Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Besondere Schweizer Olympia-Medaillen
Er galt als «Kommunisten-Schwein» – und verlor 30 Prozent seines Gehirns

Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Gianna Hablützel-Bürki – stets im Kampfmodus

Die Fechterin Gianna Habluetzel-Buerki hat ihren Spass bei den Dreharbeiten im Filmstudio Printime in Schlieren am Mittwoch, 13. Februar 2002. Zur Zeit steht sie mit Werner Guenthoer und Stefan Anghern fuer das Expo.02-Sportprojekt "Circuit - Koerper in Bewegung" vor der Kamera. (KEYSTONE/Walter Bieri)

Ihre grössten Gefechte trug Gianna Hablützel-Bürki nicht auf, sondern neben der Planche aus.

Doch der Reihe nach: 2000 in Sydney holt sie Silber mit dem Degen, zwei Tage später wird sie im Teambewerb an der Seite von Sophie Lamon und Diana Romagnoli ebenfalls Zweite. In der Schweiz bricht so etwas wie ein Mini-Fechtfieber aus, Hablützel-Bürkis kecke Art in den Interviews kommt an. Die Baslerin gewinnt überdies WM- und EM-Medaillen, zu ihrem Palmarès gehören aber auch diverse Konflikte.

Schon 1996 kommt es zum Zerwürfnis mit der Fechtgesellschaft Basel. Zwischen 2004 und 2007 streitet sie sich mit dem Schweizer Verband, der Krach eskaliert, weshalb sie nicht mehr mit dem Nationalteam trainieren darf.

2012 hört die einstige Weltnummer 1 auf und lanciert eine zweite Karriere in der Politik, als SVP-Vertreterin gehört sie zum Grossen Rat von Basel-Stadt. Für Aufsehen sorgt die heute 54-Jährige mit einem Post in den sozialen Medien, in dem sie die Kandidaten für die Vorstandswahlen im Fechtverband harsch kritisiert und ihnen Stimmenkauf unterstellt.

Robert Dill-Bundi – als Verräter beschimpft

Der Schweizer Radprofi Robert Dill-Bundi kuesst nach dem Gewinn der Goldmedaille an den Olympischen Sommerspielen in Moskau am 24. Juli 1980 im 4'000 Meter Bahnverfolgungsrennen, die Bahn. (KEYSTONE/Str)

Was für Robert Dill-Bundi eine spontane Handlung voller Euphorie ist, empfinden viele als Skandal. Nach Gold in der Einerverfolgung küsst er die Lärchenholzbahn – ausgerechnet in Moskau. Die Spiele von 1980 sind begleitet von politischen Spannungen, nach dem Einmarsch von sowjetischen Truppen in Afghanistan nehmen nur 80 Nationen teil.

In der Heimat wird Dill-Bundi als Landesverräter und «Kommunistenschwein» beschimpft. Der bis heute einzige Schweizer Bahn-Olympiasieger foutiert sich um die Reaktionen, feiert weitere Erfolge. Nach der Karriere wohnt er im Wallis, getroffen vom Schicksal, gezeichnet vom Leben.

Dreimal wird ihm ein Tumor im Kopf entfernt, beim dritten Mal sagen die Ärzte, er werde in zwei Monaten tot sein. Doch er überlebt – weil monatelang vier Elektroden an seinem kahl geschorenen Kopf hängen und jede Sekunde ein zwei Ampere starker Stromstoss hineindringt. 30 Prozent des Gehirns müssen entfernt werden.

Dem nicht genug: Dill-Bundi kriegt einen Herzinfarkt und löst eine Massenkarambolage aus, er hat am Steuer einen epileptischen Anfall erlitten. Zudem fällt er auf eine Kubanerin rein, die ihm 350’000 Franken abnimmt. Mittlerweile 65, hat er eines nicht verlernt: zu kämpfen.

