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Neue Koalition in Den Haag
Die Niederlande bekommen eine Regierung von Geert Wilders Gnaden

epa11341476 Party for Freedom (PVV) leader Geert Wilders (R) speaks to journalists on the last day of government formation talks, in the Hague, the Netherlands, 15 May 2024. Dutch party leaders of PVV, VVD, NSC and BBB on 15 May reach a deadline to agree on forming the next government.  EPA/KOEN VAN WEEL
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Der Tag werde als «historisch» in die Geschichte eingehen, sagte Geert Wilders am Mittwoch. Und er hat damit recht, denn erstmals dürfte es in den Niederlanden eine Regierung geben, an der auch der rechtsextreme Politiker mit seiner Ein-Mann-Partei beteiligt sein wird. Und erstmals wird kein Parteichef der künftigen Viererkoalition die Regierung anführen. Ein doppeltes Experiment also, mit ungewissem Ausgang.

Geert Wilders hat mit seiner Freiheitspartei (PVV) vergangenen November die Parlamentswahlen gewonnen. Sechs Monate später ist er jetzt am Ziel. Damit die rechtsliberale VVD des bisherigen Regierungschefs Mark Rutte, die rechtskonservative NSC von Pieter Omtzigt und die rechtspopulistische Bauernpartei BBB von Caroline van der Plas in die Koalition mit dem Rechtsextremen einwilligten, musste der Wahlsieger zwar auf den Posten des Ministerpräsidenten verzichten. Der Verzicht dürfte sich aber am Ende für Geert Wilders auszahlen, der als Abgeordneter im Parlament die Koalition wird vor sich hertreiben können und in den sozialen Medien kommentieren.

Brandmauer nach rechts aussen fällt

So oder so fällt in den Niederlanden die Brandmauer der Konservativen nach rechts aussen. Ein Signal für ganz Europa, auch mit Blick auf die Europawahl in einem Monat. Die letzten 20 Jahre galt der Islamkritiker und EU-Gegner als Paria, mit dem sich niemand an einen Tisch setzen wollte. Rechtspopulismus ist jetzt in den ehemals liberalen Niederlanden definitiv salonfähig. Wilders wird zwar nicht selber die Koalition anführen, darf aber den Regierungschef vorschlagen. Laut allen Anzeichen dürfte seine Wahl auf Ronald Plasterk fallen, eine eher schillernde Figur.

Minister of Internal Affairs Ronald Plasterk is seen arriving at eh weekly ministers council in The Hague on Friday. (Photo by Jaap Arriens/NurPhoto) (Photo by NurPhoto/NurPhoto via Getty Images)

Der 67-Jährige ist Hochschulprofessor, Krebsforscher, CEO einer Amsterdamer Firma für Krebstherapien und Mitglied der sozialdemokratischen Arbeiterpartei (PvdA). Für die Sozialdemokraten war er zwischen 2007 und 2017 Minister in verschiedenen Koalitionsregierungen. Ronald Plasterk sei in den letzten Jahren stark nach rechts gerückt, schreibt der Niederländer Ben Coates, Autor und Kolumnist. Plasterk sei ein Populist, Europhobe und lehne Massnahmen gegen den Klimawandel ab.

Der Wahl wäre geschickt, denn die Koalitionspartner werden sich schwertun, den ehemaligen Innenminister abzulehnen. Neben Wilders verzichten auch die anderen Parteichefs auf Posten in der Regierung und werden ebenfalls aus der Zweiten Kammer in Den Haag kommentieren und möglicherweise Opposition betreiben. Auf den künftigen Regierungschef wartet also eine schwierige Aufgabe. Er wird eine dicke Haut brauchen und die Spannungen zwischen den Partnern ausbalancieren müssen.

Zuwanderung halbieren, aber wie?

Nicht umsonst haben die Verhandlungen über eine Koalitionsvereinbarung sechs Monate gedauert und drohten mehrmals zu platzen. Geert Wilders musste dabei in einem ersten Schritt Konzessionen machen und die radikalesten Positionen in seinem Parteiprogramm relativieren. Alles, was nicht im Einklang mit der Verfassung sei, komme in den Tiefkühler, versprach er. So etwa die Forderung, den Koran und den Bau von Moscheen zu verbieten. Auch ein EU-Austritts-Referendum oder den Abschied vom Euro wird es nicht geben.

Schwierig war die Einigung bis zuletzt bei den Finanzen. Geert Wilders will das Geld mit vollen Händen ausgeben, während die rechtsliberalen VVD und die rechtskonservativen NSC auf einen ausgeglichenen Haushalt pochen. In den nächsten Tagen müssen die Fraktionen der Koalitionsvereinbarung noch zustimmen und die Minister bestimmt werden. Beim Thema Migration und Asyl werden die Niederlande einen künftig noch deutlich restriktiveren Kurs auch in Brüssel vertreten. Die Koalition will zwar internationale Vereinbarungen respektieren, aber insbesondere die Arbeitsmigration auf die Hälfte reduzieren. Wie das genau geschehen soll, wird die spannende Frage sein. Noch mehr als die Schweiz brauchen die Niederlande für ihre erfolgreiche Wirtschaft die Zuwanderung von hoch qualifizierten und auch niedrig qualifizierten Arbeitskräften.