Panama PapersPutins Geldspur in die Schweiz
Wie ein Familienfreund des russischen Präsidenten Wladimir Putin Einfluss auf einen Rüstungskonzern und Medien erhielt. Eine Geschichte um eine Männerfreundschaft, eine Traumhochzeit – und eine Schweizer Bank.

Das Bild zeigt fünf Menschen in einer Taufkapelle, im Hintergrund ein Mosaik mit der Mutter Gottes. Der Mann in der Mitte ist Wladimir Wladimirowitsch Putin, 32-jährig. Er hält ein kleines Mädchen im Taufkleidchen im Arm.
Es ist Frühling 1985, Kalter Krieg. Michail Gorbatschow ist erst seit ein paar Wochen Generalsekretär. Der junge Geheimdienstoffizier Putin steht vor seinem ersten Auslandseinsatz in der DDR. Das Foto zeigt die Taufe seines ersten Kindes, Maria, in der Nähe von St. Petersburg.
Neben den jungen Eltern steht der Taufpate. Ein unscheinbarer Mann. Sein Name: Sergei Roldugin, Putins enger Freund. Ein Mann, für den sich der spätere Präsident schon geprügelt hat.
Bis gestern war dieser Taufpate ein kaum beachteter Musiker aus St. Petersburg. Seit heute ist er eine der prominentesten Figuren in den «Panama-Papieren», dem grössten Datenleck aller Zeiten.
Die Papiere aus der Karibik zeigen, wie auf die Briefkastenfirmen von Putins Familienfreund Zins- und Darlehensrechte im Wert von Dutzenden Millionen Dollar überschrieben werden. Diese Reichtümer bekommt er scheinbar ohne Gegenleistung. Roldugin sagte der «New York Times», er sei kein Geschäftsmann und besitze keine Millionen. Und dabei geht es nicht nur um Geld, es geht um Einfluss und Kontrolle im russischen Staat.
Die Datenspuren aus Panama zeigen, wie der Cellist aus anscheinend unerklärlichen Gründen Zugriffsrechte erhält, auf Aktienpakete eines milliardenschweren russischen Industrie- und Rüstungskonzerns. Wie Roldugin Anteile erwirbt an Firmen, die grossen Einfluss haben auf die Werbebudgets russischer TV-Anstalten.
Vieles lief über die Schweiz und unter Mithilfe einer Schweizer Bank.
Wer ist dieser Sergei Roldugin?

Sergei Roldugin ist keiner der Oligarchen und Milliardäre aus dem Umfeld Putins. Er ist ein enger Freund der Präsidentenfamilie selber, der beiden Töchter ebenso wie des Vaters gemäss eigenen Aussagen.
In der von Putin autorisierten Biografie sprach neben seiner Frau nur Roldugin über das Privatleben des Präsidenten. «Er war wie ein Bruder für mich», erzählte der Musiker den Autoren. Putin schwärmte in der Autobiografie über die Abenteuer mit Sergei: «Wir waren hemmungslos», diktierte der Kreml-Chef. «Wir rasten die ganze Nacht in seinem Auto durch St. Petersburg», fügte Roldugin an. Judoka Putin verprügelte gemäss Roldugin einmal sogar einen Provokateur, der seinem Freund zu nahe kam.
Der Musiker beschrieb auch, wie Putin dank ihm seine spätere Frau kennen lernte. Auf der offiziellen Website des Kremls über den Präsidenten schildert Putin die Szene selber. «Er lud mich ins Arkady-Raikin-Theater ein. … Er sagte, zwei junge Damen würden uns begleiten. … Eine der beiden wurde meine Freundin. So lernte ich Lyudmille kennen, meine spätere Frau.» Und Roldugin wurde der erste Pate. «In Russland bedeutet dies, er gehört zum innersten aller inneren Zirkel», sagt Russlandexpertin und Buchautorin Karen Dawisha.
Bis heute ist Roldugin die wichtigste Quelle der Putin-Biografen für das Privatleben des Präsidenten. 2014 erzählte der Musiker, wie Putin sich von seiner Frau entzweite. Er erwähnte sogar, dass der Präsident und seine Frau nicht mehr intim seien.
In dieser Zeit taucht Roldugins Name auch in der Schweiz auf.

Im Februar 2014 stürzte der ukrainische Machthaber Wiktor Janukowitsch, Putin schickte Truppen, annektierte die Krim – der Westen sanktionierte Ende März wichtige Personen aus dem Umfeld des Präsidenten.
In den Schweizer Banken ist man nervös. Niemand will die Sanktionen brechen. Reiche Russen, die ausgerechnet jetzt neue Konten errichten, werden mit Argusaugen geprüft.
Doch in diesem April setzt ein Mitarbeiter der Client-Relations-Abteilung der Gazprombank Schweiz eine hochriskante Kontoeröffnung in Gang. Laufen soll das neue Konto auf den Namen einer Briefkastenfirma in Panama namens International Media Overseas SA, kurz IMO.
