Ausschreitungen in den USANixon suchte den Dialog, Trump setzt ganz auf Härte
Richard Nixons Washington wurde von Demonstrationen und Unruhen erschüttert. Nun erlebt Donald Trump gleichfalls Proteste vor seiner Haustür. Die beiden Präsidenten reagierten jedoch erstaunlich unterschiedlich.
Der eine wurde fast täglich mit teils gewalttätigen Aufmärschen konfrontiert. Er hatte den Vietnamkrieg widerrechtlich auf Kambodscha ausgeweitet, und nach der Erschiessung von vier protestierenden Studenten an der Kent State University im Mai 1970 stand Richard Nixons Amerika unter Schock.
Nixons Nachfolger erlebt ein halbes Jahrhundert später mitten in einer Pandemie nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd in Minneapolis gleichfalls Proteste und Ausschreitungen. Um Donald Trump vor wütenden Demonstranten zu schützen, brachten seine Leibwächter den Präsidenten am Freitag sogar in den Bunker des Weissen Hauses.
Sogar engste Berater mahnen zur Zurückhaltung
Doch statt die Wogen zu glätten, wirft Trump seit dem Ausbruch der Unruhen mit verbalen Molotowcocktails um sich. Sogar engste Berater mahnten mehr Zurückhaltung an. Bei einem Telefonat mit Trump habe Facebook-Chef Mark Zuckerberg «seine Besorgnis über Ton und Rhetorik» des Präsidenten ausgedrückt, sagte eine Quelle dem Webportal Axios.
Nixon reagierte anders als Trump: In der Nacht vom 8. auf den 9. Mai 1970 erwachte der Präsident um vier Uhr morgens und legte eine Rachmaninow-Sinfonie auf. Die laute Musik weckte seinen Kammerdiener Manolo Sanchez. Zum Entsetzen seiner Leibwächter ordnete Nixon eine Fahrt zum Lincoln-Denkmal an, wo Studenten gegen den Vietnamkrieg protestierten.
«Ich hoffe, dass euer Hass auf den Krieg sich nicht in einen Hass auf das ganze System und auf unser Land und alles, wofür es steht, verwandelt»
Sie hätten ihn «nicht unfreundlich» empfangen, erinnerte sich Nixon später. «Ich hoffe, dass euer Hass auf den Krieg, den ich sehr gut verstehe, sich nicht in einen Hass auf das ganze System und auf unser Land und alles, wofür es steht, verwandelt», sagte der Präsident zu den Demonstranten – ein Vorgang, der 2020 in Donald Trumps Washington unvorstellbar ist.
Wahrscheinlich wäre es tatsächlich gefährlich für den Präsidenten, auf die Demonstranten vor dem Weissen Haus zuzugehen. Und wohl kaum fände Trump die richtigen Worte. Bislang jedenfalls hat er sie nicht gefunden. Nixon hingegen versuchte es: «Die meisten von euch denken wahrscheinlich, dass ich ein Hundesohn bin, aber ihr sollt wissen, dass ich verstehe, wie ihr euch fühlt», sagte der Präsident in jener denkwürdigen Nacht am Denkmal für den ermordeten Abraham Lincoln.
Seine jugendlichen Zuhörer bezweifelten es. Aber immerhin hatte Nixon versucht, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Trump hingegen setzt nicht auf einen Dialog, sondern auf Härte: In einer Telefonschaltung warf er den Gouverneuren der Bundesstaaten am Montag vor, «schwach» zu sein. Sie müssten die Demonstranten «dominieren», verlangte Trump in einer Tirade.
«Ich habe oft gesagt, dass es keine Ordnung geben kann, solange es keine Gerechtigkeit gibt.»
Wie Nixon bei der Präsidentschaftswahl 1968 will auch Donald Trump als Präsident von «Recht und Ordnung» in den kommenden Wahlkampf ziehen. Die Ausschreitungen der letzten Nächte will er radikallinken Antifa-Akteuren anlasten. Es geht ihm vorrangig darum, Entschlossenheit zu zeigen.
Nixon hingegen stellte eine Verbindung zwischen Recht, Ordnung und Gerechtigkeit her: «Ich habe oft gesagt, dass es keine Ordnung geben kann, solange es keine Gerechtigkeit gibt – wenn man andere Meinungen und Fortschritt unterdrückt, gibt es irgendwann eine Explosion und Chaos», sagte er im Rahmen eines TV-Forums im September 1968. Diese Worte haben nichts von ihrer Bedeutung verloren.
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