Kommentar zum FPÖ-ChefKickl ist ein Wolf im Wolfspelz
Kaum hat Herbert Kickl ein Mandat zur Bildung einer Regierung in Österreich, vergrault er seine Partner. Will er vielleicht gar nicht Kanzler werden?
Ein Mann, der nach eigenen Angaben niemals Bundeskanzler werden wollte, ist dies nun zum zweiten Mal. Erneut soll der ÖVP-Politiker Alexander Schallenberg gemäss Bundespräsidentschaftskanzlei übergangsweise die Regierung in Österreich führen. Schon 2021 hatte er dies für knapp zwei Monate getan. Damals stellte er sich zur Verfügung, bis seine konservative ÖVP die Nachfolge ihres zurückgetretenen Helden Sebastian Kurz geklärt hatte; nun soll er den Übergang moderieren, bis die Koalition von FPÖ und ÖVP steht. Falls sie denn je steht.
Man schaut ja in niemandes Hirn hinein, aber vielleicht ist es so, dass der FPÖ-Vorsitzende Herbert Kickl gar nicht Kanzler werden will; zumindest jetzt nicht. Vielleicht ist es ja auch so, dass der Bundespräsident Alexander Van der Bellen den Mann aus der Partie zu nehmen hofft, indem er ihm die Bildung einer Regierung aufgetragen hat – spekulierend, dass Kickl scheitern wird und ausreichend FPÖ-Wähler ihm dies übel nehmen.
Wie viel Selbstachtung haben die Konservativen noch?
Jedenfalls hat Kickl nach herkömmlichem mitteleuropäischem Ermessen rasch viel dafür getan, dass seine designierten Partner von der ÖVP eigentlich kaum anders können, als die Finger von einer Koalition mit ihm zu lassen. Sonst geben sich mögliche Partner vor Verhandlungen gern konziliant. Der Schafspelz ist das opportune Kleidungsstück für einen Wolf in der Anschleichphase. Der Wolf Kickl aber kommt umstandslos im Wolfspelz daher. Indem er von der ÖVP die «Einsicht» verlangt, «wer Fehler der Vergangenheit zu verantworten hat», fordert er, dass die sich öffentlich kleinmacht; dass sie nicht als Partner, sondern als Büsser in die Gespräche mit ihm geht.
Sollte es hinter der väterlichen Stirn des österreichischen Bundespräsidenten einen Sinn für Raffinesse geben, müsste man Van der Bellen für seinen Auftrag an den FPÖ-Chef womöglich gratulieren. Auf der Basis von Kickls Äusserung kann eigentlich niemand bei Verstand ein Bündnis mit ihm erwägen. Aber was weiss man schon, wie stark Selbstachtung in der ÖVP noch verbreitet ist.
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