In den Panama-Papieren steht schwarz auf weiss, wozu diese IMO geschaffen wurde: Sie ist «ein Schutzschirm in Form einer Firma, die in erster Linie dazu dient, die Identität des wirtschaftlich Berechtigten dieser Firma zu schützen und sie geheim zu halten».
Und was dieser Mann verdient, ist beeindruckend: Allein 2013 habe er mit seiner Firma 10 Millionen Franken Profit gemacht, steht in einem Formular. Er hat demnach mehr verdient als der CEO der Credit Suisse im Jahr 2014.
Sein Name steht auch im Formular: Sergei Roldugin, Musiker.
Eine Reihe von Experten haben sich die Kontounterlagen der Gazprombank angeschaut. Die Reaktionen reichten von konsterniert bis entsetzt.
«Die Bank ist verpflichtet, zu prüfen, ob ein künftiger Kontoinhaber eine ‹politisch exponierte Person›, ein sogenannter PEP, ist», sagt Strafrechtsprofessor und Geldwäscherei-Experte Mark Pieth. Darunter versteht man hohe Politiker und ihr enges Umfeld. Solche Personen dürfen in der Schweiz nur unter strengen Auflagen Konten führen, denn es besteht die erhöhte Gefahr, dass sie veruntreutes Geld in die Schweiz bringen.

Tatsächlich stellte die Gazprombank in ihren Unterlagen die Frage, ob denn dieser Roldugin ein PEP sei. Die Antwort auf dem Formular: «Nein». Ferner kenne Herr Roldugin auch keinen PEP, steht da. Doch das stimmt nicht.
«Nach Schweizer Recht ist Roldugin durch seine Nähe zu einem amtierenden Staatsoberhaupt klar eine exponierte Person», sagt Pieth. David Zollinger, Compliance-Experte, Co-Autor des Kommentars zum Geldwäschereigesetz und langjähriger Staatsanwalt in Zürich stimmt zu: «Wenn Sie jemanden als Paten Ihres Kindes einsetzen, dann gehen Sie eine bewusste gegenseitige Verbindung mit dieser Person ein», sagt er. «Näher an einem Staatsoberhaupt kann man nur noch durch familiäre Bande oder Heirat sein.»
Die Bank hätte nun die rechtliche Verpflichtung, diese falschen Angaben zu korrigieren. Der Verbindung auf die Spur zu kommen, wäre leicht. Nebst vielen Artikeln, gibt es den russischen Wikipedia-Eintrag des Musikers. Dort stand schon 2014 gleich im zweiten Abschnitt, er sei einer der beiden allerengsten Freunde von Putin.
Vor allem aber zeigt ein Blick in die Panama-Papiere, dass Roldugin bereits seit Jahren Konten bei der Schweizer Gazprom-Vertretung führte. Der Mann war offenbar Stammkunde. «Aber nichts deutet darauf hin, dass die Bank die Angaben kontrolliert hat», sagt Pieth. «In diesem Fall hätten sie die Kontoeröffnung vermutlich verweigert.» Dies vor allem wegen eines zweiten, noch gravierenderen Grunds.
«Ich besitze keine Millionen.»
«Einer der Hauptfehler, den Banken immer wieder begehen, ist die fehlende Frage, wie denn der Kunde zu seinem Startkapital gekommen sei, und die fehlende Abklärung, wie er im Rahmen seiner angegebenen Tätigkeit tatsächlich ein derart hohes Vermögen und solche Einkünfte erzielt haben könnte», sagt Zollinger. Reiche Politiker und ihre Familien hätten stets eine lückenlose Dokumentation, wie sie zu ihrem für Politiker unüblich grossen Vermögen kamen. «Doch dank welcher Tätigkeit könnte ein Cellist in Russland 10 Millionen Franken pro Jahr verdienen?», fragt Zollinger.
Roldugin selber sagte wenige Monate nach der Schweizer Kontoeröffnung der «New York Times», er sei «sicherlich» kein Geschäftsmann: «Ich besitze keine Millionen.»
Ein Teil des Vermögens stammt womöglich von Aktienpaketen, die er angeblich hält. So besitzt er rund 3 Prozent der russischen Bank Rossija. «Doch das führt nur zur Frage, woher ein Musiker die Mittel hat, ein substanzielles Aktienpaket einer Bank zu kaufen», sagt Zollinger. Hat er günstig gekauft?
In den Banken in Zürich und Genf herrschte Krisenmodus
Expertin Karen Dawisha, die sich intensiv mit dem Umfeld Putins befasste, sagt klar: «Roldugin hatte keinen Rappen. Er hatte kein Geld, um ein derartiges Aktienpaket von Bank Rossija zu kaufen.»
Die Gazprombank wollte zu alledem auch auf wiederholte Anfrage keine Stellung nehmen. Auch nicht zur Tatsache, dass Roldugin Rossija-Aktionär sei. Dies führt gleich zum dritten Grund, warum Roldugin eine Schweizer Bank vorsichtig machen müsste.
Als der Musiker um das Konto bat, im April 2014, spekulierte die Welt, ob die Freunde Putins, die seit wenigen Tagen auf den Sanktionslisten des Westens standen, den Schweizer Finanzplatz zur Umgehung der Sanktionen nutzen könnten. In den Compliance-Abteilungen der Banken in Zürich und Genf herrschte der Krisenmodus.
