine radikalsten Forderungen umsetzt. «Wir wollen Leute, die dem Präsidenten wirklich folgen», sagte Don Jr. kürzlich dem «Wall Street Journal». Das ist die wahre Gefahr einer zweiten Präsidentschaft von Trump.

Kürzlich war an dieser Stelle die Rede davon, dass es in den USA und bei uns in Europa eine grosse Sehnsucht nach Normalität gebe, eine Sehnsucht nach einer «normalen» Wahl. Der Umgang mit dem Faschismusvorwurf ist ein weiteres Beispiel für diesen Wunsch. Nur nicht übertreiben! Solange man es nicht ausspricht, kann es auch nicht wahr sein.

Stimmt leider nicht. Nicht, wenn man wie Trump das Militär gegen die eigene Bevölkerung einsetzen will. Wenn man von «inneren Feinden» redet, vom Ausschalten sämtlicher institutionellen Kontrollen.

Der engagierte Gymnasiallehrer im Regionalzug hat recht. Am 5. November wird zum ersten Mal in der Geschichte der Vereinigten Staaten eine Frau zur Präsidentin gewählt.

Oder ein Faschist.

Philipp Loser ist Redaktor des «Tages-Anzeiger».