Neues Album «Autumn Variations»Ed Sheeran ist gerade nicht mehr so gut
Der Brite hat sich als Songwriter verheddert – keine tragenden Ideen mehr, keine zwingenden Melodien. Auf «Autumn Variations» gelingt ihm leider nicht mal Herbststimmung.
Jamie Foxx hat eine ziemlich gute Ed-Sheeran-Geschichte. Sie ist nicht ganz kurz, aber dafür zeigt sie sehr gut Sheerans Voodoo-Einfluss auf jede Art von Publikum. Bevor der Sänger berühmt wurde, also 150-Millionen-verkaufte-Alben-berühmt, schlief er ein paar Wochen auf der Couch des Schauspielers in Los Angeles, arbeitete an Songs, nahm sie auf. Foxx, so erzählt er das, hielt Sheeran für das, wie man so sagt, nächste grosse Ding. Aber er wollte sichergehen. Also musste er ihn testen.
Ed Sheerans «incredible blackness»
Dafür nahm er ihn mit zu einem der Konzertabende, die er damals montags in Downtown L.A. veranstaltete. 800 Besucher, 800 davon schwarz, nicht wenige die besten Musiker der Stadt (also der Welt). Man müsste sich Foxx nun bitte für den Moment im Gestus von «Django Unchained» vorstellen, wenn er mit 30 Prozent Ironie und 70 Prozent abgeklärtem Hip-Hop-Swag von der «incredible Blackness» berichtet, die den Saal erfüllt hatte, als Sheeran die Bühne betrat.
Zur Erinnerung: der leuchtend weisse, leuchtend rothaarige Ed Sheeran, damals Anfang 20. Sogar die Julians und Thomasse in den pastellfarbenen deutschen Polo-Shirt-Schreibstuben haben manchmal das Gefühl, ihn als «singenden Hobbit» bezeichnen zu können und dabei witzig zu sein. Auf der Bühne in Downtown L.A. nun hielt Sheeran auch noch, ernsthaft: eine Ukulele in den Händen.
Ein Freund beugte sich also zu Foxx herüber und fragte ihn, was er, Foxx, mit dieser Figur da oben bitte «dem Raum antue». Und: «Man, you gotta respect the rooooom!» Jamie Foxx dimmte die Ironie also auf circa 18 Prozent herunter, schaute den Freund von der Seite an und sagte, Cowboy-Film-reif: «Well, let's see, what the kid has!» Zwölf Minuten später bekam Sheeran vom gesamten «Room» stehende Ovationen.
So gut ist er.
Und jetzt hat er gerade ein neues Album veröffentlicht, das zweite in diesem Jahr, und das zeigt, was seine jüngeren Arbeiten auch schon gezeigt haben: Aus irgendeinem dieser hinterhältigen Gründe, die nur das Universum versteht, wenn überhaupt, ist er gerade nicht mehr so gut. «Autumn Variations» heisst das Album. Variationen über den Herbst. Variationen über 14 enge Freunde ausserdem, aus deren Sicht er erzählt. Die Idee hat Sheeran vom Komponisten Elgar und dessen «Enigma Variations». Ein Orchesterwerk. Leonard Bernstein hat es mal mit dem BBC Symphony Orchestra eingespielt. Ambitioniertes Vorbild.
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Und demgegenüber stehen nun leider in der Hauptsache Songs, die nicht recht aus dem Tran kommen. Der Verdacht dazu wäre nun dieser: Sheeran hat sich ein wenig zu sehr in seiner Arbeitsweise verheddert. Er baut seine Songs auch auf den Alben noch immer meistens so auf, dass sie sich live allein nur mit einem sogenannten Looper aufführen lassen – einem Effektpedal, bei dem man die Instrumente und Stimmen in Echtzeit aufnehmen und in Endlosschleife abgespielt zu tendenziell simplen Arrangements übereinanderschichten kann.
Er ist relativ meisterlich darin, auf diesem Weg sehr, sehr wirkmächtige Stücke zu erschaffen, aber das System hat seine Tücken: Meistens bleiben die Harmonien über Strophe und Refrain dieselben, man arbeitet stattdessen eher mit Dynamik und, ähnlich einem DJ, damit, einzelne Tonspuren stumm zu schalten und irgendwann wieder laut. Damit denkt man Songs mehr als beim herkömmlichen Songwriting vertikal statt horizontal. Statt also eine Geschichte zu erzählen, die sich über A- und B-Part, über harmonisch variierende Refrains und Bridges und dann womöglich sogar noch einen C-Part von Anfang bis Ende entwickelt, konzentriert man sich eher darauf, eine Art Lego-Turm aus musikalischen Motiven nach oben zu bauen.
Das trägt alles nicht mehr genug – also muss Sheeran tricksen
Das System ist zunächst weder gut noch schlecht. Damit es funktioniert, also Pop-Hits liefert, müssen die geschichteten Motive aber extrem tragfähig sein – jedes für sich eine Hook, eine Melodie mit besonders fiesen Widerhaken, oder ein absolut unverkennbarer Sound. Ausserdem müssen sie alle radikal ihren Platz einfordern. Müssen sehr zwingend genau in diesem Moment an dieser Stelle stehen und um Aufmerksamkeit gieren. Die Xylofon-artigen Akkorde und die Chöre von «Shape of You» wären da der Goldstandard. Die Pizzikato-Synthies bei «Shivers», der Groove von «I Don't Care», der Refrain (und ganz vielleicht auch die Raps) von «Galway Girl».
Und genau das ist seit ein paar Alben nun das Problem von Sheeran: Die einzelnen Elemente tragen nicht mehr genug. Also trickst er. Füllt die Refrains mit Chören auf – nicht, weil es gerade Pomp braucht, sondern weil die Hooks allein nicht verfangen. Lässt eine Four-to-the-Floor-Bassdrum stampfen, wo es früher Synkopen-Groove gab. Bläht Synthie-Wolken, wo es eine einzelne, starke Melodie bräuchte. Und am Ende schreibt er Herbst drauf, wo noch nicht mal Altweibersommer drin ist.
Ed Sheeran: Autumn Variations. Ginger Bread Man Records. Auf Spotify.
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