Drei Wochen vor der Kontoeröffnung haben die USA eine Reihe enger Freunde Putins sanktioniert sowie eine Institution: die Bank Rossija – die Bank, bei der Roldugin Aktionär ist.
Auch bei der Gazprombank steht in einem Formular zur Kontoeröffnung die Frage, ob Roldugins Briefkastenfirma denn Geschäfte mache mit Firmen auf den Sanktionslisten der USA. Die Antwort: «Nein».
In den Eröffnungsunterlagen ist allerdings klar festgehalten, von welcher Adresse künftig Anweisungen für das neue Millionenkonto von Putins Familienfreund kommen: Es ist eine unverdächtige E-Mail-Adresse, hinter der aber ein Mitarbeiter der Bank Rossija steht.
In der Erklärung der US-Regierung für die Sanktionen gegen Rossija steht, die Bank werde kontrolliert von einer Person, welche der persönliche «Kassierer» sei, von Wladimir Putin.

Wozu dienen die Briefkastenfirmen, warum brauchen sie Schweizer Konten, und welche Rolle spielt der Musiker Roldugin in alldem?
Die Antwort zu Roldugins Rolle führt in den Mai des Jahres 2007 zurück und zum Hauptsitz der Bank Rossija am Rastrelli-Platz nahe des Newa-Flusses in St. Petersburg. Hier, in einem gelben Gebäude im Sowjetstil, arbeitet Wladislaw K., Spitzname «Wlad».
Wlad ist im Stress. Er verschickt Dutzende E-Mails nach Panama an die Anwaltsfirma Mossack Fonseca, kurz MF, die spezialisiert ist auf die Errichtung von Briefkastenfirmen. Er hat zuvor eine Offshore-Firma für sich selber eröffnet, und zwar unter dem Namen «Sonnette Overseas». Nun möchte er seine eigene Firma einem gewissen Sergei Roldugin übergeben, doch offenbar hat er diese Entscheidung nicht selber getroffen. Zur Erklärung schreibt er: «Sonnette wurde Herrn Roldugin zugewiesen.» Wer das veranlasst hat, verrät er nicht.
Später gründet derselbe Wlad K. auch die Firma IMO im Namen des Musikers. In den folgenden Jahren lassen Wlad K. und sein Nachfolger bei der Bank Rossija zahlreiche erklärungsbedürftige Transaktionen über die beiden Firmen von Roldugin laufen. Die beiden verschicken Hunderte Dokumente von der Bank Rossija aus. Gemäss den Verträgen in den Panama-Papieren werden dabei Millionenvermögen verschoben – doch Roldugin, zu dessen Gunsten das angeblich alles passiert, tritt praktisch nie in Erscheinung, ja die Rossija-Banker können ihn oft gar nicht kontaktieren.
«Es ist manchmal schwierig, den Besitzer zu erreichen», schreibt Wlad einmal in einer E-Mail, als er eine Unterschrift von Roldugin brauchte.
Ein Hinweis darauf, was die Bank Rossija mit der «zugewiesenen» Firma Sonette bezweckte, erhält man erst ein Jahr später: 2008, als Putin nach zwei Amtszeiten als Präsident zurücktreten muss.
Im August dieses Jahres dringt die russische Armee mit massiven Luft- und Landstreitkräften nach Georgien vor. An einer Unabhängigkeitsfrage hat sich ein weiterer Krieg im Kaukasus entzündet. Blogger melden am 16. August, wie ein Konvoi gepanzerter Armeetrucks der russischen Streitkräfte in die Hafenstadt Poti einzieht. Sie notierten sogar den Hersteller der Trucks: Kamaz.

Der LKW- und Rüstungsbetrieb gehört zu den «Perlen» der russischen Industrie. Putins Finanzministerium versorgte Kamaz mit millionenschweren Darlehen. Der Betrieb profitierte von grossen Rüstungsaufträgen. Putin besuchte das Werk persönlich und liess sich in einem Lastwagen fotografieren.
In diesem Sommer, als ihre Trucks über Georgiens Strassen ratterten, stand die Firma im Zenit. Im Vorjahr machte sie 3,5 Milliarden Dollar Umsatz. Zahlreiche Firmen aus dem Westen buhlten darum, bei Kamaz einsteigen zu können. Der Wert des Betriebs wurde auf bis zu 5 Milliarden Dollar geschätzt.
Der umworbene Hauptaktionär von Kamaz mit fast 40 Prozent war damals die Investmentbank Troika Dialog: ein Vorzeigebetrieb nach westlichem Stil, Gründungsmitglied des Davoser Weltwirtschaftsforums, kontrolliert von Privatinvestoren.
Doch gemäss bisher geheimen Dokumenten aus den Panama-Daten hatte Troika mit ihren Aktien damals offenbar nicht viel zu sagen bei Kamaz. Troika hatte einen Grossteil ihrer Aktien- und Stimmrechte am Milliardenbetrieb mittels Geheimverträgen an fünf Offshore-Firmen abgetreten. Die fünf Besitzer gewannen insgeheim grossen Einfluss auf den Rüstungsbetrieb. Einer dieser fünf ist ein Cello-Spieler: Sergei Roldugin.
