Vorbereitungen auf nuklearen ZwischenfallNur im Extremfall sind Evakuierungen vorgesehen
Ein Unfall in einem ukrainischen Atomkraftwerk, der Einsatz von dreckigen Bomben oder nuklearen Raketen. Wie gut ist die Schweiz gerüstet, sollte ein solches Szenario eintreten?
Russlands Präsident Wladimir Putin droht im Krieg gegen die Ukraine mit dem Einsatz von Nuklearwaffen. Wie ernst diese Drohungen gemeint sind, ist schwierig einzuschätzen. Aber niemand rechnet damit, dass Russland gegen die Nato seine weitestreichenden und zerstörerischsten strategischen Atomwaffen einsetzt. Denn strategische Atomwaffen stellen keine rationale Option dar, um militärische Ziele zu erreichen.
Weniger sicher sind sich Experten bei der Beurteilung der Einsatzwahrscheinlichkeit bei kleineren taktischen Kernwaffen durch Russland in der Ukraine. Diese Waffen haben punkto Sprengkraft einen vergleichsweise kleinen Wirkungsradius von wenigen Kilometern. Radioaktiver Niederschlag würde, je nach Art der Bomben und je nach Wetterverhältnissen, unterschiedlich weit verteilt.
Bern liegt von Kiew 1700 Kilometer entfernt. Nach einem russischen Einsatz kleinerer taktischer Atombomben würde die Strahlung die Schweiz nicht erreichen. Das Verteidigungsdepartement (VBS) sagt hingegen, bei einem schweren Unfall in einem Atomkraftwerk in der Ukraine könnte die Schweiz vom Durchzug einer radioaktiven Wolke betroffen sein.
Folglich ist ein gezielter Angriff auf ein AKW in der Ukraine das risikoreichste Szenario für die anderen europäischen Länder wie auch die Schweiz. Und so würde die Schweiz in einem solchen Fall reagieren:
Radioaktivität aufspüren
Seit Jahren ständig im Einsatz ist die Nationale Alarmzentrale (NAZ). Sie ist die Fachstelle des Bundes für Ereignisse, bei denen es in der Schweiz zu erhöhter Radioaktivität kommen kann. Die NAZ steht dazu im Dauerkontakt mit der Internationalen Atomenergiebehörde. Im Inland verfügt sie über ein engmaschiges Messnetz aus 76 Stationen, das bei erhöhten Werten automatisch Alarm auslöst.
Auch international wird die Radioaktivität mit zahlreichen Messstationen überwacht. So hätte die Schweiz bei einem Vorfall in einem Atomkraftwerk oder auch bei Atomwaffenexplosionen im Ausland rasch verlässliche Informationen zur Verfügung. Sie könnte die Vorwarnzeit nutzen, um letzte Vorbereitungen zu treffen und die Bevölkerung zu alarmieren.
Das VBS sagt, für einen solchen Fall gebe es eingespielte Prozesse. Sie seien vergleichbar mit dem Notfallschutzkonzept für einen AKW-Unfall in der Schweiz.
Bevölkerung alarmieren
Sollten Messstationen massiv erhöhte Radioaktivität feststellen, würde die NAZ über Sirenen «allgemeinen Alarm» auslösen. Zu hören wäre dann ein regelmässig auf- und absteigender Ton, wie man ihn von den Sirenentests kennt. Das Zeichen ertönt bei stationären Sirenen eine Minute lang und wird nach fünf Minuten wiederholt. Die Bevölkerung wird damit aufgerufen, Radio zu hören. Via Radio wird dann das weitere Vorgehen erklärt.
Eine wichtige Rolle spielt in den Alarmplanungen des Bundes auch die App Swissalert. Dank ihr können die Behörden die Bevölkerung direkt übers Handy alarmieren und informieren.
Aufenthalt im Freien beschränken
Die wichtigsten Massnahmen wären im Extremfall eine Beschränkung der Aufenthaltszeit im Freien, insbesondere für Schwangere und Kinder. Unter Umständen müssten auch Tiere von den Weiden geholt, Ernten verboten und Lebensmittelkontrollen angeordnet werden. Hier kämen Spezialisten des Labors Spiez sowie kantonale Stellen zum Einsatz.
Einen vergleichbaren Fall hatte die Schweiz 1986 zu bewältigen, als es zur Nuklearkatastrophe von Tschernobyl kam. Gemäss dem VBS ist es «unwahrscheinlich, dass Notfallmassnahmen wie die Evakuierung, das Aufsuchen von Schutzräumen oder die Einnahme von Jodtabletten angeordnet werden müssen.»
Sich persönlich vorbereiten
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz empfiehlt schon lange Massnahmen – unabhängig von der Situation in der Ukraine:
Die App Alertswiss auf dem Mobiltelefon installieren und ein batteriebetriebenes Radio beschaffen. So kann man auch bei Stromausfall auf dem Laufenden bleiben.
Einen Notvorrat gemäss den Empfehlungen des Bundesamtes für wirtschaftliche Landesversorgung bereithalten. Dazu gehören unter anderem Wasser und Lebensmittel für etwa eine Woche, Hygieneartikel und etwas Bargeld sowie ein persönlicher Notfallplan, der individuelle Besonderheiten berücksichtigt.
Weitere Massnahmen sind gemäss Bund heute nicht nötig.
Den Krisenstab aktivieren
Ein solch ausserordentlicher Fall hat auch politische Dimensionen. Der Bundesrat aktiviert im Ernstfall einen Führungsstab. Dessen Zusammensetzung ist bereits bestimmt. Darin vertreten sind die Generalsekretärinnen und Generalsekretäre aller Departemente, die Bundesämter für Gesundheit, für Zoll und Grenzschutz, für Bevölkerungsschutz und für Energie.
Hinzu kommen ein Armeevertreter sowie je eine Vertreterin der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren und der Regierungskonferenz Militär, Zivilschutz und Feuerwehr. Chef dieses Führungsstabes auf Bundesebene ist Toni Eder als Generalsekretär des Verteidigungsdepartements (VBS).
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