Nick Hayeks neuster Marketingcoup Der gelenkte Rummel um die neue Uhr von Swatch
Weltweit stehen die Menschen Schlange, um eine Taucheruhr zu kaufen, welche die Billigmarke gemeinsam mit dem Luxusuhrenhersteller Blancpain entworfen hat. Das ist kein Zufall, sondern von langer Hand geplant.
Auf diese werbewirksamen Bilder haben die Marken Swatch und Blancpain gezielt hingearbeitet: Egal, ob in der Schweiz, in Italien, Spanien oder Japan – weltweit stehen die Leute im Zeitalter von Onlineshops vor herkömmlichen Läden Schlange, um die neue Blancpain X Swatch zu kaufen. Dabei handelt es sich um eine Taucheruhr, welche die Modemarke Swatch und der Luxusuhrenhersteller Blancpain gemeinsam entworfen haben. Beide gehören zum Uhrenkonzern Swatch Group mit Sitz in Biel, der von Nick Hayek geführt wird.
Die Menschenmengen vor den Läden sollen einen einzigen Eindruck erwecken: Das neue Produkt ist so aussergewöhnlich, dass man es unbedingt haben muss. Die markenübergreifende Zusammenarbeit spielt geschickt mit den Sehnsüchten der Konsumentinnen und Konsumenten. Sie kaufen für 375 Franken zwar eine günstige Swatch-Uhr, erhalten aber ein Luxusgut von Blancpain.
Verstärkt wird dieser Eindruck durch die Preise, die im Internet von Wiederverkäufern für die neue Uhr angeboten werden. Auf dem Onlinemarktplatz Chrono 24 verlangen sie dafür 1400 Franken. Auf der Schweizer Seite von Ebay liegen die Preise sogar bei knapp 1900 Franken.
Marketingplan mit vier Etappen
Doch wie schaffen es Swatch und Blancpain, einen solchen Rummel in Gang zu bringen und am Leben zu erhalten? Erkennbar ist ein ausgeklügeltes Drehbuch mit vier Kapiteln, nach dem die Öffentlichkeitsarbeit ausgerichtet ist.
Kapitel eins wird Ende Juni umgesetzt, als Blancpain zum 70-Jahr-Jubiläum seiner Taucheruhr «Fifty Fathoms» eine Sonderauflage des Produkts ankündigt. Spezialisierte und einflussreiche Branchenportale wie Hodinkee in New York springen auf das Thema auf und verbreiten es in den sozialen Medien.
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Kapitel zwei eröffnen Swatch und Blancpain Ende August und Anfang September. Beide Marken schalten in Zeitungen verschiedener Länder, in den sozialen Medien und auf den eigenen Websites vieldeutige Inserate. Die Werbung führt neben den Namen der zwei Marken die fünf Weltmeere und ein Datum auf: den 9. September.
Rasch spekulieren traditionelle Massenmedien, einschlägige Onlineportale und Nutzer von sozialen Netzwerken, dass es sich um eine Zusammenarbeit zwischen beiden Marken handeln muss. Diese Vermutung ist zum damaligen Zeitpunkt nicht weit hergeholt: Seit dem vergangenen Jahr gibt es mit der «Moonswatch» bereits eine Zusammenarbeit zwischen Swatch und Omega. Die Luxusuhrenmarke ist ebenfalls im Besitz der Swatch Group.
Die Inserate entfalten ihre Wirkung. Weltweit nimmt die Aufmerksamkeit zu, die Kampagne geht viral. Auf Google werden die Begriffe «Swatch» und «Blancpain» mehr gesucht als in den Vortagen.
Offizielle Bestätigung ist Teil des Plans
Wenige Tage nach dem Aufschalten der Inserate ist das dritte Kapitel an der Reihe: Blancpain bestätigt die Zusammenarbeit mit Swatch offiziell. Gleichzeitig gibt die Marke Details zur neuen Uhr bekannt und stellt erste Bilder zur Verfügung. Das Produkt ist von der Taucheruhr «Fifty Fathoms» inspiriert. Als Zeitpunkt für den Verkaufsstart nennt Blancpain den 9. September.
Massenmedien, Onlineportale und Einflussnehmer in den sozialen Netzwerken nehmen diese Neuigkeit auf. Vor allem die weltweit verbreiteten Fotos der neuen Taucheruhr verstärken den Marketingeffekt, da den Uhrenliebhabern jetzt etwas Konkretes vorliegt. Auf Google nehmen die Suchanfragen zu beiden Marken zu.