In den Jahresberichten der damaligen Zeit von Kamaz wird tatsächlich darauf verwiesen, dass es Aktien gebe, die «gewissen Restriktionen über die Stimmabgabe und den Weiterverkauf unterworfen sind».
In Tat und Wahrheit konnten Roldugin und seine vier Partner dank diesen Verträgen Personalentscheide im Verwaltungsrat beeinflussen, ja sie durften offenbar jederzeit das grosse Paket von Kamaz-Aktien von Troika aufkaufen und es wieder verkaufen, an wen sie wollten.
Eine Reihe Experten hat diese Geheimverträge aus den Panama-Papieren geprüft. Fazit: Die Papiere geben Anlass zur Vermutung, dass die Kontrolle von Roldugin und Co. über die Kamaz-Anteile «ungewöhnlich stark» gewesen sei. Und die fünf wollten sogar noch mehr.
Kurz vor dem Georgienkrieg, im März 2008, vereinbarte Roldugins Sonnette mit den vier anderen Briefkastenfirmen vertraglich ein gemeinsames Ziel.
Es sollte «alles Mögliche» unternommen werden, damit die Bank Troika bald in Besitz der Mehrheit aller Kamaz-Aktien komme. Roldugins Aufgabe ist im Vertrag schriftlich festgehalten. Er soll sicherstellen, dass dieses Vorhaben «eine absolut bevorzugte Behandlung» erhalte.
Von wem der Musiker diese Vorzugsbehandlung für Troika einfordern soll, wird nicht erwähnt. Doch zehn Tage nach der Unterschrift unter diesen Vertrag verkündet der damalige CEO von Troika, Ruben Wardanjan, der Zeitung «Kommersant», die Russische Republik Tatarstan habe ihre 12 Prozent an Kamaz an seine Troika-Bank verkauft, die nun dank ihrer Aktienmehrheit die Milliardenfirma kontrolliere. Die Kartellbehörde habe dem rasch zugestimmt, berichteten die Medien. Und sie schrieben auch, Tatarstan habe ihre Aktien unter dem Marktwert verkauft.
Die Kamaz-Werke liegen in Tatarstan, und die Republik besass die wertvollen Anteile seit längerem. Wer hat die Führer der russischen Teilrepublik also überzeugt zu verkaufen? Cello-Solist Roldugin, so wie es im Panama-Vertrag steht? Und was für ein Interesse hat ein Musiker, dass die private Troika-Bank die Mehrheit an einem Rüstungsbetrieb erhält?
Die Antwort steht im Geheimvertrag: Sobald Troika Kamaz beherrsche, würden die fünf Offshores massiv Einfluss nehmen auf den Rüstungsriesen, steht da. Roldugin habe in diesem Fall ein Vetorecht über den Businessplan, sogar über das Budget des Milliardenunternehmens. Dem Cellisten, der zu der Zeit in den Konzerthallen von Deutschland bis Japan auftrat, wurde vertraglich sogar das Recht zugesichert, jederzeit das Diesel-Werk in der tatarischen Taiga zu inspizieren.

Der Kamaz-Vertrag gibt einen Hinweis darauf, zu welchem Zweck die Offshore-Firmen Roldugins vielleicht eingerichtet wurden. Es ging womöglich gar nicht um Geld, sondern um Macht.
Im Mai 2008 musste Putin gemäss Verfassung als Präsident zurücktreten. Er wechselte auf den Posten des Ministerpräsidenten. Wenige Wochen vor dieser Machtabgabe erhielt sein Familienfreund via eine Briefkastenfirma Einfluss auf einen der grössten Industrie- und Rüstungsbetriebe des Landes.
In den Panama-Papieren findet sich zudem ein ganz ähnlicher Vertrag, bei dem etwa zur selben Zeit ein Bevollmächtigter von Roldugin über eine andere Briefkastenfirma sehr ähnliche Rechte erhielt über einen anderen grossen Industriekonzern Russlands. Auch dies geschah zur Zeit von Putins Rücktritt als Präsident. Diese geheime Kontrolle hatte womöglich praktische Auswirkungen.
Wenige Monate nach dem Georgienkrieg, im Dezember 2008, verkaufte Troika 10 Prozent ihrer Aktien weiter, und zwar an den Deutschen Autoriesen Daimler.
Nach aussen sah es so aus, als hätte die respektierte Troika-Bank eigenständig entschieden zu verkaufen. Doch die Panama-Papiere deuten nun darauf hin, dass Cellist Roldugin oder seine Bevollmächtigten diesen Kauf womöglich absegnen mussten.
Kamaz hat auf Anfragen nicht reagiert. Der damalige CEO von Troika Dialog, Ruben Wardanjan, wollte keine Details zu Roldugins Rolle nennen: «Diese Informationen sind grösstenteils rechtlich geschützt und vertraulich», schreibt er in einem Brief.
