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Abschiebung afghanischer Flüchtlinge
Pakistan lenkt von den wahren Problemen ab

An Afghan refugee show her identity card during a search operation against illegal immigrants at a neighbourhood of Karachi, Pakistan, Tuesday, Nov. 21, 2023. (AP Photo/Fareed Khan)
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Dass Pakistan in der Krise steckt, kann man eigentlich immer schreiben. Die Frage ist nur, wie das Land endlich aus seiner Dauerkrise hinausfinden soll. Im August wurde das Parlament aufgelöst, 90 Tage später sollten Neuwahlen abgehalten werden. Doch dann verkündete die Wahlkommission, dass neue Volkszählungsdaten berücksichtigt und Einzugsgebiete neu definiert werden sollten: Der Termin ist auf unbestimmte Zeit verschoben.

Das alles geschah nach einem Jahr, in dem Pakistan von einer verheerenden Flutkatastrophe heimgesucht worden war und in dem der durch ein Misstrauensvotum entmachtete Ex-Premier Imran Khan (lesen Sie hier das Interview mit Khan) beständig Neuwahlen forderte. In der Gewissheit, dass seine Partei gewinnen würde.

Khan hatte das mächtige Militär provoziert und behauptet, Ziel der Generäle sei es gewesen, «mich ins Gefängnis zu bringen und meine Partei zu zerschlagen». Nach ihm kam Shehbaz Sharif ins Amt, Vertreter eines der beiden Familienclans, die Pakistan immer dann regieren, wenn einmal nicht das Militär an der Macht ist. Seit Sharifs Rücktritt agiert nun Anwar ul Haq Kakar als «Caretaker»-Premierminister, bis vielleicht doch wieder gewählt wird. Aber wer hat überhaupt Interesse an baldigen Wahlen?

44 Prozent der Kinder gehen nicht zur Schule

Sharifs Partei kann nicht auf einen Sieg hoffen, dafür ist Khan zu populär, zudem zwang die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) Sharifs Regierung zu unpopulären Entscheidungen. Der IWF forderte Islamabad dazu auf, 1,34 Milliarden an neuen Steuern zu erheben, um den Haushalt wie gefordert anzupassen. Diese Massnahmen führten zu einer Inflation, die im Mai mit 38 Prozent im Jahresvergleich so hoch war wie nie zuvor – und die immer noch bei über 30 Prozent liegt. Doch ohne den IWF wäre Pakistan in eine Zahlungsbilanzkrise geraten.

«Die Parteien scheinen aufgehört zu haben, sich um Erklärungen zu bemühen. Vielleicht in dem Glauben, dass die Wähler sie nicht lesen werden, bevor sie ihre Stimme abgeben», kommentierte das pakistanische Nachrichtenmagazin «The Dawn» die Wahlstimmung. Die Politiker spüren zudem eine Entwicklung, die sich in vielen Ländern mit junger Bevölkerung ausbreitet: Durch die hohen Bildschirmverweildauern der Jungen ändert sich auch die politische Kommunikation. Knappe, scharfe, in sozialen Medien zugespitzte Slogans werden wichtiger.

Von 1960 bis 2022 verfünffachte sich die Einwohnerzahl in Pakistan von 45 auf 230 Millionen. Das Durchschnittsalter sank bis 2021 auf 22 Jahre. Bei den kommenden Wahlen muss die Politik um eine grosse Menge an Neuwählern buhlen. Und die haben klare Wünsche, zum Beispiel nach Bildung, die in Pakistan schwer zu bekommen ist. Etwa 44 Prozent der Kinder gehen nicht zur Schule.

Das Bevölkerungswachstum überfordert die Städte

Vor allem das explosionsartige Bevölkerungswachstum überfordert das Land. Rund 38 Prozent leben heute in den grösseren Städten, deren Infrastruktur und Arbeitsmarkt nicht schnell genug mitwachsen. Auch wenn die Regierung in Islamabad Angst vor Terroranschlägen vorschiebt: Die Krise der Städte dürfte auch die harte Entscheidung der Zwischenregierung erklären, etwa 1,7 Millionen Flüchtlinge, die vor Krieg und Terror in Afghanistan geflohen sind, dorthin zurückzuschicken. Sogar eine Ausreisegebühr von 830 US-Dollar verlangt der Staat von jenen, die er nun in ihre alte, noch ärmere Heimat vertreibt. «Schockierend und frustrierend» nannten die Vereinten Nationen diese Massnahme in der vergangenen Woche.

Viele der Afghanen, die seit dem 1. November abgeschoben werden, warten eigentlich darauf, ein neues Leben ganz woanders zu beginnen. Sie haben für westliche Regierungen und Organisationen gearbeitet und Anspruch auf eine Umsiedlung aus humanitären Gründen, denn in Afghanistan wären sie unter den Taliban bedroht. Der Prozess zieht sich hin, aber die Sprecherin des pakistanischen Aussenministeriums sagte, es gebe keine Pläne, die Ausweisungspolitik zu ändern.

Auf eine nächste Regierung wartet also: die Dauerkrise. Zwar teilte der IWF kürzlich mit, er habe mit Pakistan ein weiteres drei Milliarden US-Dollar schweres Rettungspaket vereinbart. Aber er hat mit Blick auf den Klimagipfel COP 28, der am 30. November in Dubai startet, auch betont, dass Pakistans Haushalt 2024/25 hinsichtlich der Klimaanpassung eine klare Wende darstellen müsse: «Es besteht die Notwendigkeit, klimabezogene Massnahmen, die Auswirkungen auf den Haushalt haben, transparent zu machen, um die Politikgestaltung und die Klimafinanzierung zu unterstützen.»

Gut möglich, dass es angesichts all der Probleme niemand besonders eilig hat, in Pakistan Wahlen zu gewinnen.