Heidi Diethelm Gerber – der Zufall führte Regie

Die Schweizer Sportschuetzin Heidi Diethelm Gerber bei ihrem Empfang an ihrem Wohnort, aufgenommen am Samstag, 13. August 2016, in Maerstetten. Heidi Diethelm Gerber gewann vergangene Woche Bronze mit der Sportpistole ueber 25 Meter. (KEYSTONE/Gian Ehrenzeller)

2008 in Peking landen die Schweizer Schützen unter «ferner schossen». Vier Jahre später in London echauffiert sich Bundesrat Ueli Maurer ob der Darbietungen, wenig galant sagt er, nur die Rössli-Stumpen hätten gefehlt. 2016 in Rio hält Heidi Diethelm Gerber dem Druck stand: Sie gewinnt mit der Sportpistole Bronze, es ist die erste Medaille einer Schweizer Schützin überhaupt. Im olympischen Dorf fühlt sie sich neben all den Modellathletinnen unwohl. Sie sagt: «Hätte ich versagt, wäre die Gewichtsdebatte losgegangen.»

Die Thurgauerin ist damals schon 47, erstmals eine Waffe in der Hand gehalten hat sie mit 32. Der Zufall spielt Regie: Weil ihr Arbeitgeber einen Schützenwettkampf sponsert, dürfen sich die Mitarbeiter am Schiessstand austoben. Sieben Jahre später gehört sie schon zum Nationalteam. Vor den Olympischen Spielen kündigt sie ihren Job und wird Profi, Leute aus ihrem Umfeld sagen ihr, sie habe einen Vogel.

Nach Rio wird aus Diethelm Gerber «Heidi National», sie hält 1.-August-Reden, gibt viele Interviews, geht in Schulklassen. Reich wird sie damit nicht, sie hat nicht einmal eine Website und kaum Sponsoren. Zusammen mit dem Ehemann wohnt sie bei der Mutter.

Jack Günthard – der Vorzeigeturner

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

1952 reist der Zürcher in seinen Ferien an die Spiele nach Helsinki. Jack Günthard gewinnt Gold am Reck und Silber mit der Mannschaft, es ist bis heute die letzte Schweizer Teammedaille im Kunstturnen. Günthard wird auch Europameister, nach der Karriere aber wird seine Bewerbung für den Posten des Schweizer Nationalcoachs abgelehnt, für den Verband ist er zu modern.

Er zieht in den Süden und feiert mit den Italienern grosse Erfolge. Weshalb die Schweizer auf einmal «bitti-bätti» machen – und Günthard doch noch Cheftrainer wird. Bekannt wird er jedoch aus anderem Grund: In den Siebzigern animiert er in der Fernsehsendung «Fit mit Jack» die Menschen zu mehr Bewegung, im modischen Trainer verrät er Tipps und Tricks für einen gesunden Alltag. Er wird so etwas wie der Vorturner der Nation – und die Nation turnt mit. 1974 erscheint sein Buch «Fit mit Jack Günthard», das zum Bestseller wird.

2016 stirbt Günthard im Alter von 96 Jahren.

Karin Thürig – beneidetes Multitalent

Switzerland's Karin Thuerig stands on the podium after clinching the bronze medal of the Women's Individual Time Trial Cycling Race, at the Beijing 2008 Olympics in Beijing, Wednesday, Aug. 13, 2008. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)

Ihr Palmarès reicht für drei Karrieren. Fünfmal gewinnt Karin Thürig einen Ironman, sie wird jeweils zweimal Weltmeisterin im Duathlon und im Zeitfahren, spielt zudem Volleyball in der NLB.

2004 wird Thürig Schweizer Sportlerin des Jahres. Zuvor hat sie in Athen ihr Meisterstück vollbracht und Olympiabronze im Zeitfahren geholt. Trotz eines vermeintlich folgenschweren Malheurs: Früh verliert sie den Funkkontakt zum Begleitfahrzeug, aus Versehen reisst sie den Stecker aus dem Ohr. So fehlen Informationen zum Rennen und auch die Musik, die ihr so wichtig ist – meistens hört sie Songs von Robbie Williams. Weil sie eine Alleskönnerin ist, reicht es auch auf der Bahn zu einem Diplom. Vier Jahre später in Peking gewinnt sie im Rennen gegen die Uhr wieder Bronze. Dabei ist sie bis zum Karriereende 2011 nie Vollprofi.