Wie die Panama-Papiere weiter zeigen, beschränkte sich der Einfluss von Roldugin nicht nur auf Industriebetriebe. Für dessen zweite Firma, IMO, hatte Rossija – so scheint es – andere Pläne.

Während Putins erster Präsidentschaft bis 2008 begann Bank Rossija bereits systematisch, russische Medienbeteiligungen aufzukaufen. 2006 erlangte die Bank zum Beispiel die Kontrolle über REN TV.
Der Sender berichtete zuvor unerschrocken über Korruption in der Regierung Putin und liess als eine der wenigen TV-Stationen Oppositionelle zu Wort kommen. Seit der Übernahme durch Rossija 2006 wurde der Sender erheblich regierungsfreundlicher.
In jenem März 2008 organisierte Rossija-Banker Wlad K. die Unterschriften für die Kamaz-Verträge. Zur gleichen Zeit kaufte Roldugins Firma IMO-Aktien der Firma Med Media Network. Schon der Name der Offshore-Firma International Media Overseas deutet darauf hin, dass sie bereits bei ihrer Einrichtung von der Bank Rossija womöglich als Medienvehikel gedacht war.
Und tatsächlich: Zwei Jahre später erhielt Med Media Network ein substanzielles Aktienpaket eines Unternehmens, das grosse Teile der Werbeeinnahmen von zahlreichen russischen TV-Anstalten kontrollierte.
In den Panama-Papieren sieht es so aus, als würde das alles von Angestellten der Bank Rossija gesteuert. Sie verwenden die Firmen Roldugins scheinbar wie Marionetten – und Schweizer Finanzintermediäre halfen mit.
Nicht nur hielt Gazprombank Schweiz und ihre Vorgängerbank Konten für Roldugins Firmen. Der geheime Vertrag zur Kontrolle von Kamaz enthielt auch eine Verfügung, dass sich Roldugin und Co. untereinander per Fax abstimmen mussten. Rossija gab für den Musiker die Faxnummer von Mossack Fonseca Zürich an. Drei der vier anderen Briefkastenfirmen aus den Kamaz-Verträgen nannten als toten Briefkasten die Faxnummer einer renommierten Anwaltskanzlei an bester Lage am Zürichsee.

Wladimir Putin plante seine Rückkehr an die Macht im Jahr 2012 zielstrebig, und bereits 2011 zeichnete sich ab, dass er in den Kreml zurückkehren würde. In dieser Zeit änderte sich auch die Geschäftstätigkeit der Roldugin-Firmen, die man in den Panama-Daten verfolgen kann. Macht und Kontrolle traten in den Hintergrund. Dafür erhielt Putins Freund nun plötzlich die Rechte an riesigen Vermögenswerten – anscheinend ohne Gegenleistung.
Im Februar 2011 erhielt die Firma IMO des Musikers über einen Vertrag die Rechte an einem Darlehen in Höhe von 200 Millionen Dollar. Eine andere Briefkastenfirma namens Sandalwood hatte den neunstelligen Betrag ursprünglich verliehen. Doch schon einen Tag später gingen die Rechte an diesem Darlehen und an den Zinsen über Umwege auf Roldugins Briefkastenfirma über.
David P. Weber, Geldwäschereiexperte, früher Ermittler für die US-Börsenaufsicht SEC und heute Professor für Wirtschaftskriminalität an der Universität Maryland, hat sich den Transfer angesehen. «Mit diesem Vertrag erhält IMO offenbar das Recht, 200 Millionen Dollar einzuziehen, und dazu noch 21 917 Dollar pro Tag an Zinsen, das sind 8 Millionen Dollar pro Jahr», sagt Weber.
Der Vertrag sichert Roldugin offenbar allein durch Zinsen ein Jahreseinkommen von 8 Millionen Dollar. Unter Abschnitt 2.1 ist aufgeführt, wie viel der Musiker für dieses Recht bezahlen muss: «Einen Dollar.»
«Das scheint keine ökonomisch sinnvolle Transaktion zu sein», sagt Weber. «Es sieht vielmehr so aus, als stünde Steuerflucht, Betrug oder eine andere kriminelle Vortat hinter dieser Transaktion – dass sie also der Geldwäscherei diente.»
«Bei jeder Bank müssten hier die Alarmsirenen losgehen.»
Auch Strafrechtsprofessor Pieth hat den Vertrag studiert, und er kam ihm bekannt vor: «Eine Gruppe um den ehemaligen russischen Telekommunikationsminister steht bis heute unter dringendem Verdacht, Hunderte Millionen Dollar gewaschen zu haben, und zwar exakt mit solchen Darlehensverträgen. Auch dieser Minister war ein Freund Putins», sagt Pieth. «Für mich sieht es nach demselben Schema aus.»
Ob Geld aus diesem Deal jemals in der Schweiz landete, ist ungewiss. Für Pieth ist jedenfalls klar: «Bei jeder Bank müssten hier die Alarmsirenen losgehen. Insbesondere, wenn russische Geschäftspartner beteiligt sind – und noch mehr, wenn eine Person im Umfeld Putins profitiert.»
Warum also verschenkt die Firma Sandalwood scheinbar die Rechte an 200 Millionen Dollar plus Zinsen an Roldugin?