Kapitel vier beginnt am Vorabend des Verkaufsstarts und ist der wichtigste Spannungsbogen des Drehbuchs: Bei den Swatch-Läden in Zürich und Biel stehen erste Personen an. Sie nehmen in Kauf, die Nacht auf der Strasse zu verbringen, um am Tag der Lancierung eine der neuen Uhren ergattern zu können. Die Werbekampagne scheint zu funktionieren.
Online-Newsportale und Influencer berichten über die Warteschlangen vor den Läden; das mediale Interesse nimmt noch einmal zu. Das spiegelt sich bei den Suchanfragen auf Google wider: Swatch und Blancpain erhalten in dieser Zeit hohe Aufmerksamkeit.
In den Tagen nach dem Verkaufsstart bleibt die neue Taucheruhr ein Thema. Ihr rascher Ausverkauf in der Schweiz und die horrenden Preise auf Online-Verkaufsportalen heizen die Berichterstattung an und halten das Produkt im Gespräch.
Eine durchdachte Werbekampagne allein genüge jedoch nicht, damit eine Zusammenarbeit zwischen zwei Marken bei den Konsumenten ankomme, sagen Fachleute für Marketing und Markenpflege. Ein entscheidender Faktor sei, dass in der Kommunikation keine Widersprüche auftauchten, sagt Marketingprofessor Harley Krohmer von der Universität Bern.
«Weil die Swatch Group das Marketing beider Marken vollständig kontrolliert, ist diese Gefahr gering.» Würden hingegen zwei voneinander unabhängige Marken zusammenarbeiten, sei das Risiko entgegengesetzter Werbebotschaften höher.
Eine Markenzusammenarbeit müsse den Zugang zu neuen Kundengruppen ermöglichen, sagt Benjamin Gilgen. Er ist Dozent für Markenführung an der Hochschule für Wirtschaft in Zürich. Den Profit sieht er vor allem bei Swatch. Der Verbund mit Blancpain und Omega hauche dem angestaubten Image des Billiguhrenherstellers neues Leben ein, was sich in den Umsätzen bemerkbar mache.
Exporte von Billiguhren nehmen wieder zu
Es gibt aber auch Fallstricke: Insbesondere Uhren-Enthusiasten äusserten vermehrt Kritik an der Zusammenarbeit von Swatch und der Schwestermarken, beobachtet Gilgen. So sei die mindere Qualität der im Frühling 2022 in Zusammenarbeit mit Omega lancierten «Moonswatch»-Modellen bemängelt worden, weil diese auf die Haut abfärbten. Auch komme die künstliche Verknappung der Produkte schlecht an.
Trotzdem hat der Rummel um die «Moonswatch» dazu geführt, dass die Exporte von Billiguhren seit Ende der Corona-Krise wieder zunehmen. Die Taucheruhr von Swatch und Blancpain dürfte diesen positiven Trend im laufenden Jahr bestätigen.
Von 2015 bis 2021 waren die Ausfuhren von Schweizer Uhren zu einem Exportpreis von unter 200 Franken rückläufig. Grund ist, dass Swatch in die Jahre gekommen ist. Die Marke, welche den Hauptanteil am Exportvolumen im untersten Preissegment ausmacht, ist weniger gefragt.
Denn Swatch ist mittlerweile vierzig. Das ist ein hohes Alter für eine Marke, die als cool gelten will. Neue Konkurrenzprodukte wie Daniel Wellington drängen in den Markt. Die Konsumenten nehmen jüngere Marken als weniger verbraucht wahr. Darüber hinaus ist die Kundschaft mit Swatch gealtert. Die treuen Käufer von einst sind heute Anfang bis Ende fünfzig. Sie können sich deshalb teurere Uhren leisten und wenden sich prestigeträchtigen Luxusmarken oder moderneren Produkten wie Smartwatches zu.
Veränderte Gewohnheiten setzen Swatch zu. Smartphones zeigen ständig die Zeit an. Die bunte Uhr am Handgelenk ist dafür weniger nötig. Swatch, Omega und Blancpain zeigen nun, dass selbst erstarrte Märkte durch geschicktes Marketing aufgemischt werden können.
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