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Etwas tun gegen Homeoffice-Frust
Sogar Novartis-Chef sagt: «Ich bin super Zoom-müde»

Der Sitz der Personalabteilung auf dem Campus von Novartis in Basel: Wie überstehen die Angestellten das Homeoffice? 
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Als Pharmaunternehmen will der Konzern bei der Eindämmung des Coronavirus eine Vorbildfunktion einnehmen: Seit Mitte März sitzen geschätzte 80 Prozent der 12’200 Angestellten von Novartis in der Schweiz im Homeoffice. Nur die Mitarbeitenden von bestimmten Laboren und Produktionsbereichen dürfen vor Ort sein. Novartis war eine der ersten Firmen, die ihren Mitarbeitenden Homeoffice auch nach der Pandemie für immer erlaubte sowie eine Maskenpflicht einführte. Nun ist sie die Erste, die ihnen zwei Wochen ohne Videokonferenzen verordnet, um das Arbeiten von zu Hause aus erträglicher zu machen.

«Damit die Mitarbeitenden voller Energie ins neue Jahr starten können, wird in Basel eine sitzungsfreie Zeit vom 4. bis zum 8. Januar 2021 eingeführt», sagt Novartis-Sprecherin Anna Schäfers. Diese soll es allen ermöglichen, sich bei der Arbeit auf «die wesentlichen Aktivitäten zu konzentrieren. «Und diejenigen, die frei haben, sollen sich störungsfrei erholen können.» Davor sind von Weihnachten bis Neujahr Betriebsferien. Zusammen macht das gut zwei Wochen ohne Videokonferenzen.

«Auch ich bin super Zoom-müde.»

Vas Narasimhan, Novartis-Chef

Novartis will damit gegen die grassierende Homeoffice- und Videokonferenz-Müdigkeit vorgehen. Sie macht sich unter den Mitarbeitenden genauso breit wie beim Chef. Auch Vas Narasimhan arbeitet die meiste Zeit von zu Hause aus. Sein Büro hat er im Kinderzimmer seines Sohnes eingerichtet, wie er sagt. Der Grund: Das Arbeitszimmer in der Wohnung hat seine Frau belegt, sie ist ebenfalls im Homeoffice.

«Auch ich bin super Zoom-müde», sagte Vas Narasimhan diese Woche bei einem Vortrag des Europainstituts der Universität Zürich. Der Konzern nutzt zwar eine andere Videoplattform für seine Konferenzen, aber der Begriff Zoom-Müdigkeit hat sich im Zug der Pandemie fast schon als stehende Wendung eingebürgert. Narasimhan will den Frust des Homeoffice nun brechen und neue Formen ausprobieren. Das Thema seines Vortrages: «Führungsverantwortlichkeit und Firmenkultur in Krisenzeiten». Er sprach dabei per Videokonferenz.

Die Videokamera ausschalten und nur per Ton kommunizieren sei eine der Praktiken, die Novartis in seinen Sitzungen ausprobiere, wie Narasimhan erzählte. «Es gibt aber keine Zauberlösung.» Nun soll also eine Zeit ganz ohne Konferenzen getestet werden.

«Das ist sicher eine charmante Idee und lohnt wirklich ein Experiment», sagt dazu Linda Nierling. Sie leitet am Karlsruher Institut für Technologie eine Forschungsgruppe zu digitalen Technologien und gesellschaftlichem Wandel. Videokonferenzen können wegen der Einseitigkeit der Kommunikation anstrengender als normale Sitzungen sein. «Zudem fehlt die Bewegung, die Abwechslung, etwa der Wechsel von Medien und Formen der Interaktion.» Und nicht zuletzt findet Kommunikation im realen Leben über mehr Dimensionen als nur über Ohr und Auge statt.

Mehr Mails? Mehr Telefonanrufe? Oder bessere Konzentration?

Für Nierling stellt sich jedoch die Frage, wie die videofreie Novartis-Woche denn funktionieren solle. «Es ist die Frage, was die Folgen davon sind: Entstehen neue Formen der Konzentration auf Arbeitsinhalte? Kommt es zu einer stärkeren Isolation im Homeoffice, oder ist eine E-Mail- oder Telefonanruf-Flut die Folge?» Vielleicht aber entstehen durch die besondere Woche auch ganz neue Kommunikationsformate, und man führt in Zukunft video-konferenzfreie Tage ein?

Die generell zunehmende Verschmelzung von Arbeit und Leben sei ein schon längeres Phänomen, das mit dem Homeoffice während der Pandemie jedoch noch akuter werde. «Wir brauchen auf jeden Fall individuelle, aber auch betriebliche Strategien, die die klare Abgrenzung von Arbeit und Privatleben ermöglichen», sagt Nierling.

Auch dies könnte bei Novartis bald zum Thema werden. Die Zeit, die Angestellte während der Pandemie geschäftlich vor dem Computer und vor dem Handy verbringen, hat zugenommen. Dies habe die Überwachung im Homeoffice ergeben, wie Narasimhan sagt.

Der sitzungsfreie Start ins Jahr gilt bei Novartis in der Schweiz übrigens nicht für alle. Sondern nur für Basel. In Rotkreuz ZG, dem Sitz der Schweizer Geschäftseinheiten, die für die Vermarktung der Medikamente in der Schweiz zuständig sind, wird die erste Januarwoche traditionell intensiv für Meetings genutzt.