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Meinung

Gastbeitrag zur Neutralität
Christoph Blocher irrt sich – seine Kritiker auch

The mount Buergenstock with the Buergenstock Resort is seen in this general view taken on Thursday, April 11, 2024 in Obbuergen, central Switzerland. Switzerland's Buergenstock resort is to host a two-day peace conference in June, the Swiss government announced. (KEYSTONE/Michael Buholzer)
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Auslöser der von der SVP mitgetragenen Volksinitiative für die Festschreibung einer «immerwährenden und bewaffneten Neutralität» waren die Sanktionen gegen Russland. Dabei hatte die Schweiz in den letzten beiden Jahrzehnten einseitig Putins Kriegskasse mit Abermilliarden gefüttert und dessen Kriegsmaschine mit Dual-Use-Gütern ausgerüstet. Tatsächlich haben die Embargo-Massnahmen der letzten beiden Jahre unser Land neutraler gemacht. Der SVP geht es um die Wahrung einer Geldsack-Neutralität, die von der Welt möglichst stark profitiert, für die sie aber möglichst wenig Verantwortung übernimmt.

Eine Gruppe von Kritikern hat nun ein Manifest für ein Gegenmodell lanciert, eine «Neutralität 21». Die meisten Kritiken, die das Manifest an der SVP-Initiative äussert, treffen zu. Insbesondere wenn es darauf hinweist, dass eine Neutralität, die Aggressoren und Angegriffene gleichbehandelt, unfair und ungerecht ist. Allerdings bricht das Manifest selber überhaupt nicht mit der Geldsack-Neutralität. So verschweigt die Forderung nach einer Lockerung des Kriegsmaterialgesetzes die Tatsache, dass die einzige konkrete Vorlage im Parlament auf das lukrative Rüstungsgeschäft mit den Golfstaaten zielt. So kritisiert es in keinem Wort, dass 60 Prozent des russischen Rohstoffhandels über die Schweiz liefen. Und dass Putin nach der Krim-Annexion 2014 aus der Schweiz jene Spezialmaschinen erhielt, mit denen er heute Raketen und Bomber herstellt. 

Bei der grundsätzlichen Kritik an der Neutralität geht das Manifest leichtfertig über die Tatsache hinweg, dass die Schweiz nicht einseitig völkerrechtliche Verpflichtungen aussetzen oder abändern kann. Unerwähnt bleibt, dass es kaum eine Bürgenstock-Konferenz gäbe, hätte die Schweiz im Sinne der «Neutralität 21» direkt oder indirekt Waffen an die Ukraine geliefert. Staaten, die zwischen den Kriegsparteien stehen, insbesondere aus dem Globalen Süden, wären nicht dabei, hätte die Schweiz das Neutralitätsrecht verletzt.

Rohstoffhandel verursacht Bedrohungen

Im Unterschied zum Manifest betrachte ich die Tatsache, dass «die Neutralität tief verankert» ist, als Chance. Neutralität birgt ein vielfältiges Potenzial für eine aktive und umfassende Friedenspolitik. Die Bürgenstock-Konferenz, ein erster Schritt auf dem Weg zu einem gerechten Frieden zwischen der Ukraine und Russland, ist ein konkreter Beweis. Eine zukunftsträchtige Neutralität geht aus von ihrer Kompatibilität mit Universalität und Humanität. Das schafft eine besondere Verbindlichkeit gegenüber dem Völkerrecht, den Menschenrechten und der UNO. Ein aktuelles Beispiel ist der Vertrag für das Verbot von Atomwaffen, für dessen Ratifizierung nächstens eine Volksinitiative lanciert wird. 

Die wichtigste sicherheitspolitische Frage der Schweiz ist ihre Rolle als Grossmacht im Rohstoffhandel. Die fossilen Energien sind verantwortlich für die grösste aller Bedrohungen: den Klimawandel. Und sie verursachen und finanzieren häufig Kriege. Der Bundesrat, dessen Bürgenstock-Konferenz die Unterstützung aller Menschen guten Willens verdient, wäre glaubwürdiger, wenn er zu dieser Mitverantwortung unseres Landes stünde, insbesondere bei Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Josef Lang ist Historiker und Alt-Nationalrat der Grünen.