Kommentar zum Entscheid des Supreme CourtNur ein Zwischensieg im Abtreibungsstreit
Die Pille Mifepriston bleibt in den USA zugelassen, wie das höchste US-Gericht entschieden hat. Doch entschieden ist der Streit um den Schwangerschaftsabbruch damit noch lange nicht.
Kann es sein, dass die wichtigsten Richterinnen und Richter Amerikas zumindest mehrheitlich zur Vernunft kommen? Jedenfalls hat der Oberste Gerichtshof vernünftigerweise entschieden, die Abtreibungspille Mifepriston weiterhin zuzulassen. Ob es dabei bleibt, wird sich in den kommenden Monaten zeigen, es handelt sich um einen vorläufigen Beschluss. Doch dieser lässt hoffen, dass sich in diesem Fall der gesunde Menschenverstand durchsetzt. Oder politischer Pragmatismus.
Das letzte grosse Urteil des Supreme Court in der Abtreibungsdebatte war ein schwerer Fehler, begleitet von Applaus aus sehr rechten und weltweitem Entsetzen in linken bis gemässigten Kreisen. Vor knapp einem Jahr hatte das zu wesentlichen Teilen stramm konservativ besetzte Gremium die landesweite Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen aus dem Jahre 1973 revidiert, eine historische Rolle rückwärts mit enormen Folgen.
Fürchterliches Durcheinander
Seitdem gelten die sehr unterschiedlichen Bestimmungen der Bundesstaaten, die einen liberal, die anderen restriktiv. Das hängt jeweils wesentlich damit zusammen, ob Demokraten (wie in Kalifornien) oder Republikaner (wie in Texas) regieren. Das Ergebnis ist zum einen ein fürchterliches Durcheinander, das den Betroffenen schwer schadet.
Vielerorts wird Frauen die freie Entscheidung verwehrt. Sie müssen andere Bundesstaaten aufsuchen oder sich von Videoärzten ebenjene Tabletten verschreiben und dann von der Post zustellen lassen, die nun zur Diskussion stehen. Treibende Kraft der Abtreibungsgegner, die Mifepriston verbieten lassen wollen, ist ein von Donald Trump eingesetzter Richter in Texas. Eine höhere Instanz in New Orleans bremste ihn zwar, allerdings mit enormen Auflagen für den weiteren Vertrieb des Medikaments. Der Streit um das Ende von ungewollten oder gefährlichen Schwangerschaften ist längst ein bedeutender Teil des Kulturkampfes, der die Vereinigten Staaten spaltet.
2024 wird in den USA wieder gewählt, das weiss auch der Oberste Gerichtshof.
Aber das verheerende Ende einer einheitlichen, überparteilichen Abtreibungsregelung ging selbst vielen republikanischen Wählern und nicht zuletzt Wählerinnen zu weit. Das bekamen die Republikaner bei den Zwischenwahlen im Herbst 2022 dann zu spüren. 2024 wird in den USA wieder gewählt, das weiss auch der Oberste Gerichtshof.
Fehler gefunden?Jetzt melden.