Deutsche Corona-PolitikOffener Machtkampf zwischen Merkel und den Ländern
Die Kanzlerin findet Unterstützung für ihren Vorschlag, den Ministerpräsidenten die Verantwortung aus der Hand zu nehmen.
Angela Merkel hat am Sonntagabend in einem einstündigen Interview mit der ARD-Moderatorin Anne Will zögerliche Bundesländer dazu aufgefordert, ihre Massnahmen zur Eindämmung der dritten Pandemiewelle schnell zu verschärfen. Täten sie es nicht, fasse sie ins Auge, sagte Merkel, sie auf dem parlamentarischen Weg über eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes dazu zu zwingen. «Ich werde jedenfalls nicht zuschauen, bis wir 100'000 Neuinfektionen am Tag haben», so die 66-jährige Kanzlerin.
Wenige Minuten nach der Sendung sicherte der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder in den ARD-«Tagesthemen» Merkel seine Unterstützung zu. Falls einzelne Bundesländer sich weiter weigerten, bei überschrittenen Grenzwerten die sogenannte Notbremse zu ergreifen, trete er für bundesweit einheitliche, strenge Regeln ein. Statt weiter folgenlos mit den Ministerpräsidenten zu streiten, würde er es dann vorziehen, den Bundestag in Gang zu setzen. «Wir brauchen jetzt weniger Flickenteppich.»
Sehr grundsätzlich argumentierte am Montag Bundesinnenminister Horst Seehofer. Der frühere CSU-Chef verlangte, dass der Bund in der Seuchenbekämpfung jetzt das Kommando übernehme. Den Ländern obliege zwar die Umsetzung der Corona-Politik, die Gesetzgebungskompetenz liege aber beim Bund, so der 71-Jährige. «Man muss nur Gebrauch davon machen.»
Der Bund solle jetzt im Infektionsschutzgesetz nicht nur das Vorgehen bei steigenden Infektionszahlen deutschlandweit festlegen, sondern auch bei sinkenden Zahlen entsprechende Stufenpläne für Lockerungen gesetzlich verankern. Den bisherigen Ansatz, die Corona-Bekämpfung wesentlich in der Hand der sechzehn Ministerpräsidentinnen und -präsidenten zu belassen, hält Seehofer für gescheitert: «Dieses Verfahren kann man so nicht weitermachen.»
Aus den Bundesländern gab es zu Merkels Mahnung sowohl Zustimmung wie auch Kritik. Die Länder, die die Notbremse bereits umsetzen – Bayern, Sachsen, Baden-Württemberg oder Hamburg etwa –, forderten die Zögerlichen zu mehr Konsequenz auf. Jene Länder, die sich bisher weigern, ihre Massnahmen zu verschärfen – das Saarland etwa, Schleswig-Holstein oder Niedersachsen –, verteidigten ihr Vorgehen und kündigten an, daran festhalten zu wollen.
Besonders im Fokus stand Armin Laschet, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und neuer CDU-Chef, den Merkel namentlich kritisiert hatte. Laschet bestritt, dass sein Land die Notbremse nicht umsetze – verteidigte aber gleichzeitig Öffnungen des Einzelhandels für Kunden, die einen negativen Schnelltest vorweisen könnten.
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Was sie von diesem Vorgehen hält, hatte Merkel am Vorabend schon bei Anne Will gesagt: In einer exponentiellen Phase wie der jetzigen sollten vermehrte Tests vor allem die Zahl der Neuinfektionen in Schulen und Unternehmen reduzieren. Sie dürften aber nicht als Alibi für zusätzliche Lockerungen und Kontakte dienen.
Der «Spiegel» sammelte am Montag erste Stimmen aus der CDU, die sich gegen Laschet als Kanzlerkandidaten der Union und für seinen CSU-Rivalen Söder aussprachen. Söder sei entschlossener und beliebter, so lautete der Tenor. «Bei mir an der Parteibasis kenne ich praktisch niemanden, der für Armin Laschet ist», sagte der rheinland-pfälzische Bundestagsabgeordnete Johannes Steiniger. Noch handelt es sich bei den Stimmen um wenig bekannte Einzelfiguren. Aber das braucht nicht so zu bleiben.
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