Olympisches GolfturnierVom Goldkurs abgekommen: Morgane Métraux bricht ein
Als Co-Leaderin in den letzten Tag gestartet, patzt die Waadtländerin schon früh und belegt am Ende Platz 18. Damit fällt sie auch hinter Landsfrau Valenzuela, die eine brillante Schlussrunde spielt.
Da schreitet Morgane Métraux über die Brücke zum ersten Loch, und schon jubeln die Schweizer Fans los und skandieren ihren Namen. Die Szenerie ist höchst ungewöhnlich – mal abgesehen vom Ryder-Cup vielleicht, dem Volksfest unter den Golfturnieren. Aber es könnte ein historischer Tag werden auf der Anlage von Guyancourt, südwestlich von Paris. Und so sind einige Anhänger hierhergereist, um Métraux tatkräftig zu unterstützen.
Gemeinsam mit Lydia Ko (NLZ) nimmt die 27-jährige Waadtländerin die letzte von vier Runden als Führende in Angriff. Das ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass sie in der Weltrangliste lediglich auf Platz 137 steht. Doch sehr bald verstummt der Anhang. Weil Métraux mit dieser prächtigen Ausgangslage vor Augen nichts mehr gelingen will.
Schon ihr erster Abschlag landet im Wasser, nach zwei Bogeys auf den ersten beiden Löchern folgt am fünften gar ein Triple-Bogey. Erst auf dem 15. und dem 16. Loch schafft Métraux zwei Birdies – da sind die Medaillen längst in weite Ferne gerückt. Mit 9 unter Par in den letzten Tag gestartet, beendet sie den Olympia-Wettkampf nach einer 79er-Runde mit 2 unter Par, dadurch fällt sie auf den geteilten 18. Rang zurück.
Ko lässt derweil nichts anbrennen. Die Neuseeländerin, die 2016 in Rio bereits Silber und 2021 in Tokio Bronze gewann, verweist mit insgesamt 278 Schlägen (10 unter Par) die Deutsche Esther Henseleit (280) auf Platz 2, Bronze holt Lin Xiyu (281) aus China.
«Es wird Zeit brauchen, das zu verdauen»
Aber zurück zu Métraux. Sie gibt sich alle Mühe, ihre Enttäuschung nicht zu fest durchdrücken zu lassen. Und doch hält sie fest: «Es wird Zeit brauchen, das zu verdauen. Ein Turnier so zu beenden, ist nicht schön.» In dieser vierten Runde sei alles zusammengekommen: Fehler, knappe Entscheidungen – sie habe einfach weniger gut gespielt als in den Runden zuvor. Weshalb sich die Frage stellt, ob sie am Druck zerbrochen ist. Gerade ihr total missratener erster Schlag könnte darauf hindeuten. Doch Métraux sagt: «Das war einfach ein schlechter Schlag und hatte nichts mit dem Druck zu tun. Ich fühlte mich genauso wie am Freitag.»
Da bewies sie am 18. Loch Nervenstärke, mit einem Eagle schaffte sie es, den Platz an der Tabellenspitze neben Ko zu behaupten. Das Meisterstück hatte Métraux aber in der zweiten Runde abgeliefert, als sie mit nur 66 Schlägen 6 unter Par blieb, dabei mit nur 28 Schlägen auf den ersten 9 Löchern einen olympischen Rekord aufstellte und sich an die Spitze des Klassements manövrierte. «Das ist nicht nichts, das stimmt mich für die Zukunft zuversichtlich», sagt sie. «Aber klar: An Olympischen Spielen zählen Medaillen. Ich habe davon geträumt, eine solche Chance zu bekommen. Es war genial, lange in dieser Position zu sein, das werde ich nie vergessen.»
Die ambitionierten Schwestern
Vor drei Jahren vertrat ihre Schwester Kim die Schweiz noch in Tokio, sie wurde 54. Morgane Métraux verzichtete damals trotz geschaffter Qualifikation auf Olympia, weil sie ihre Profikarriere vorantreiben wollte. Das zahlte sich aus, seit 2022 spielt sie auf der LPGA-Tour.
Es war Vater Olivier Métraux, der seine Töchter für Golf begeisterte. Dabei ist die Familie eigentlich stark mit dem Motorsport verbunden und hat über ihre Firmen in der Automobilbranche diverse Töfffahrer unterstützt, etwa Tom Lüthi und Dominique Aegerter. Das Golfen sollten Kim und Morgane ursprünglich lernen, damit die Familie in den Ferien gemeinsam Zeit verbringen kann. Doch die beiden – sie sind auch passionierte Klavierspielerinnen – zeigten rasch Talent.
Nach bestandener Matur gingen sie in die USA, um an der Florida State University zu studieren. Es war ihre einzige Möglichkeit, Ausbildung und Golfkarriere zu kombinieren. Auf dem Campus bildeten sie eine WG: Kim war für das Waschen, Morgane für das Kochen zuständig. Den Bachelor in Business Management schlossen beide mit der Bestnote summa cum laude ab.
Unterdessen haben sich die sportlichen Wege getrennt. Während Kim Métraux vorab auf der europäischen Tour spielt, tritt ihre zwei Jahre jüngere Schwester auf der LPGA-Tour gegen die Besten der Welt an. Dass sie einander trotzdem nahe sind, zeigt sich nach dem finalen Wettkampftag. Ursprünglich wollte Kim Métraux wegen einer Turniervorbereitung nicht nach Paris reisen, dann tut sie es für die letzte Runde doch. Als Morgane Métraux sie entdeckt, fallen sich die beiden in die Arme. Die Überraschung ist gelungen, auch wenn sie unter anderen Voraussetzungen schöner gewesen wäre.
Gleichwohl gibt es zum Abschluss ein Schweizer Highlight: Albane Valenzuela spielt eine 65er-Runde und bleibt damit 7 unter Par – eine bessere Runde gelang keiner Olympionikin an den vier Wettkampftagen. Damit verbessert sich die 26-jährige Genferin auf den geteilten 13. Rang und ist gar die beste Schweizerin.
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