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Umstrittenes Insektengift Gaucho
Parmelin stösst Bauern vor den Kopf

Landwirte kämpfen heuer mit Ertragsverlusten. Schuld ist ein Virus, das Zuckerrüben zu schaffen macht.
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Ein runder Tisch, mehrere Gespräche – und am Ende: Konsternation. «Wir haben stark das Gefühl, es handle sich um einen politischen Entscheid», sagt Irene Vonlanthen. Sie ist Geschäftsführerin des Schweizerischen Verbandes der Zuckerrübenpflanzer (SVZ) und hat in den letzten Wochen mitgekämpft für die Notfallzulassung von Gaucho, eines Insektengifts, das in der Schweiz seit zwei Jahren verboten ist. Die Zuckerrüben sind heuer stark von der virösen Vergilbung befallen, die Bauern beklagen Ertragsverluste von bis zu 50 Prozent. Im Ausland sei die Lage ähnlich, argumentiert der SVZ. Diverse EU-Staaten hätten deshalb das Mittel befristet zugelassen.

Die Agrarexperten im Departement von Guy Parmelin (SVP) indes haben sich gegen diesen Schritt entschieden, wie sie am Donnerstagmorgen bekannt gegeben haben. Nächstes Jahr kommen mit der Trinkwasserinitiative und der Initiative «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide» zwei Volksbegehren an die Urne, die den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln stark einschränken respektive untersagen wollen. In diesem Umfeld, so wird in bäuerlichen Kreisen nun gemutmasst, könne sich der Bund die Wiederzulassung von Gaucho politisch nicht leisten, dies sei der wahre Grund für den ablehnenden Entscheid. «Agronomisch ist er sicher falsch», sagt Vonlanthen. Der Verband argumentiert wie folgt: Zuckerrüben würden im Anbaujahr nicht blühen, eine negative Wirkung von Gaucho in Zuckerrüben auf Bienen sei bisher nie nachgewiesen worden.

«Ohne öffentlichen Druck wäre Gaucho bestimmt wieder zugelassen worden.»

Kilian Baumann, Nationalrat Grüne

Das BLW geht auf den Vorwurf nicht direkt ein. Es erklärt auf Anfrage, es habe sich gegen die Ausnahmebewilligung ausgesprochen, «da ein Risiko für Bestäuber und auch für Wasserorganismen besteht». Gegner einer Notfallzulassung sprechen dagegen offen über den Zusammenhang zwischen den beiden Volksbegehren und dem Entscheid des BLW. «Die Trinkwasser- und Pestizidinitiative zeigen Wirkung», sagt Nationalrat Kilian Baumann (Grüne). «Ohne öffentlichen Druck wäre Gaucho bestimmt wieder zugelassen worden.»

Statt auf Gaucho setzt das federführende Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) auf zwei Produkte zur Blattbehandlung. Damit sollen die Bauern Blattläuse, die bei den Zuckerrüben die Viröse Vergilbung übertragen, bekämpfen können. Die beiden Produkte, Movento SC und Gazelle SG, sind in der Schweiz bereits zugelassen, und zwar für die Verwendung in Kartoffelkulturen, die laut BLW vergleichbare Anwendungsbedingungen haben. Sie stellen laut BLW kein Risiko für Bestäuber und Wasserorganismen dar und kommen nur im Fall eines Blattlausbefalls und nicht als Präventivmassnahme zum Einsatz, befristet auf 12 Monate.

Wettbewerbsnachteil der einheimischen Zuckerproduktion

Keinen Widerstand erzeugt derzeit nur ein Punkt im Massnahmenpaket des Bundes: das geplante Forschungsprogramm zur besseren Bekämpfung der Blattläuse. Unter anderem sollen alternative Methoden zum Schutz der Zuckerrüben erforscht werden. SVZ-Geschäftsführerin Vonlanthen begrüsst die Bemühungen. Was die zwei Wirkstoffe Movento SC und Gazelle SG anbelangt, macht sie jedoch ein Fragezeichen. Deren Wirkung hänge stark von der Witterung ab. Vonlanthen geht davon aus, dass die Anbaufläche nächstes Jahr deutlich zurückgehen wird. 2014 betrug die Zuckerrübenfläche in der Schweiz noch gut 21’000 Hektaren. 2020 waren es noch knapp 18’000.

Der Schweizer Zuckerrübenverband befürchtet als Folge des Beschlusses einen «massiven» Wettbewerbsnachteil der einheimischen Zuckerproduktion. Dieser werde hohe Importmengen von nachweislich weniger nachhaltig produziertem Zucker zur Folge haben. Deshalb, so fordert der Verband, soll nur noch Zucker importiert werden, der ohne Pflanzenschutzmittel hergestellt wurde, die in der Schweiz nicht zugelassen sind. Im Parlament sind dazu Vorstösse hängig.