Papablog: Finanzierung der PflegeNun sollen Kinderlose noch mehr bezahlen?
Weil das Pflegesystem unterfinanziert ist, soll der Pflegebeitrag Kinderloser in Deutschland erhöht werden. Das ist unsolidarisch, findet unser Blogger und Vierfachvater.
In Deutschland tobt mal wieder die nächste Auseinandersetzung im scheinbar ewigen Kampf zwischen Eltern und kinderlosen Menschen. Anlass diesmal: Der Bundesgesundheitsminister plant ab Sommer eine Erhöhung der Beiträge zur Pflegeversicherung. Um dabei ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen, das mehr Berücksichtigung des Erziehungsaufwandes von Eltern angemahnt hat, soll auch der «Kinderlosenzuschlag» erhöht werden.
Zig Gründe, warum das keine gute Idee ist
De facto bedeutet dies, dass kinderlose Menschen mehr zur Kasse gebeten werden als Menschen mit Kindern. Als Vater von vier Kindern halte ich das, vorsichtig formuliert, für eine richtig beschissene Idee – und zwar aus mehreren Gründen. Da wäre zum Beispiel die Tatsache, dass die Schnittmenge zwischen kinderlosen Menschen und Menschen, welche die für sie ungünstigste Steuerklasse zugewiesen bekommen, ziemlich hoch ist. Die drücken also grundsätzlich schon ziemlich viel an den Staat ab.
Hinzu kommt, dass man über kinderlose Menschen nicht pauschal sagen kann, dass sie wohlhabender sind oder bessergestellt als Menschen mit Kindern. Noch nicht einmal, dass sie ihr Leben mit weniger pflegerischen Tätigkeiten verbringen. Siehe pflegende Angehörige. Ausserdem drängt sich gerade ungewollt kinderlosen Menschen der Verdacht auf, hierbei zusätzlich für etwas bestraft zu werden, für das sie sich schon als bestraft genug empfinden.
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Solidarität geht anders
Wenn man zu dieser Gemengelage noch einige Fragen addiert – wie viel von diesem Geld tatsächlich bei pflegenden Menschen ankommt oder wie wir mit Menschen umgehen, die sich des Erziehungsaufwandes entziehen – kommt man aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus. Fest steht, dass das Pflegesystem unterfinanziert ist. Fest steht auch, dass das Geld von irgendwoher kommen muss. Aber einmal mehr wird für Betroffene lediglich ein Anlass geschaffen, zur Seite oder nach hinten zu gucken. Wie in diesem alten Witz über den Fabrikbesitzer, der vor Unmengen von Essen sitzt und anstatt zu teilen, auf die eine Schüssel seines Arbeiters zeigt: «Heh, dein Nebenmann guckt gierig auf deine Schüssel Essen. An deiner Stelle würde ich mir das nicht bieten lassen!»
Während der Corona-Krise sind Reiche immer reicher geworden. Allein in Deutschland besitzen Reiche nun mehr als ein Fünftel des gesamten privaten Finanzvermögens. Und nein, der Einwand, dass sie dafür vielleicht voll hart und innovativ gearbeitet haben, interessiert mich nicht. Für diese Art Vermögen kann man nicht arbeiten. Man kann es auch nicht erschaffen. Man kann es nur raffen.
Den Pflegebeitrag für Kinderlose zu erhöhen, ist also keine Umsetzung von Solidarität. Im Gegenteil: Es ist zutiefst unsolidarisch, weil es die Privilegien, die man wirklich abschaffen sollte, vorsätzlich unangetastet lässt. Pflege ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die wir bewältigen, indem alle tun, was sie können. Und nicht dadurch, dass Klientelpolitik für Leute betrieben wird, die nicht wollen und sich leisten können, es nicht zu müssen. Vielleicht, und nicht nur vielleicht, sollten wir aufhören, mit pflegebedürftigen Menschen Geld verdienen zu wollen. Und das Ganze dann über eine gerechte Besteuerung finanzieren.
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Gut 2 Milliarden Euro fehlen der Pflegeversicherung gegenwärtig. Gut 100 Milliarden verliert allein Deutschland jährlich durch Steuerhinterziehung. Huch!
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