Sorge vor Krieg in Ukraine wächstPentagon: Russischer Angriff könnte noch während Olympia erfolgen
Der Westen stellt sich verstärkt auf eine mögliche Invasion von russischen Truppen in die Ukraine ein. Joe Biden und Wladimir Putin wollen am Samstag noch einmal miteinander sprechen.
Im Ukraine-Konflikt stellt sich der Westen verstärkt auf einen möglichen russischen Einmarsch in dem Nachbarland ein. Westliche Spitzenpolitiker stimmten sich am Freitag in einer kurzfristig einberufenen Telefonschalte über ihr Vorgehen im Falle einer Invasion ab. Die EU präzisierte anschliessend, dass Sanktionen den russischen Finanz- und Energiesektor treffen würden. Die US-Regierung sprach von einer «sehr eindeutigen Möglichkeit» einer russischen Invasion und kündigte die Verlegung 3000 weiterer US-Soldaten nach Polen an.
US-Verteidigungsminister Lloyd Austin hatte bereits Anfang Februar die Entsendung von 1700 Soldaten nach Polen angeordnet. Nun kommen also 3000 weitere Soldaten hinzu, wie ein Pentagon-Vertreter mitteilte. Es gehe darum, «unseren Nato-Verbündeten» ein Gefühl der Sicherheit zu geben und vor «jeder möglichen Aggression gegen die Ostflanke der Nato abzuschrecken».
Zudem wurden US-Kampfjets vom Typ F-16 von Deutschland auf einen Stützpunkt in Rumänien verlegt, der 100 Kilometer vom Schwarzen Meer entfernt liegt.
Der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, sagte, ein russischer Angriff könnte noch während der derzeitigen Olympischen Winterspiele in Peking erfolgen und würde vermutlich mit «Luft- und Raketenangriffen» beginnen, die Zivilisten töten könnten. Er rief US-Bürger auf, die Ukraine innerhalb der «nächsten 24 bis 48 Stunden» zu verlassen.
Mehrere Staaten fordern Staatsbürger zur Ausreise auf
Auch andere Staaten forderten ihre Bürger und Bürgerinnen zur Ausreise aus der Ukraine auf. Norwegen verwies auf die «ernste und unvorhersehbare Lage» in dem Land. Kanada warnte, dass russische Militäraktionen den Reiseverkehr im ganzen Land stören könnten. Israel kündigte an, Familienangehörige seiner Diplomaten aus der Ukraine auszufliegen. Grossbritannien forderte seine Staatsbürger zur Ausreise auf, «solange noch kommerzielle Mittel zur Verfügung stehen». Das EDA in Bern hat sich diesbezüglich noch nicht offiziell geäussert.
Der Biden-Sicherheitsberater sagte jedoch auch, die USA gingen weiterhin nicht davon aus, dass Russlands Präsident Wladimir Putin bereits eine «endgültige Entscheidung» für einen Angriff getroffen habe. Zuletzt seien aber weitere russische Soldaten an der Grenze zur Ukraine eingetroffen.
An der Telefonschalte nahmen Biden, der deutsche Kanzler Olaf Scholz , Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Grossbritanniens Premierminister Boris Johnson und weitere Staats- und Regierungschefs teil.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen machte danach erstmals nähere Angaben zu den bereits vorbereiteten EU-Sanktionen gegen Russland. Neben dem Finanz- und Energiesektor wäre demnach auch «die Ausfuhr von High-Tech-Produkten» betroffen.
«Situation ist angespannt»
Moskau hat nach westlichen Angaben in den vergangenen Monaten mehr als 100’000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen, bestreitet jedoch jegliche Angriffspläne. Russland führt an, sich von der Nato bedroht zu fühlen.
«Die Situation ist wahnsinnig angespannt», sagte Deutschlands Aussenministerin Annalena Baerbock bei einem Besuch in Jordanien. Militärisch gebe es «keine Anzeichen für Deeskalation». Baerbock verwies auf zuvor von Moskau angekündigte neue Militärübungen an der ukrainischen Grenze. Laut dem russischen Verteidigungsministerium nahmen am Freitag in der Grenzregion Rostow 400 russische Soldaten an einer «taktischen Übung» für einen «Kampfeinsatz» teil.
Biden hatte am Donnerstag in einem aufgezeichneten TV-Interview gesagt, Washington werde unter keinen Umständen US-Truppen in die Ukraine schicken, auch nicht zur Rettung von US-Bürgern im Falle einer russischen Invasion. Dies würde «einen Weltkrieg» auslösen. «Wenn Amerikaner und Russen anfangen, aufeinander zu schiessen, befinden wir uns in einer ganz anderen Welt.»
«Die Hysterie des Weissen Hauses ist aufschlussreicher denn je», kritisierte die Sprecherin des russischen Aussenministeriums, Maria Sacharowa. «Die Angelsachsen brauchen einen Krieg. Um jeden Preis», schrieb sie im sozialen Netzwerk Telegram.
Telefon zwischen Biden und Putin
Angesichts der weiter zunehmenden Spannungen wollen Russlands Staatschef Putin und US-Präsident Biden nach Kremlangaben an diesem Samstag telefonieren. «Tatsächlich hat die amerikanische Seite um ein Gespräch mit Präsident Putin gebeten und am Samstagabend Moskauer Zeit ist ein Gespräch der beiden Präsidenten geplant», sagte Kremlsprecher Dimitri Peskow am Freitagabend nach Angaben der Agentur Interfax.
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Zuvor hatte schon der nationale Sicherheitsberater Sullivan ein Telefonat von Putin und Biden in Aussicht gestellt, aber noch keine konkrete Ankündigung gemacht. Moskau bestätigte zudem ein für Samstag geplantes Telefonat des Kremlchefs mit dem französischen Präsidenten Macron.
AFP/SDA/fal
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