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Wirren um Lex-Koller-Auflagen
Der omanische Investor und das Haus am Brienzersee

Das Haus am Ursisbalmweg 18 in Niederried bei Interlaken gehört einem omanischen Geschäftsmann, am 14.11.2023. Foto: Christian Pfander / Tamedia AG

4 Schlafzimmer, 5 Badezimmer, 2 Balkone, ein grosszügiger Garten, eine riesige Terrasse und ein Bootshäuschen mit direktem Seezugang: In Niederried bei Interlaken stand bis vor wenigen Tagen eine Luxusimmobilie der Extraklasse zum Verkauf. 498 Quadratmeter Bruttowohnfläche für 6’890’000 Franken – so stand es zumindest im Verkaufsinserat, welches auf mehreren Schweizer Immobilienportalen aufgeschaltet wurde.

Mittlerweile ist das Inserat wieder aus den Weiten des Internets verschwunden. Es würden keine Verkaufsabsichten mehr bestehen, teilt das zuständige Immobilienbüro auf Anfrage mit. Was genau ist passiert?

Ein Gesetz mit Schlupflöchern

Wie Recherchen zeigen, gehört die Liegenschaft aktuell einem omanischen Geschäftsmann mit Wohnsitz in Saudiarabien. Dessen Familie führt und besitzt eines der grössten Bauunternehmen in der Golfregion. Vermögende Leute aus dieser Weltregion zieht es bekanntlich auch immer wieder in die Schweiz.

Der Traum von einem Wohnsitz hierzulande erfüllte sich der heute 59-jährige Mann bereits im Jahr 2009. Damals kaufte er das Grundstück am Brienzersee samt Haus zum Preis von 1’045’000 Franken.

Als Angehöriger eines Drittstaates musste er – zumindest in der Theorie – strenge rechtliche Vorschriften erfüllen, bevor er das Schweizer Eigenheim erwerben konnte. Massgebend ist das Gesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland, welches 1983 in Kraft trat. Bekannt ist das Regelwerk heute unter dem Namen «Lex Koller», benannt nach dem ehemaligen Bundesrat Arnold Koller (CVP), der bei der letztmaligen Revision 1997 federführend war.

Das Gesetz soll verhindern, dass reiche Ausländerinnen und Ausländer in der Schweiz nach Belieben Liegenschaften kaufen können und damit die Preise in die Höhe treiben. Der Fall des Omaners zeigt aber einmal mehr exemplarisch, dass es in diesem Regelwerk so einige Schlupflöcher gibt.

Familie braucht mehr Platz

Für Ausländerinnen und Ausländer ausserhalb der EU, die in der Schweiz regelmässig ihre Ferien verbringen wollen, macht die «Lex Koller» seit jeher Ausnahmen. Sie können sich eine Wohneinheit erwerben – allerdings mit Einschränkungen. So darf ein Grundstück nicht grösser als 1000 Quadratmeter sein, die Nettowohnfläche nicht mehr als 200 Quadratmeter betragen und der Wohnraum darf nicht weitervermietet werden. 

Wie der Fall des Omaners zeigt, machen die Behörden aber auch da immer wieder Ausnahmen. So überschreitet die Grundstücksfläche, auf welcher das Haus in Niederried steht, mit 1070 Quadratmeter die gesetzlichen Bestimmungen. Dennoch stimmte das Regierungsstatthalteramt Interlaken-Oberhasli dem Hauskauf im Jahr 2009 zu. Dies, weil die Überschreitung nur «geringfügig» war.

Das Haus am Ursisbalmweg 18 in Niederried bei Interlaken gehört einem omanischen Geschäftsmann, am 14.11.2023. Foto: Christian Pfander / Tamedia AG

2017, also acht Jahre später, stellte der omanische Geschäftsmann beim Regierungsstatthalteramt Interlaken-Oberhasli wiederum ein Gesuch. Dieses Mal wollte er das bestehende Gebäude komplett abreissen und durch einen Neubau ersetzen. Dadurch vergrösserte sich auch der verfügbare Wohnraum. Gemäss den Plänen des ortsansässigen Architekten sollte die Nettowohnfläche neu 224 Quadratmeter betragen, also 24 Quadratmeter mehr als gesetzlich erlaubt.

Auch hier zeigte sich das Regierungsstatthalteramt Interlaken-Oberhasli kulant. «Eine Nettowohnfläche von 224 Quadratmeter ist für eine Familie mit sechs Kindern gerechtfertigt», hielt die Behörde in ihrer neuerlichen Beurteilung fest. «Die Bewilligung kann trotz Überschreitung der gesetzlichen Limite erteilt werden.»

Inseratangaben «nicht plausibel»

In den folgenden Jahren setzte der Omaner das Bauprojekt in die Tat um. Durch den Umbau wurde das eher rustikale Haus zu einem Einfamilienhaus der Luxuskategorie, wie der Verkaufspreis von 6’890’000 Franken zeigt. Das Verkaufsinserat wirft nun allerdings die Frage auf, ob der Investor mehr Beton verbaut hatte, als erlaubt war.

Laut Verkaufsinserat beträgt die Bruttowohnfläche des Objekts nämlich 498 Quadratmeter. Zum Vergleich: Vor dem Umbau waren es 196 Quadratmeter – also weniger als die Hälfte. Wie ist das möglich?

Auf diese Diskrepanz angesprochen, halten sowohl das Regierungsstatthalteramt als auch die Gemeinde Niederried bei Interlaken fest, dass sie die Angaben im Verkaufsinserat nicht für plausibel halten. Gemeindeverwalter Beat Glarner betont, dass sogar eine Abnahme des Gebäudes stattgefunden habe und dabei kein Verstoss gegen die Maximalflächen festgestellt wurde.

Auf die Behördenkritik angesprochen, teilt das zuständige Immobilienbüro zuerst mit, dass es die Angaben noch einmal überprüfen werde. Am Tag darauf ist das Verkaufsinserat dann nicht mehr zu finden. Bei der Übernahme der Daten sei ein Fehler passiert, teilt das Büro später mit. Die sogenannte Bruttogeschossfläche sei fälschlicherweise als Bruttowohnfläche ausgewiesen worden. Die Vermarktung des Hauses sei inzwischen sistiert.

Bund und Kanton machen mit

Losgelöst von den Wirren rund um das Verkaufsinserat stellt sich die Frage, ob hier nicht genau das passiert, was die «Lex Koller» eigentlich verhindern sollte: Immobilienspekulation durch reiche Ausländer. Nur dank der Mithilfe der Behörden konnte der omanische Investor das Haus für rund eine Million Franken kaufen, um es dann zum siebenfachen Preis wieder auf den Markt zu bringen.

Martin Künzi, amtierender Regierungsstatthalter von Interlaken-Oberhasli, betont, dass im vorliegenden Fall alles rechtmässig abgelaufen sei. Es sei konstante Praxis des Bundesamts für Justiz, wonach bei dem Nachweis eines Mehrbedarfs Nettowohnflächen bis 250 Quadratmeter ohne weiteres bewilligt würden.

Tatsächlich ist es nicht nur seine Behörde, die über Gesuche entscheiden kann. Neben dem Regierungsstatthalteramt Interlaken-Oberhasli stimmten den Ausnahmebewilligungen auch das Bundesamt für Justiz und das Amt für Wirtschaft des Kantons Bern zu.