Ein Blick in die Panama-Papiere zeigt, dass auch Sandalwood einer Einzelperson gehört: einem Mann namens Oleg G., der Direktor war in einem Telecombetrieb und besitzt Anteile an Firmen , die zum Beispiel Hochzeitsschifffahrten in St. Petersburg anbieten.
Oleg G.s Firma wurde ebenfalls von Wlad K. gegründet. Auch für Sandalwood richtete Wlad Konten bei der Gazprombank in der Schweiz ein. Auch dieses Offshore – so sieht es aus – ist ein Vehikel der Bank Rossija.
Doch wenn Roldugins Firmen tatsächlich der Kontrolle der Wirtschaft dienten, dann hatte der Briefkasten von Oleg G. wohl einen anderen Zweck: Geld zu verschieben, und zwar in ungewöhnlich hohen Mengen. In den Panama-Daten finden sich Darlehens- und andere Verträge, gemäss denen ein Vermögen von rund 2 Milliarden Dollar durch Oleg G.s Offshore-Firma geschleust wurde – das meiste über Darlehensverträge.
Allein im Jahr 2009 gingen gemäss einer internen Aufstellung aus den Panama-Daten knapp 600 Millionen Dollar durch Sandalwood.
Woher kommt dieses Geld?
Gemäss den Panama-Daten hat die Russian Commercial Bank (RCB) in Zypern der Firma Sandalwood von 2010 bis 2012 Kreditlimiten gewährt mit einer Obergrenze von 650 Millionen Dollar. Wie viel genau Oleg G.s Firma davon bezog, ist nicht klar. Die RCB wurde damals vom russischen Staat kontrolliert. Warum diese RCB der Offshore-Firma derartige Riesensummen zur Verfügung stellt, ist unklar. Oleg G. scheint jedenfalls kein Geschäftsmodell zu haben, um dies alles jemals zurückzahlen zu können.
Das Ganze erscheint wie ein goldenes Karussell, das Vermögen über Hunderte Millionen Dollar aus einer staatlich kontrollierten Bank zugänglich macht für eine Reihe von Offshore-Firmen.
Oleg. G.hat auf Anfragen zu diesen Vermögenstransfers und den Hintergründen nicht reagiert. Auch die Bank Rossija hat keine einzige Frage beantwortet.
Die Panama-Daten verraten jedoch einiges über Sandalwood und dessen Besitzer. Oleg G. taucht auch in Roldugins Kontoeröffnungsdokumenten der Gazprombank Schweiz auf. Es stellt sich heraus: Er ist der Bevollmächtigte für das Konto von Roldugin, er hatte sogar eine Unterschriftskarte.

Verträge zur Kontrolle von Kamaz, Darlehens- und Aktienverträge, die Kontoeröffnungsunterlagen, in denen Roldugin sagt, er kenne keine politisch exponierte Person – diese Dokumente gingen spätestens ab 2010 von der Bank Rossija aus direkt nach Zürich, genauer zur Kanzlei Dietrich, Baumgartner & Partner.
Senior-Partner Andres Baumgartner spricht Russisch, sein Büro ist eine bekannte Adresse bei Klienten aus dem Ostblock. Zwei Kunden, die über Jahre mit der Kanzlei in Kontakt standen, sind Wlad. K. und sein Nachfolger von Rossija, die Banker von Roldugin.
Schon unmittelbar nach der Einrichtung der Briefkastenfirmen für Roldugin und dessen Bevollmächtigten Oleg G. eröffnete Wlad nicht nur Konten bei der Vorgängerin der Gazprombank Schweiz, er schaltete auch schon früh Dietrich, Baumgartner & Partner ein.
Wlad K. und sein Nachfolger schickten von St. Petersburg aus viele ihrer Dokumente für ihre Offshore-Geschäfte nach Zürich. Von dort gingen diese in der Regel postwendend zu Mossack Fonseca (MF) und landeten in Panama bei den Direktoren, welche die Firmen von Roldugin und Oleg G. formell leiteten.
Über 1800 Dokumente in den Panama-Papieren sind vermerkt mit der Zürcher Kanzlei. Sie war, gemäss den Panama-Daten, ein integraler Bestandteil des gesamten Roldugin-Konstrukts der Bank Rossija.
Aber warum macht sich Rossija so viel Aufwand, einen teuren Schweizer Anwalt einzuschalten zwischen sich und den Direktoren in Panama?
Die Kanzlei wollte keine Stellung nehmen und reagierte auch auf mehrfache Anfragen nicht. Auch MF antwortete nicht auf detaillierte Fragen zu den Rossija-Firmen. Im Allgemeinen sagt die Firma aus Panama jedoch, dass sie nicht selber zuständig sei für die Prüfung von Endkunden wie Rossija, Roldugin oder Oleg G.. Verantwortlich seien die vorgeschalteten Banken und Anwaltsbüros. In diesem Fall wären das Dietrich, Baumgartner & Partner.
«Das könnte Geld aus dubiosen Quellen sein.»
