AltbackenNidlechueche: Fünf Schichten Glück
Den Kuchen aus Hefeteig mit caramelisiertem Guss gibt es rund um den Murtensee. Die Suche nach dem Ursprung führt zur Bäckerei Aebersold.
Fünf Schichten Rahm befinden sich auf dem Nidlechueche. Fünf! Dafür stehen die Menschen Schlange vor der Bäckerei Aebersold in Murten, wo dieser Kuchen aus Hefeteig mit caramelisiertem Guss Nidelkuchen heisst. Die Belegschaft von Aebersold kommt langsam an ihre Grenzen, weil alle ein Stück von dieser goldenen Scheibe abschneiden wollen.
Aber von Anfang an.
Es ist ein ganz gewöhnlicher Mittwochnachmittag im Sommer, wobei das Wort «gewöhnlich» dieses Jahr ja eine andere Bedeutung erhalten hat. Auch in Murten, hier scheint sich die halbe Deutschschweiz versammelt zu haben. Es flanieren viel mehr Leute als sonst um diese Jahreszeit unter den Lauben, die Plätze in den Restaurants sind alle besetzt. Und eben: Vor der Bäckerei warten einige Leute auf Einlass – und wohl die meisten auf Nidlechueche.
«Wir schaffen 100 Kuchen am Tag, mehr liegt nicht drin.»
«Wir schaffen zurzeit ungefähr 100 Kuchen pro Tag», sagt Ulrike Aebersold, die das Geschäft führt. «Mehr liegt nicht drin. Die Tankstelle, wo die Kuchen normalerweise tiefgefroren zum Auftauen bereitliegen, können wir momentan nicht beliefern.»
Bei Aebersolds wird in einem ersten Schritt angesäuerter Rahm auf einen Hefeteig gegeben, früher wars ein Brot-, heute ein Weggliteig mit Milch. Der Rahm ist nicht flüssig und lässt sich gut auftragen. Das Ganze kommt in den Ofen, dann wird die Prozedur wiederholt. Für die dritte, vierte und fünfte Rahmschicht kommt eine andere Mischung ins Spiel, Greyerzer Doppelrahm ist da unter anderem drin. Dem Auge der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist es zu verdanken, dass die Menge stimmt, die sie auf die Kuchen pinseln. Zurzeit werde «nonstop produziert», sagt Ulrike Aebersold, der Ofen bleibe nie leer, die Rahmkübel auch nicht.
Vor fast 90 Jahren hat Ernst Aebersold den Kuchen für seine frisch eröffnete Bäckerei gebacken – nach dem Vorbild von anderen Rahmkuchen, die es rund um den Murtensee gibt. In Kerzers zum Beispiel in einer salzigen Version, und so ist der Kuchen wohl auch entstanden: Man legte jeweils ein Stück Teig in den Ofen, um zu schauen, wie heiss der Ofen schon sei. Wahrscheinlich hat jemand dann auch einmal Rahm daraufgegeben.
Aebersold hatte viel gepröbelt, mit Rahm, der sauer geworden war, mit dem Teig. Und so eine Spezialität erfunden (mit jeder Generation kam eine Rahmschicht dazu), die in den Nullerjahren noch bekannter wurde. Unter anderem wegen der Expo, während deren Murten fast so überlaufen war wie heute.
Der Gâteau de Vully, der auf der anderen Seeseite verkauft wird, ist übrigens nicht ganz dieselbe Art Kuchen. Erstens sieht er zum Beispiel in Sugiez ganz anders aus, eher wellig. «Berg und Tal», sagt Ulrike Aebersold dazu, und das passt ja, all diese kleinen Monts Vully auf dem Gebäck. In den Einbuchtungen sammelt sich Zucker und demnach Caramel. In Murten ist es eine grosse caramelisierte Fläche. Die man übrigens frisch geniessen sollte. Deshalb macht es auch keinen Sinn, Nidlechueche zu bestellen – die Bäckersfrau hat ihn zwar auch schon express verschickt, doch das ist eigentlich viel zu schade. Besser, man geht direkt an den Murtensee und beisst in ein frisch gebackenes Stück. Später im Jahr, nicht jetzt. Sonst kommen die Aebersolds nicht mehr nach mit Backen.
In der Serie «Altbacken» stellen wir Bäckereien vor, die vom Aussterben bedrohte Backwaren herstellen oder historisch versiert backen. Kennen Sie ein Gebäck, das in diese Kategorie passen würde? Wir nehmen gerne Tipps entgegen!
Fehler gefunden?Jetzt melden.