Kommentar zu den NiederlandenWenn Wilders will, zieht er der Regierung den Stecker
Trotz Wahlsieg wird Rechtspopulist Geert Wilders nicht Regierungschef. Ein Anlass, erleichtert zu sein? Nur auf den allerersten Blick.
Geert Wilders wird nicht der nächste Premierminister der Niederlande. Dieser unerbittliche Islamhasser, der gegen alles zu Felde zieht, wofür die europäische Zusammenarbeit steht, einer der radikalsten Nationalpopulisten des Kontinents, er wird nicht an den Brüsseler Verhandlungstischen Platz nehmen. Diese Nachricht muss alle liberalen Demokraten in Europa aufatmen lassen. Aber sie sollten sich nicht zu lange freuen.
Denn der zweite Teil der Nachricht lautet: Die Niederlande bekommen nun aller Voraussicht nach bald eine weit rechts stehende Regierung. Wie immer sie genau aussehen und wer immer sie nach aussen vertreten wird: Als Anführer der mit Abstand stärksten Partei PVV wird Wilders die Richtung vorgeben, Premier hin oder her. Wie sagt er doch? Niederlande zuerst!
Dieses Kabinett wird unter anderem in der Umwelt-, der Klima-, der Russland- und natürlich der Asylpolitik neue Töne anschlagen. In der EU wird es Blockademöglichkeiten suchen und Sand ins Getriebe werfen, wo sich das anbietet. Das Land wird seinen europäischen Charakter verändern und nicht länger der konstruktive, verlässliche Partner sein.
Keine Angst, es wird nicht à la Orban ablaufen. Wilders kann nicht durchregieren wie der Ungar, er wird nicht einmal eine halbe Autokratie errichten können, das würden die Niederländer niemals mit sich machen lassen. Es reicht, dass es in diese Richtung geht. Die Richter jedenfalls, die der Regierung in der Umweltpolitik Paroli geboten haben, oder die Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und anderer Medien, die von Wilders seit Jahren mit wüsten Attacken überzogen werden – sie sollten sich wärmer anziehen. Von Migranten oder anderweitig von der Norm abweichenden Menschen ganz zu schweigen.
Die Wähler wollten es so
Auch wenn sie vielen Europäern nicht passt, demokratisch ist diese Entwicklung völlig in Ordnung. Die Wähler, die Wilders im November einen gewaltigen Vorsprung an Mandaten bescherten, wussten, für wen sie stimmten. Sie wollten es genau so haben. Alles andere als ein rechtes Kabinett, etwa eine grosse Mitte-Koalition mit Grünen und Sozialdemokraten, wäre eine Absurdität, die vermutlich rasch in Neuwahlen münden würde. Die wiederum die Rechten laut Umfragen noch weit stärker machen würden.
Insofern können sich die Niederländer bei dem früheren Christdemokraten Pieter Omtzigt bedanken, der durch sein Veto in den Verhandlungen wenigstens Wilders als Premier verhindert hat. Das «ausserparlamentarische» Kabinett, das nun kommen soll, ist unter diesen Umständen wohl noch die beste, für das Land verträglichste Option, weil sie vieles im Ungefähren lässt.
Dass Wilders seinen erzwungenen Verzicht «schmerzhaft», «unfair», gar «staatsrechtlich falsch» findet, wie er am Donnerstag klagte, ist keinesfalls ernst zu nehmen, sondern Teil eines Strategiespiels, in dem er Meisterschaft entwickelt hat. Viele Beobachter in Den Haag bezweifeln, dass er jemals wirklich Premier werden wollte. In Wahrheit kommt ihm die jetzige Lösung wohl bestens zupass. Als einfacher Abgeordneter kann er weiterhin nach Herzenslust agitieren, ohne die volle Verantwortung zu tragen. Und wenn ihm danach ist, zieht er einfach den Stecker aus der Regierung.
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