Wähler wenden sich abNur noch ein Viertel traut Trump
Die Corona-Krise in Amerika hat eine neue und gefährliche Dimension erreicht. Der Präsident aber tut, als sei alles in Ordnung, und verliert das Vertrauen seines Volks.
Ende März äusserte sich der Kolumnist Markus Somm in der «SonntagsZeitung» über ein von ihm wahrgenommenes Comeback Donald Trumps. Inmitten der Corona-Pandemie seien dessen Zustimmungswerte plötzlich angestiegen, weshalb sich «einige europäische Journalisten» fragen müssten, ob die Amerikaner «verrückt» geworden seien. Schliesslich hätten diese Journalisten den Präsidenten «seit Wochen als Versager-in-Chief» dargestellt und dabei «meistens abgeschrieben, was in Amerika die Mainstream-Medien verlautbarten», schrieb Somm.
Abschreiben aber mussten weder europäische Journalisten noch ihre Kollegen auf anderen Kontinenten. Denn Ende März war bereits gut erkennbar, wie es in Wahrheit um Donald Trumps Präsidentschaft stand. Man musste nur sehen wollen, was sich vor der eigenen Nasenspitze zutrug: Trumps schon damals mehrfach geäusserte Überzeugung, das Virus werde einfach «verschwinden»; sein Einsatz für das wirkungslose Hydroxychloroquin als Wunderwaffe im Kampf gegen Covid-19; sein blamabler Auftritt in den Centers for Disease Control and Prevention in Atlanta, bei dem sich der Präsident als naturwissenschaftliches Genie outete; seine Weigerung, Verantwortung für das Krisenmanagement zu übernehmen.
Dass Trumps Zustimmungswerte Ende März fast an die 50-Prozent-Marke heranreichten, war nichts, was man laut hätte herausposaunen sollen: In ähnlich historischen Momenten – etwa nach 9/11 oder während der kubanischen Raketenkrise 1962 – waren die Zustimmungswerte amerikanischer Präsidenten auf 80, ja 90 Prozent hochgeschnellt, weil sich die Nation in ihrer Not und Verunsicherung instinktiv um den Oberbefehlshaber scharte.
Ein Sommer von Leid und Krankheit
Bei Trump war fast nichts davon zu spüren, ja schnell verpuffte der mickrige Zustimmungszuwachs Ende März. Inzwischen billigt nur ein Drittel der Amerikaner den Umgang des Präsidenten mit dem Coronavirus, gerade mal ein Viertel vertraut ihm. Überraschend daran ist nichts: Das Virus explodiert in den Vereinigten Staaten, die Nation muss sich auf einen Sommer von Leid und Krankheit einstellen.
Zumal die von Trump und seinen Epigonen in den Staatshauptstädten von Florida, Texas, Arizona, Georgia und South Carolina forcierte Öffnung der Wirtschaft zum Boomerang geworden ist: Neben Kalifornien sind es besonders diese Staaten, die unter massiven Ausbrüchen leiden und deren Gesundheitswesen gefährlich strapaziert wird.
Die Zeit wird knapp, um dem Virus Einhalt zu gebieten. Zu weit ist der amerikanische Ausbruch nach Meinung von Experten vielerorts bereits fortgeschritten, als dass beispielsweise das Tracking Infizierter noch sinnvoll und machbar wäre.
»Diese tolle Wirtschaftslage gehabt, und dann hat man mich gezwungen, die Wirtschaft zuzumachen.»
Unverändert aber verharmlost der Präsident die Bedrohung. Seine Helfer im Weissen Haus untersagten dem Top-Virologen Anthony Fauci, immerhin der Leiter der Abteilung für Allergien und Infektionskrankheiten an den National Institutes of Health, kürzlich mehrere TV-Interviews, weil Fauci indirekt den Präsidenten kritisiert hatte. Trump wiederum revanchierte sich und erklärte, Fauci sei «ein netter Mann, aber er hat viele Fehler gemacht».
In privatem Kreise lamentiert der Präsident laut der «Washington Post», er habe »diese tolle Wirtschaftslage gehabt, und dann hat man mich gezwungen, die Wirtschaft zuzumachen». Da der Wahltag immer näher rückt, werden sich Trump und ihm ergebene Gouverneure wie Floridas Ron DeSantis mit Händen und Füssen gegen neuerliche Restriktionen wehren – wenngleich Florida allein am Sonntag über 15’000 Neuinfektionen verzeichnete, mehr als das gesamte Europa!
Trotz der bedrohlichen Lage will der Präsident im Herbst die Schulen überall öffnen und verwies in einem Tweet darauf, dass die Schulen in Deutschland ja auch geöffnet seien. An jenem Tag aber verzeichnete Deutschland rund 240 Neuinfektionen, US-Amerika hingegen fast über 50’000.
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Solche Fakten werden Trump nicht daran hindern, gegen jegliche Einschränkungen des öffentlichen Lebens in besonders hart betroffenen Bundesstaaten zu wettern. Machen Schulen nicht auf, sollen sie nach seinem Willen keine Bundesgelder erhalten. Universitäten setzt der Präsident gleichfalls unter Druck: Das Herbstsemester muss beginnen, komme, was wolle.
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Das Virus wird sich davon jedoch nicht beeindrucken lassen. Und der Präsident gräbt sich womöglich sein eigenes politisches Grab: Die ökonomische Normalität lässt sich nicht wiederherstellen, solange ein gefährlicher Erreger unkontrolliert wütet. Den Corona-Ausbruch hätte ein anderer Präsident vielleicht als eine politische Chance genützt. Bill Clinton brannte bekanntlich darauf, sich in einer Krise beweisen zu können. Und Barack Obamas Berater Rahm Emanuel erklärte 2008, eine «ernste Krise» solle «niemals verschwendet werden».
Nicht nur hat Donald Trump die gegenwärtige Krise verschwendet. Sie könnte ihn mitsamt der Republikanischen Partei zur Strecke bringen, falls der Corona-Ausbruch nicht bald eingedämmt wird. Chancen auf eine Wiederwahl darf sich der Präsident dann keine ausrechnen, es sei denn, sein demokratischer Rivale Joe Biden implodierte.
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