Die Daten bestätigen, dass MF glaubte, die Schweizer würden kontrollieren: Am 28. September 2009 bat Wlad K. bei MF darum, ein 54-seitiges Darlehen zu unterschreiben. Es regelt einen Vierjahreskredit der Russian Commercial Bank (RCB) in Zypern an Roldugins Bevollmächtigten in der Höhe von 103 Millionen Dollar. Warum Oleg G. einen dreistelligen Millionenbetrag brauchte, wird nicht erwähnt – auch nicht, dass er irgendwelche Sicherheiten dafür hinterlegen musste.
Kaum erreichte das Papier Panama, herrschte bei MF Alarmstimmung. Alle drei führenden Partner wurden eingeschaltet. Jürgen Mossack höchstpersönlich zog die Notbremse. «Das ist heikel», schreibt er seinen beiden Partnern. «Das könnte Geld aus dubiosen Quellen sein.»
Das Geschäft ging zurück zu Wlad K. Der schrieb, das Darlehen sei für den Kauf von «tank cars» gedacht. Der spätere Bevollmächtigte von Roldugin persönlich musste einen Brief aufsetzen, in dem er MF von allen Schadenersatzforderungen und rechtlichen Konsequenzen aus dem Deal entlastete.
Schliesslich entschied sich MF, das Darlehen zu unterschreiben. Einer der Gründe: «Unser Partner für diesen Kunden ist ein angesehenes Schweizer Anwaltsbüro.»
Dietrich, Baumgartner & Partner dienten MF offenbar als eine Art Schutzschild zwischen ihnen und Bank Rossija. Dank dem «angesehenen Anwaltsbüro», das bei allen Deals der Russen vorgeschaltet wurde, müsse man nicht so genau hinsehen, meinten die Verantwortlichen in Panama.
Doch technisch gesehen untersteht ein Schweizer Anwalt dem Geldwäschereigesetz erst, wenn er direkt Zugriff auf Geldflüsse hat. Experten sprechen von einer Gesetzeslücke, weil dadurch die Beratertätigkeit der Anwälte nicht geregelt ist.
Wie dieser Fall zeigt, kann diese Hilfe weitgehend sein. Das Zürcher Büro war in viele Abläufe und auch die Höhe von verschobenen Vermögen eingeweiht. Doch die Zürcher mussten womöglich gesetzlich gar nicht abklären, ob das Geld aus illegalen Quellen stammen könnte, denn es ist nicht ersichtlich, dass die Kanzlei die Vermögen der von Rossija gelenkten Offshore-Firmen steuern konnte.
Das Resultat: Es wurden Darlehen über Hunderte Millionen Dollar unterschrieben, von denen selbst Jürgen Mossack sagte, sie kämen wohl aus dubiosen Quellen: Panama sagte, die Schweiz müsse die Russen prüfen, aber dort fühlte sich womöglich gar keiner zuständig.
In den Hunderten E-Mails mit teilweise sehr erklärungsbedürftigen Deals aus Russland findet sich jedenfalls keine Nachfrage der Kanzlei, woher dieses ganze Geld eigentlich komme.

Mit der erneuten Machtübernahme von Wladimir Putin als Präsident im März 2012 geht auch die Geschichte von Roldugins Einfluss langsam ihrem Ende entgegen. Fragen bleiben. Wozu wurde das viele Geld, das hier offenbar verschoben wurde, eigentlich verwendet, und wem gehört es?
Eine Antwort geben möglicherweise die Ereignisse Mitte März 2013. Ein Jahr vor dem Krimkrieg.
Die Eurokrise war auf ihrem Höhepunkt, seit Monaten stand Zypern am finanziellen Abgrund. Die kleine Republik musste gerettet werden. Die EU und die zypriotische Regierung entschieden am 16. März 2013, alle Bankeinlagen Zyperns um 10 Prozent zu kürzen, auch die der Russian Commercial Bank RCB von Zypern, wo die Konten des goldenen Karussells lagen.
Kaum war der Beschluss gefasst, reagierte Putin persönlich und mit ungewöhnlicher Vehemenz. Er verurteilte den Deal öffentlich. «Russland schlägt wild um sich», titelte die «Financial Times».
Am Montag, 18. März, nahm jemand aus Russland Kontakt auf mit Zypern. Der Chef von Zyperns Mittepartei, Marios Garoyian, schilderte später in einem Radiointerview, was dieser Jemand der politischen Führung Zyperns sagte:
«Die allerhöchste russische Führung gab uns unmissverständlich zu verstehen, dass – wenn wir die RCB anfassten – wir eine Reaktion erleben würden, wie wir sie noch nie gesehen hatten», sagte Garoyian. «Es war eine glasklare Nachricht an uns alle.»
Kam das Vermögen, um das es hier geht, also von der russischen Führung, und lag es in der RCB Zypern? Die Bank weist dies auf Anfrage als «komplett unbegründet» von sich.

«RCB erfüllt alle rechtlichen Anforderungen strikt und erfüllt in ihren Abläufen die höchsten Standards», schreibt RCB Zypern. Dies hätten verschiedene Rechnungsprüfungen vor Ort ergeben, gerade auch in Bezug auf die Aktivitäten der Jahre von 2013 bis 2015. Durchgeführt worden seien sie von der Zentralbank und der Firma Deloitte.
