Nein zum JagdgesetzNun beginnt der Streit um den Wolf wieder von vorn
Das neue Jagdgesetz ist im Stimmvolk durchgefallen. Doch der Streit geht weiter. Unter Bürgerlichen kursiert die Idee, die Regulierung des Wolfs zu vereinfachen – ohne Zustimmung des Parlaments.
Der Kampf war leidenschaftlich, sein Ausgang bis zuletzt offen. Erst kurz vor 17 Uhr am Sonntag stand fest: Das Stimmvolk lehnt das revidierte Jagdgesetz ab – mit 51,9 Prozent.
Das knappe Verdikt ist ein Sieg für die Umweltverbände, die das Referendum ergriffen hatten. Es ist aber auch ein Sieg für ihre Verbündeten im Parlament: SP, Grüne und Grünliberale. Die drei Parteien bringen es auf einen Wähleranteil von 38 Prozent. Für den Erfolg brauchte es also auch Stimmen aus anderen politischen Lagern. Mitentscheidend dürfte gewesen sein, dass auch prominente Bürgerliche das Gesetz bekämpft hatten. Ebenso wichtig waren wohl aber auch die Stimmen jener Jäger, Bauern, Förster und Wissenschaftler, die vor einem Ja zur Vorlage warnten.
Wie die Tamedia/20-Minuten-Nachbefragung zeigt, konnten SVP, FDP und CVP jeweils nur rund zwei Drittel ihrer Basis von einem Ja zur Vorlage überzeugen. Interessant ist zudem, dass die Vorlage bei den Männern keine Mehrheit fand (49 Prozent), sehr wohl aber bei den Frauen (54 Prozent).
«Die Solidarität zwischen Berg und Tal spielt offenbar nicht mehr.»
Die Abstimmungskarte zeigt eine zweigeteilte Schweiz. In den Bergregionen, wo die landesweit rund 100 Wölfe heute leben, sorgte die Vorlage mit Ja-Stimmen-Anteilen bis gegen 90 Prozent für fast schon sowjetische Verhältnisse, zum Beispiel in Gemeinden der Surselva (GR). Im Mittelland und der Westschweiz dagegen fiel sie durch.
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«Das ist ein ganz bitterer Tag für die Bergbevölkerung», sagt Markus Ritter, CVP-Nationalrat und Präsident des Schweizer Bauernverbands. Der Zusammenhalt in der Schweiz gründe nicht zuletzt auf der Solidarität zwischen Berg und Tal. «Diese Solidarität spielt offenbar nicht mehr.»
«Ich möchte die Schweiz zusammenhalten. Keine Region darf vergessen werden.»
Die Schweiz, ein gespaltenes Land? Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga zeigte sich nach der Abstimmung sichtlich bemüht, als einende Kraft zu wirken. Es sei verständlich, dass die betroffene Bevölkerung in den Bergregionen enttäuscht sei. Das Abstimmungsergebnis zeige aber auch, wie wichtig der Artenschutz für die Bevölkerung sei, so die SP-Magistratin. Den Ausgleich zwischen den verschiedenen Regionen zu finden, sei wichtig: «Ich möchte die Schweiz zusammenhalten. Keine Region darf vergessen werden.»
Sommarugas Worte können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der nächste Streit bereits anrollt. Für Markus Ritter ist klar: Eine Neuauflage der Revision wird es so schnell nicht geben. Das Volksverdikt deutet er als Nein gegen alle neuen Elemente im Gesetz, also auch jene, welche die Gegner begrüsst hatten, etwa die Bundesgelder für Zugvogelreservate. «Damit müssen nun auch die Gegner leben.»
Im Lager der Unterlegenen gibt es aber auch andere Stimmen. Nationalrat Martin Candinas (CVP) plädiert für einen zweiten Anlauf. Die neue Vorlage soll aber nur den Umgang mit dem Wolf regeln – so wie es 2014 jene Motion von Ständerat Stefan Engler (CVP) vorgesehen hatte, die am Ursprung der Gesetzesrevision stand. Aussen vor sollen dagegen alle anderen, später zugefügten Elemente bleiben, etwa der Ausbau des Artenschutzes bei den Wildenten. «Dann müssen die Gegner ihr wahres Gesicht zeigen», sagt Candinas. Der Abstimmungskampf habe sich nämlich je länger, je weniger um den Wolf gedreht, sondern vielmehr um den Artenschutz und die neue Kompetenz des Bundesrats, neben dem Wolf weitere geschützte Tierarten regulieren zu können.
«Wir bieten Hand für eine Lösung mit Augenmass. Die Ängste der Bergbevölkerung nehmen wir ernst.»
Ein Blick zurück in die Anfänge der Vorlage zeigt, dass auch die Fraktionen von SP, Grünen und GLP mehrheitlich hinter der Motion Engler standen. Exponenten aus ihrem Kreise sagten damals, es solle in Zukunft keine Schweiz ohne Wölfe geben – aber auch keine Schweiz, die den Wolfsbestand nicht reguliere.
Einer Regulierung wollen sich diese Kreise auch heute nicht versperren, wie ihre Exponenten versichern. «Wir bieten Hand für eine Lösung mit Augenmass», sagt Nationalrat Martin Bäumle (GLP). «Die Ängste der Bergbevölkerung nehmen wir ernst.» Eine Neuauflage dürfe aber weder die Möglichkeit präventiver Abschüsse enthalten noch eine Delegierung der Abschusskompetenz vom Bund an die Kantone.
Der nächste Konflikt ist absehbar
Die Abstimmungsgewinner wollen nun in der Wintersession eine parlamentarische Initiative einreichen. Damit streben sie aber nicht nur eine «massvolle Wolfsregulierung» an. Ihre Forderungen gehen weiter und beinhalten zum Beispiel auch den Schutz bedrohter und noch jagdbarer Tierarten wie etwa den Feldhasen.
Der Konflikt ist also absehbar. Dies umso mehr, als im Lager der Bürgerlichen die Idee kursiert, die Regulierung des Wolfs nun allenfalls via Verordnung zu vereinfachen, dessen Schicksal also in die Hände des Bundesrats zu legen. Dafür brauche es nun Gespräche mit dem federführenden Bundesamt für Umwelt, sagt Markus Ritter. Bäumle hält diesen Plan für «gefährlich», gerade nach diesem Volksverdikt: Es brauche nun eine austarierte gesetzliche Lösung, die politisch breit getragen werde und eine allfällige Volksabstimmung überstehen könne.
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