Opernhaus plant seine ZukunftDer «Fleischkäse» kommt definitiv weg
Das Opernhaus will seinen Erweiterungsbau abreissen und neu bauen. Das Bernhard-Theater wird womöglich einen neuen Standort brauchen.
Im Zürcher Opernhaus herrscht seit Jahren so akute Platznot, dass die Bühnenbilder zuweilen in Oerlikon zwischengelagert werden müssen. In den Proberäumen und Werkstätten ist die Lage so prekär, dass nicht einmal mehr die Arbeitssicherheit der Mitarbeitenden und Künstlerinnen gewährleistet werden kann.
Darum hat das Opernhaus im April 2023 das Projekt «Zukunft Oper» lanciert. Dabei geht es um den Erweiterungsbau aus den Achtzigerjahren, der im Volksmund etwas abschätzig «Fleischkäse» genannt wird. Soll er abgerissen oder neu gebaut oder einfach nur aufgestockt und umgebaut werden?
Um Antworten auf diese Fragen zu finden, haben das Opernhaus und das kantonale Hochbauamt Workshops mit rund 800 Interessierten durchgeführt und das Architekturbüro BHSF mit einer Machbarkeitsstudie beauftragt.
Das Ziel: dem Opernhaus am Sechseläutenplatz 60 Prozent mehr Fläche zur Verfügung zu stellen.
Die «Vollendung des Sechseläutenplatzes»
Am Dienstag haben der Verwaltungsratspräsident der Opernhaus AG, Markus Notter, und Pressechefin Sabine Turner die Resultate des Projektes vorgestellt.
Und was allgemein vermutet worden war, trifft nun ein: Der «Fleischkäse» kommt weg. «Wir wollen hier Platz schaffen für einen ambitionierten neuen Bau», sagte Notter. Turner sprach von der «Vollendung des Sechseläutenplatzes».
Anfang 2025 wird das Hochbauamt den Architekturwettbewerb lancieren. Notter erwartet grosses Interesse an diesem Auftrag auch unter den renommiertesten Architekten.
Heikler Baugrund
Die BHSF-Studie hat allerdings ergeben, dass ein kompletter Neubau nur sehr schwer und unter hohen Kosten realisiert werden kann. Das Fundament oder die Wanne, in dem der Erweiterungsbau vor gut vierzig Jahren erstellt wurde, wird deshalb erhalten bleiben.
Für das Opernhaus wäre es zwar attraktiv gewesen, noch etwas tiefer zu graben und zu den vier bestehenden noch eines oder zwei zusätzliche Untergeschosse zu bekommen. Doch damit wäre im feuchten Untergrund – der Wannenboden liegt 10 Meter unter dem Seespiegel – die Stabilität des alten Opernhauses nicht mehr gewährleistet. Es bestünde die Gefahr, dass es ins Rutschen gerät.
Zudem ist ein Erhalt der Wanne viel umweltfreundlicher. Ein kompletter Neubau würde gemäss der Studie doppelt so viele Treibhausgase verursachen. Und das will das Opernhaus vermeiden.
Die Nachhaltigkeit des Projektes sei auch im Dialogverfahren absolut zentral gewesen, betonte Sabine Turner. Die rund 800 Teilnehmenden waren Mitarbeitende, Opernhausfreunde, Architekten und auch interessierte Bürgerinnen und Bürger ohne Bezug zum Opernhaus.
In den Workshops sind laut Sabine Turner ausserordentlich viele Inputs und Wünsche geäussert worden. So soll der Nachfolgebau des «Fleischkäses» zugänglicher werden, etwa durch eine «Piazza» und eine öffentliche Kantine, wo Passanten den Künstlerinnen und Künstlern begegnen können. Auch eine Dachterrasse soll es wenn möglich geben und eine zusätzliche Laborbühne, auf der es experimentelles Musiktheater geben kann.
Was geschieht mit dem Bernhard-Theater?
Noch offen ist, ob auch das Bernhard-Theater im neuen Gebäude Platz finden wird, wie Markus Notter einräumte. Gemäss der Machbarkeitsstudie ist es nämlich kaum möglich, dem Opernhaus die gewünschten zusätzlichen Flächen zur Verfügung zu stellen, wenn keine zusätzlichen Untergeschosse dazukommen. Laut Turner hat das Opernhaus deshalb bereits mit einer Verzichtsplanung begonnen.
Man werde aber auf jeden Fall dafür sorgen, dass das Bernhard-Theater an einem zentralen Standort in Zürich weiterexistieren könne, sagte Notter.
Direkte Seeanbindung kaum möglich
Ein zentraler Wunsch der Opernhaus-Interessierten ist auch eine direkte Anbindung des neuen Baus an den See. Dass er je erfüllt wird, ist eher unwahrscheinlich. Denn dafür müsste entweder die Stadt oder der Kanton sorgen, weil das Land des Opernhauses nicht bis ans Ufer reicht, sondern am Utoquai endet.
Markus Notter betonte zwar, man sei offen, einen solchen Zugang zu ermöglichen, aber warten könne das Opernhaus nicht, bis sich die Politik darüber einig geworden sei: «Sonst können wir nie bauen.»
Allerdings wird die Politik auch beim Bauprojekt auf dem Opernhaus-Land mitreden, denn der Kanton wird einen grossen Teil der Finanzierung übernehmen müssen. Ein anderer Teil soll die bereits gegründete Stiftung «Zukunft Opernhaus Zürich» beitragen, die auf Sponsoren und Spender hofft.
Was Um- und Neubauten kosten werden, ist noch offen. Notter sprach von einem dreistelligen Millionenbetrag, an den die Stiftung «hoffentlich einen substanziellen zweistelligen Millionenbetrag beisteuern wird».
Das Opernhaus rechnet auch mit Widerstand. Über den Baukredit des Kantons werde es ziemlich sicher eine Volksabstimmung geben, sagte Notter.
Im Sommer wird ein Provisorium gebaut
Bereits diesen Sommer sollen am Sechseläutenplatz die Baumaschinen auffahren, allerdings erst für eine temporäre Aufstockung des «Fleischkäses». Das Opernhaus hat dafür bereits eine Baubewilligung. Geplant sind im einfachen, 4,6 Millionen Franken teuren Holzbau Damengarderoben, Büros und Werkstätten. Mit ihnen wird die akute Platznot etwas gelindert.
Bisher sei kein Rekurs dagegen eingegangen, soviel ihr bekannt sei, sagte Turner. Anfang nächster Woche werde darüber Gewissheit herrschen. Bis Ende 2024 soll der «Fleischkäse» aufgestockt sein.
Korrektur vom 16.1.2023, 18.09 Uhr: In einer früheren Version dieses Artikels stand, das Land des Opernhauses ende an der Bellerivestrasse, tatsächlich endet es am Utoquai.
Fehler gefunden?Jetzt melden.