Ollie.ai und Dearai.xyzEinfacher und origineller schenken: Können wir neben KI einpacken?
Mithilfe von künstlicher Intelligenz sind Geschenke jetzt so schnell zur Hand wie noch nie. Bliebe nur ein winziges Problem.
Vorweihnachtszeit ist traditionell auch Gift-Guide-Zeit. In alle Ecken des E-Mail-Postfachs hagelt es Geschenkempfehlungen. Stets sind sie versehen mit Affiliate-Links zu den einschlägigen Webshops, sodass die Verfasser der Ratgeber bei jedem Kauf auch ein bisschen von ihren Tipps profitieren. Doch während die elektronischen Warenkörbe nur so glühen und die Geschenkregale befüllt werden, macht sich schon wieder der Verdacht breit, dass es trotz allem an guten Ideen mangelt.
Hinein in diese Meta-Marktlücke prescht das Start-up Ollie.ai. Die Macher werben mit «durchdachten Geschenken mit Leichtigkeit». Wie das geht? Wie sollte es heutzutage auch anders sein: natürlich mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI). Eine spezielle Chat-GPT-Version fragt zunächst nach Hobbys und Gemüt des zu Beschenkenden sowie nach dem Anlass.
Nun gut, was schenkt man nun der gerne gärtnernden, gerne lesenden Freundin? Die Vorschläge der Schreibmaschine erschöpfen sich dann doch in personalisierten Schürzen, E-Readern oder innovativen Gartenhandschuhen. Nicht gut genug. Man muss also doch mal wieder selbst denken.
«Intime, aufmerksame und wunderschöne Briefe»
Die Website Dearai.xyz dagegen begrüsst den Besucher schon auf der Startseite mit dem Motto «Warum sollte es länger als eine Sekunde dauern, nett zu sein?». Man könne doch auch «die Kraft künstlicher Intelligenz nutzen, um intime, aufmerksame und wunderschöne Briefe zu schreiben». Man wählt den Anlass, egal ob Muttertagskarte oder Kondolenznote, dann noch Name, Alter und Beziehung, die man zum Empfänger hat. In kürzester Zeit retourniert die KI eine individualisierte Botschaft, in der es vor Superlativen nur so wimmelt.
Die KI-generierten Geschenke und Grusskarten sind nur eine besonders überspitzte Form der Auslagerung von zwischenmenschlicher Arbeit: Da gibt es etwa einen Tinder-Automaten, der in Windeseile originelle und vermeintlich individualisierte Anmachsprüche liefert. Oder einen Büro-Avatar, trainiert mit dem eigenen Business-Kauderwelsch, der in Vertretung an Konferenzen teilnehmen kann.
Auslagerung von zwischenmenschlicher Arbeit
Das sind keine hypothetischen Anwendungsbeispiele für sogenannte KI, sondern Dienstleistungen, die bereits frei verfügbar sind. «Wenn ich doppelt gebucht bin, kann ich einfach meinen Avatar schicken, der wahrscheinlich 90 Prozent aller Fragen, die Menschen mir stellen, beantworten kann», sagt etwa Sam Liang, Entwickler des Business-Bots.
Das offenbart nicht nur eine Menge über die insgeheime Wertschätzung der eigenen Arbeit, sondern ist auch eine seltsame Wendung. Schliesslich dachten Zukunftsforscher lange Zeit, dass uns hochentwickelte Computer von den Mühen des Alltags und seinen Verrichtungen befreien würden, auf dass sich der Mensch den höheren Dingen zuwenden könne. Nun ist es so, dass die Software den Feingeist übernimmt, damit der Nutzer mehr Zeit hat für den Abwasch.
Sind die Vorschläge aus dem Automaten besser als der ewige Gutschein?
Trotz allem ist es gar nicht so einfach, die Geschenke-KI zu kritisieren. Ist es bloss der Gedanke, der zählt? Oder doch eher die Freude des Empfängers?
Vielleicht sind die Vorschläge aus dem Automaten ja sogar besser als das dilettantisch Handgemachte oder der ewige Gutschein. Womöglich werden sie nicht direkt nach der Öffnung der Läden nach den Feiertagen zurück in die Geschäfte gebracht.
Nicht viel mehr als der statistische Durchschnitt
Treffender wirkt da schon der Einwurf, dass sich der Anwender der Angebote mit Allgemeinplätzen zufriedengibt. Ist man der Meinung, der statistische Durchschnitt – denn recht viel mehr ist der Output der KI ja nicht – ist angemessen für die Beschreibung der eigenen Biografie, für die Beziehungen, die man unterhält, und für den Aufwand, den man für seine Mitmenschen aufbringt?
Sei es aus Bequemlichkeit oder Überforderung, mit jedem Klick auf den KI-Knopf nimmt man sich selbst ein Stück seines Handlungsspielraums. Und was hält den Nutzer eigentlich noch davon ab, all das noch weiter zu treiben und sein Leben zu führen, ohne sich die Mühe zu machen, es tatsächlich zu leben?
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