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Hackerangriffe der Regierung Polens
Opposition zieht Vergleich zur Watergate-Affäre

«Tiefste und schwerste Krise der Demokratie seit 1989»: Oppositionsführer Donald Tusk.
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Es waren doch nicht nur Fake News. So hatte der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki zunächst noch den Verdacht abwehren wollen, seine Regierung habe politische Gegner mit der Pegasus-Software ausgespäht. Doch durchgestochene Dokumente des Obersten Rechnungshofs Polens belasten die Morawiecki-Regierung. Sie geben Hinweise darauf, wie der Ankauf der Software im September 2017 im Parlament vonstattenging – und dabei sogar noch vor den Abgeordneten verschleiert wurde.

Oppositionsführer Donald Tusk, von 2014 bis 2019 EU-Ratspräsident, sprach bereits von «der tiefsten und schwersten Krise der Demokratie seit 1989» und zog einen Vergleich zur Watergate-Affäre von 1972, über die US-Präsident Richard Nixon später stürzte. Drei Personen sollen von der Regierung ausgespäht worden sein: die Staatsanwältin Ewa Wrzosek, der Anwalt Roman Giertych und der Senatsabgeordnete Krzysztof Brejza.

Brejza hatte 2019 den Wahlkampf der liberalkonservativen Bürgerkoalition KO geleitet, an deren Spitze heute Tusk steht. Die Abhöraktion während des Wahlkampfs zeige, sagte Brejza einem Radiosender, «dass Einfluss auf das Fundament der Demokratie genommen wurde».

Mögliche Verfälschung des Wahlausgangs

Brejza ist sicher, dass die Wahl 2019 anders ausgegangen wäre, wenn nicht sein Smartphone gehackt worden wäre. Der regierungsnahe Fernsehsender TVP hatte damals manipulierte SMS von Brejza präsentiert und den Eindruck erweckt, Brejza koordiniere Hasskampagnen gegen die politischen Gegner. Nach heftigen Attacken auf ihn gab Brejza den Job als Kampagnenleiter auf.

In sozialen Netzwerken präsentierte Brejza nun Original und Fälschung der Nachrichten. Er habe sich nie erklären können, wie TVP an seine SMS gekommen sei. Im Oktober stellte er in der Zeitung «Gazeta Wyborcza» die Vermutung an, mit Pegasus ausgespäht worden zu sein. Seine Vermutung hat sich kurz vor Weihnachten bestätigt.

Allein das Smartphone des Kampagnenchefs einer Oppositionskoalition wurde 33 Mal gehackt.

Die Nachrichtenagentur AP präsentierte eine Untersuchung des kanadischen Forscherteams Citizen Lab von der Universität Toronto, laut der Brejzas Smartphone 33 Mal zwischen April und Oktober 2019 angegriffen wurde. Die Software, entwickelt von der israelischen NSO Group, ermöglicht es Angreifern, Nachrichten, Fotos, Passwörter und Browserverläufe abzuschöpfen, sie kann zudem unbemerkt Kamera und Mikrofon auf den Geräten anschalten. (Lesen Sie auch den Artikel «Spuren von mächtiger Spähsoftware auf Handys von Journalisten gefunden».)

Das Telefon des Anwalts Giertych, zu dessen Mandanten hochrangige Oppositionelle gehören, wurde 18 Mal angegriffen, ebenfalls vor der Wahl 2019. Das Handy der Staatsanwältin Ewa Wrzosek wurde erst im Sommer 2021 gehackt.

In Erklärungsnot: Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki.

Wrzosek engagiert sich gegen die Justizreformen der Regierung, die laut der EU-Kommission die Rechtsstaatlichkeit in Polen untergraben. Vor allem kämpft Wrzosek für die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft. Wegen ihres Engagements wurde Wrzosek bereits einmal strafversetzt.

In der Hacking-Affäre hat sie Anzeige erstattet. Allerdings lehnte es die Staatsanwaltschaft ab, ein Verfahren einzuleiten. Die Begründung: Wrzosek wolle ihr Mobiltelefon nicht aushändigen. Den Medien sagte die Juristin, sie hätte das Gerät zur Verfügung gestellt, sobald Ermittlungen aufgenommen würden. Die «Gazeta Wyborcza» verwies auf frühere Fälle, in denen Beweismittel verschwunden seien.

Pegasus-Kauf verschleiert

Oppositionsführer Tusk erklärte, dass seine Partei PO die Einsetzung einer Untersuchungskommission beantragen werde, um den Einsatz der Pegasus-Software aufzuklären. Regierungssprecher Piotr Müller erwiderte, er sehe für eine solche Kommission keinen Grund. Wer Zweifel habe, solle sich an die Staatsanwaltschaft wenden.

Zuvor hatte ein Abgeordneter der Opposition der «Wyborcza» ein Dokument des Rechnungshofes übergeben, durch das sich nachvollziehen lässt, wie Pegasus für etwa 5,4 Millionen Euro im Jahr 2017 eingekauft worden war. Demnach wurde die Anschaffung für den Geheimdienst gesetzeswidrig aus der falschen Kasse bezahlt.

Vor allem aber wurde der Einkauf offenbar bewusst vor Abgeordneten und Beamten verschleiert. So billigten sie ihn, ohne von der Verwendung zu wissen. Der Name des Fonds, über den der Einkauf lief: Opferhilfe und Bekämpfung von Kriminalitätsfolgen. (Lesen Sie auch den Artikel «Spionagesoftware gehört verboten, sagt Edward Snowden».)