Obdachlose in Zürich«Maximal 15 Minuten»: Sihlpost kämpft gegen unerwünschte Besucher
Im Postfachraum der Sihlpost beim Zürcher HB halten sich immer wieder unerlaubt Personen auf. Die Post reagiert mit Wegweisungen – und einem ungewöhnlichen Warnschild.
«Der Aufenthalt in diesem Raum länger als 15 Minuten ist untersagt», heisst es auf dem gelben Hinweisschild, das an der Eingangstür zu den Postfächern und zum Mypost24-Automaten der Zürcher Sihlpost hängt. Der Postfachraum befindet sich an der Ecke Kasernenstrasse/Europaplatz, wo täglich Hunderte Pendlerinnen und Pendler vorbeikommen.
Weiter steht auf dem Hinweisschild der Post: «Der Aufenthalt in diesem Raum ausserhalb des Verkehrs mit den Postfächern, dem Einzahlungsgerät und dem Mypost24-Automaten ist untersagt… Zuwiderhandlungen werden bei den Strafverfolgungsbehörden zur Anzeige gebracht (Hausfriedensbruch gemäss Art. 186 Strafgesetzbuch).»
Wegweisungen jeden Tag
Der Hinweis auf die zeitliche Aufenthaltsbeschränkung solle verdeutlichen, «dass der Aufenthalt im Raum nur zur Nutzung von Dienstleistungsangeboten der Post erlaubt ist», sagt Postsprecherin Silvana Grellmann.
Seit vergangenem Herbst habe man vermehrt Personen aus dem Raum wegweisen müssen, welche sich unrechtmässig und gewaltsam Zugang zu den Postfachanlagen verschafft hätten, sagt Grellmann. Am Morgen habe man die Räumlichkeiten auch oft stark verschmutzt vorgefunden.
«Es mussten täglich Personen weggewiesen werden», sagt die Postsprecherin. Seit vergangenem Herbst habe man zudem fünf Anzeigen wegen Hausfriedensbruchs eingereicht.
Weiter hat die Sihlpost auch die Eingangstüren so nachgerüstet, dass die Postfachanlage in der Nacht ab 22.30 Uhr nicht mehr von aussen zugänglich ist.
Reklamationen von Kunden
Eine Postkundin aus der Stadt Zürich berichtet von einem spätabendlichen Zusammentreffen mit einem Obdachlosen in dem Raum vor ein paar Monaten. Der Mann habe es sich dort mit seinen Taschen vor dem Mypost24-Automaten bequem gemacht.
Als sie ihn gebeten habe, etwas zur Seite zu rücken, um an den Automaten zu gelangen, habe er freundlich reagiert und anstandslos Platz gemacht. Mit seiner Habe sei er einfach im Postfachraum ein paar Meter weiter nach hinten gerückt. Dies zum Unmut eines weiteren Kunden im Postfachraum, der sich gut hörbar über den Mann genervt habe.
Laut Postsprecherin Silvana Grellmann haben sich Postkundinnen und -kunden regelmässig am Schalter über die Situation bei den Postfächern beschwert. Sie hätten sich, wie übrigens auch Postangestellte, wegen der ungebetenen Besucher weniger sicher gefühlt.
Durch die verschärften Kontrollen der Post selber, die «ausnahmslose Wegweisung» und die damit verbundene Zusammenarbeit mit der Polizei habe die Situation entschärft werden können. Die Kundenreaktionen am Schalter seien seither deutlich zurückgegangen.
Bettler vor der Sihlpost
Ob und inwiefern die Probleme vor den Postfächern der Sihlpost mit armutsbedingter Obdachlosigkeit, mit der Drogenszene beim HB oder mit dem Phänomen des Bettelns zusammenhängt, ist unklar. Die Post macht dazu keine Angaben. «Es ist nicht an der Post, diese Personen einer Gruppe zuzuordnen», sagt Grellmann.
Vor der Sihlpost sind häufig bettelnde Personen anzutreffen, unter anderem etwa eine ausgemergelt wirkende Frau, die jeweils auf einer dünnen Kartonunterlage auf dem Trottoir liegt. Vor sich hat sie einen Becher und ein Schild aufgestellt, auf dem sie Passanten um etwas Geld bittet, weil sie sich in einer Notlage befinde und keine Unterkunft habe.
Direkt neben der Sihlpost und dem Europaplatz befindet sich zudem das Gleis 3 des Hauptbahnhofs. Dieses hatte in den vergangenen Monaten im Zusammenhang mit der Crackszene für Schlagzeilen gesorgt. Beim Gleis 3 trafen und treffen sich immer wieder Süchtige und Dealer. Im vergangenen Winter verstärkte die Polizei die Präsenz und sprach Wegweisungen aus, wie die NZZ berichtete.
Für die Stadtpolizei Zürich gilt die Sihlpost allerdings nicht als Brennpunkt, wie Sprecher Michael Walker sagt. Man verzeichne dort im Schnitt einen Einsatz pro Monat, bei dem nach Meldungen oder eigenen Feststellungen bettelnde Personen oder Leute aus der Betäubungsmittelszene weggewiesen würden. Diese hielten sich meist vor der Sihlpost auf, vereinzelt aber auch im Postfachraum. Von den Wegweisungen, welche die Post selber vornehme, habe die Stadtpolizei jeweils keine Kenntnis, sagt Walker.
Auch der städtische Betrieb SIP Züri (Sicherheit, Intervention, Prävention) stuft die Sihlpost nicht als Problemort ein. Es gebe nur vereinzelt Meldungen aus der Bevölkerung, dass sich dort bettelnde Personen aufhielten, heisst es auf Anfrage beim Sozialdepartement.
Umbau geplant
Die Post ist überzeugt, dass das Warnschild mit der Zeitbeschränkung einen Effekt hat. Eine weitere Verbesserung der Situation verspricht sich Postsprecherin Silvana Grellmann vom geplanten Umbau des Postfachraums, der demnächst beginnen soll. Dieser Umbau steht allerdings in keinem Zusammenhang mit den ungebetenen Gästen, wie sie betont.
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