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Interview zum Spielerschutz
«Bei Online-Casinos braucht es eine einheitliche Praxis»

Gerhard Pfister, Präsident der Mitte und Nationalrat
Zürich, 3.4.2024
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BotTalk

Cüplis offeriert, das Dinner gratis, eine Einladung zu Fussballspielen nach Monaco: So versuchen hiesige Casinos Spielfreudige bei Laune zu halten, wie ein ehemaliger Spielsüchtiger erzählt. Und das, obwohl das Gesetz die Casinos dazu verpflichtet, Massnahmen gegen Spielsucht zu treffen. Eine Recherche dieser Redaktion gibt erstmals Einblick in die Sozialkonzepte der Casinos. Die Auswertung zeigt: Im Extremfall kann ein Spieler fünfstellige Beträge pro Besuch verspielen, bis er überhaupt auf den Radar des Anbieters gerät.

Mitte-Nationalrat und Präsident des Schweizer Casino-Verbands, Gerhard Pfister, spricht über die Regulierung einer Branche, die ständigen Anpassungsbedarf habe. Dem Verband sind alle 21 terrestrischen und 10 Online-Casinos angeschlossen.

Herr Pfister, mehr als 900 Millionen Franken nahmen Schweizer Casinos im vergangenen Jahr mit ihren Spielen ein. Weshalb läuft es eigentlich so gut?

Das liegt an den Online-Casinos, die werden immer beliebter. Seit ihrer Einführung hat die Nutzung dieser Möglichkeiten stark zugenommen.

Machen Schweizer Casinos ihre Umsätze auch mit gefährdeten Spielerinnen und Spielern?

Das ist sicher nicht im Interesse der Branche. Es ist eine Branche, die eine Gesellschaft entweder will oder nicht. Das Schweizer Volk sagte in drei Volksabstimmungen: Wir wollen Glücksspiele. Unbestritten ist, dass es sehr starke und sehr gute Regulierungen braucht, die den Spielerschutz im Zentrum haben.

Unsere Recherchen zeigen diesbezüglich Mängel: Je nach Spielbank kann man zum Beispiel fünfstellige Beträge verspielen, bis man gesperrt wird.

Die Casinos müssen prüfen, ob sich ein Spieler das Spielen leisten kann. Die meisten Spieler spielen vernünftig, und allen die gleiche Limite zu setzen, unabhängig von ihrem Einkommen, ist nicht zielführend. Kritisch sehe ich, dass Casinos unterschiedliche Sozialkonzepte haben. Bei den terrestrischen Casinos macht das vielleicht noch Sinn, denn dort gewährleisten die Casinos den Spielerschutz noch mit anderen Mitteln. Aber bei Online-Casinos braucht es meiner Meinung nach eine einheitliche Schutzpraxis für alle.

Sie sind Präsident des grössten Verbands der Branche. Wieso schlagen Sie einheitliche Sozialkonzepte für Online-Casinos nicht vor?

Ich persönlich kenne die einzelnen Sozialkonzepte nicht alle im Detail. Aber selbstverständlich diskutieren wir intern immer wieder, wie die Schutzkonzepte angepasst werden müssen, wenn in bestimmten Bereichen Verbesserungen nötig sein sollten. Wir müssen nun Ihre Recherche erst mal analysieren.

In Deutschland kann man online pro Monat 1000 Euro einzahlen, dann ist ein Spieler gesperrt – auch für alle anderen Online-Casinos. In der Schweiz schaut jedes Casino für sich, die Limiten sind deshalb um ein Vielfaches höher.

Zum anbieterübergreifenden Schutz gibt es momentan noch keine Position des Verbands. Das Geldspielgesetz sieht das hierzulande nicht vor. Und die Eidgenössische Spielbankenkommission (ESBK) sah diesbezüglich noch keinen Handlungsbedarf. Das kommt wohl noch von der Erfahrung mit den terrestrischen Casinos. Wenn die ESBK neue Regulierungen fordert, werden die Casinos diese selbstverständlich umsetzen.

Die ESBK sagt, wie die Massnahmen zum Spielerschutz im Einzelnen ausgestaltet sind, sei Sache der Casinos. Wer ist nun verantwortlich?

Die Ausgestaltung ist Sache der Casinos, das Regulatorische aber Sache der ESBK. Die ESBK überprüft, ob die Schutzkonzepte Sinn machen, also wirksam sind. Wenn es zusätzlichen Schutzbedarf geben sollte oder wenn gewisse Regelungen nicht genügen, ist es Sache der Aufsicht, das festzustellen und dann die Anpassung der Regelungen zu verlangen.

Ein ehemaliger Spielsüchtiger sagt in unserer Recherche, ihm seien von einem Schweizer Casino Cüplis angeboten und das Abendessen gezahlt worden. Ja sogar zu Fussballspielen und Reisen nach Monaco werde man eingeladen. Sieht so ein griffiger Spielerschutz aus?

Wenn das tatsächlich so ist, ist das überhaupt nicht gut. Eigenverantwortung ist zwar wichtig, aber es gibt Menschen, die diese Eigenverantwortung nicht wahrnehmen können – und die muss man ganz klar vor sich selbst schützen.

«Die Websites sind so gut, dass Spieler fast nicht erkennen, ob es ein legales Angebot ist.»

Ist es nicht auch ein Dilemma für die Spielbanken? Je konsequenter die Casinos Kundinnen und Kunden sperren, desto mehr Geld entgeht ihnen.

Jedes Casino weiss, dass es seinen Beitrag zum Spielerschutz leisten muss, und das machen sie auch, im ureigenen Interesse. Die Konzession wird entzogen, wenn ein Casino seine Kundinnen und Kunden nicht konsequent schützt.

Die Anbieter klagen, dass viele Spielerinnen und Spieler einfach auf illegale Online-Angebote ausweichen, wenn man sie sperrt. Sehen Sie da das Dilemma?

Ganz klar. Nur die ESBK kann die Websites der illegalen Anbieter sperren lassen. Der Verband fordert schon seit langem, dass das schneller und konsequenter passiert. Leider ist das aber gar nicht so einfach: Sperrt man eine Domain beispielsweise aus Malta, entsteht am nächsten Tag einfach anderswo eine neue. Oft sind die Websites so gut, dass man als Spieler fast nicht erkennt, ob es sich um ein legales oder ein illegales Angebot handelt. Und die illegalen Anbieter haben gar kein Schutzkonzept und leisten keine Beiträge an die AHV.

Unsere Recherche zeigt, dass auch viele legale Online-Casinos mit Gratisspielen, Willkommens-Boni und Live-Jackpots locken. Prävention sieht anders aus.

Die Sozialkonzepte aller Casinos sind von der ESBK genehmigt worden, genauso alle Gratisspiele und Boni. Die Tatsache, dass alle bisherigen terrestrischen und Online-Casinos nach eingehender Prüfung gerade dieses Jahr die Lizenzen erneut erhalten haben, zeigt, dass die Konzepte gut eingehalten werden. Ich glaube jedoch, dass man bei solchen Fragen immer wieder schauen sollte, ob es Anpassungsbedarf gibt.