Wo auch immer das Geld herkam, es finden sich jedenfalls Hinweise, dass es auch für private Zwecke Verwendung fand. Die Gelder von Sandalwood gingen, gemäss den Verträgen in den Panama-Daten, an mehr als zwei Dutzend weitere Briefkastenfirmen und landeten am Schluss zum Beispiel bei Firmen, die einen Jachtclub oder ein Hotel besitzen.
Welche Kreise von diesem Geld profitieren, zeigt auch ein Ereignis, das fast zeitgleich zur Zypernkrise stattfand, aber unter grösster Geheimhaltung.
Das Hochzeitspaar fuhr mit einem Schlitten vor, gezogen von drei Schimmeln. Die Braut trug ein mit Perlen besticktes Kleid. Aber die Gäste der Feier im Skiresort Igora, etwa eine Stunde nördlich von St. Petersburg, konnten den Moment nicht im Bild festhalten. Fotografieren war verboten, alle Handys wurden eingesammelt.
«An jeder Ecke standen Wachen; sie liessen niemanden ans Fest heran», beschrieb ein Angestellter einem Reuters-Journalisten später die Szenerie.

Igora, Schauplatz dieser Feier, ist die Feriendestination der Wahl von Putin und seinen engsten Freunden. Der Präsident selber wurde in einer nahen Villa des Öfteren gesehen.
Dank den Panama-Papieren wird nun klar, woher die Firma, welche Igora besitzt, sich unter anderem finanzierte: aus dem Geldkarussell von Roldugins Bevollmächtigtem.
Die Daten zeigen, wie 10 Millionen als Darlehen von Sandalwood über Umwege zum späteren Besitzer von Igora gingen. Eines der wenigen Beispiele, bei denen man feststellen kann, wohin das Geld aus dem goldenen Karussell fliesst, ist also ausgerechnet ein Ferienort von Putin und seinem Freundeskreis. Das Brautpaar der Hochzeit verteilte den Gästen an diesem Schauplatz Schals mit ihren Initialen: K & K.
Das eine K stand für den Bräutigam: Kirill Schamalow, Sohn eines der wichtigsten Aktionäre der Bank Rossija. Nach der Hochzeit kam er sehr schnell an ein Milliardenvermögen, wie Reuters recherchierte.
Vielleicht lag das an der Braut? Auf Fotos identifizierten Zeugen später, wer für das andere K stand: Katerina Tichonowa – die jüngere Tochter von Wladimir Putin.
Spätestens seit 2013 lief das «System Roldugin», wie man es in den Daten findet, aus. Die Verträge zur Kontrolle von Kamaz wurden zurückbuchstabiert. Mit der Zypernkrise begann Rossija offenbar, das goldene Karussell «abzubauen». Hunderte Millionen an Darlehen wurden plötzlich an eine andere Briefkastenfirma geleitet, die Rechte dazu wechselten oft für einen Dollar die Hand, so steht es zumindest in den Verträgen. Und die neue Firma hatte nun Konten im sicheren Luxemburg, weit weg von den Problemen in Zypern.
Am 1. November 2013 wurde die Firma Sandalwood aufgelöst. Das goldene Karussell stoppte.
Bereits zuvor gab Roldugin seine Firma Sonnette ab, später folgte auch IMO. Roldugin selber, der während der ganzen Zeit nicht in Erscheinung trat, blieb ein unbescholtener Musiker, der von sich sagt, er sei nicht reich. Bis heute.
Sergei Roldugin antwortete in den letzten zwei Wochen nicht auf zahlreiche Anfragen zu seinen Offshore-Firmen und seinem Vermögen. Reportern des ICIJ gelang es, den Musiker nach einem Konzert zu befragen. Roldugin sagte bei dieser Gelegenheit, er brauche mehr Zeit, die Fragen zu beantworten.
Auch der Kreml und Wladimir Putin beantworteten keine der detaillierten Fragen. Dafür trat ein Sprecher von Putin an einer Pressekonferenz auf, nannte die Fragen der Journalisten ein «Verhör» und sagte, dahinter stehe eine organisierte Kampagne, um Russland zu destabilisieren und dem Präsidenten zu schaden. Details über die Beziehung zu Roldugin nannte er keine.
Im Jahr 2013 veröffentlichte die Credit Suisse in ihrem «Global Wealth Report», dass die Kluft zwischen der breiten Masse der Bevölkerung und den Superreichen in Russland so tief sei wie in keinem anderen grossen Land der Welt.
In einem Land mit 143 Millionen Bevölkerung besitzen 110 Milliardäre ein Drittel des gesamten Vermögens. Unter den Reichsten sind viele Aktionäre von Bank Rossija und Freunde Putins.
Die CS schreibt, in Russland sei die Ungleichheit derart gross, dass es dafür eine eigene Länderkategorie bräuchte. Der Preis: Millionen Russen leben heute in bitterster Armut.
US-Autorin Karen Dawisha beschrieb Russland als eine Kleptokratie – eine Herrschaft der Diebe.
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