An Neidern mangelt es der Luzernerin nicht, manch eine geschlagene Konkurrentin zerreisst sich über sie das Maul. Der Unmut gründet darin, dass sie es scheinbar ohne monströsen Aufwand an die Spitze schafft: Ihr erstes Rennvelo kauft sie sich keine fünf Jahre vor dem Gewinn der WM-Medaille, Weltmeisterin im Duathlon wird sie in ihrer dritten Saison.

Henri Copponex – Segler mit Edelmut

In einer Würdigung nach seinem Tod 1970 wird er als «Prinz des Sees» bezeichnet. Er habe die Eleganz eines Hollywoodstars verkörpert, sei aber demütig und grosszügig gewesen, heisst es. Der Genfer Henri Copponex gilt schon zu Lebzeiten als Legende im Segelsport. Nach zwei missglückten Spielen holt er 1960 in Rom mit Pierre Girard und Manfred Metzger doch noch Bronze in der nicht mehr olympischen 5,5-m-R-Klasse.

Vielmehr aber ist Copponex als Schiffsarchitekt bekannt. Er ist so berühmt, dass in Rom fünf andere Teams mit von ihm entworfenen Booten starten. Der Schweizer kümmert sich sogar um die Gegner, hilft vor den Regatten bis spätabends bei der Optimierung des Materials. Und erhält dafür einen Fairnesspreis.

Schon als Teenager hat Copponex Schiffsmodelle gebastelt. Nach dem Ingenieur-Studium an der ETH entwirft er grosse Schiffe und Rettungsboote. Das Designen von Jachten bringt er sich selbst bei.

Michel Ansermet – einer für Extremsituationen

Michel Ansermet direteur du Vivarium donne a manger a "Kouma" un Iguane, Iguana Iguana, ce jeudi 17 mars 2011 au Vivarium de Lausanne. (KEYSTONE/Jean-Christophe Bott)

Die Qualifikation hat er an und für sich verpasst. Nur dank einer Wildcard des internationalen Schützenverbandes erhält Michel Ansermet doch noch ein Ticket für die Spiele 2000 in Sydney.

Noch ein paar Monate vor dem Höhepunkt schmerzt die Schulter so stark, dass im Training Tränen fliessen. Und doch ordnet er dem letzten Karriereziel alles unter: Die Wettkampfstätte führt er sich mithilfe eines Films Hunderte Male vor Augen. Am heimischen Schiessstand spielt er Kassetten ab, welche die Atmosphäre im Stadion simulieren – Lärmklagen nimmt er in Kauf. Der Effort zahlt sich aus, Ansermet holt Silber mit der Schnellfeuerpistole.

Ansermet macht sich seine Leidenschaft für Reptilien, Amphibien und Spinnen zunutze; phasenweise leben bei ihm daheim achtzig Schlangen, im Umgang mit gefährlichen Tieren lernt er, in Extremsituationen Ruhe zu bewahren. Nach dem Rücktritt zieht der heute 59-Jährige in die Romandie und wird Direktor des Vivariums in Lausanne. Manchmal hilft er, die Krokodile zu pflegen. Und als es darum geht, einen zweieinhalb Meter langen Komodowaran nach Lausanne zu bringen, kriegt er den Privatjet von Sion-Boss Christian Constantin zur Verfügung gestellt.

In einer früheren Version dieses Artikels stand, dass Gianna Hablützel-Bürki wegen Verleumdung verurteilt worden sei. Korrekt ist, dass es sich dabei um ein erstinstanzliches Urteil in einem laufenden Verfahren handelt. Zudem wurde sie nicht von der Fechtgesellschaft Basel ausgeschlossen, sondern gab vor der Mitgliederversammlung 1996 ihren Austritt aus dem Verein.