Höhere Gebühren fürs StreamingNetflix wird teurer – ist das erst der Anfang?
Die Preise sind gleichzeitig zu hoch und zu niedrig – zu hoch für die Kundschaft, zu niedrig für die Filmfirmen. Damit geht der Streamingkriege in die dreckige Phase.
Kriegsmetaphern sind dumm, niemand braucht sie, aber in den sogenannten Streaming-Wars knallt es nun mal fortlaufend. Noch immer ringen ein Techunternehmen (Netflix), ein Onlineversandhaus (Amazon), ein Hersteller von Flachbildkram (Apple), ausserdem Filmstudios und Fernsehsender darum, das Fernsehen des Internets zu werden, also um die Verlagerung einer einst analogen Kunstform ins Netz.
Dabei greifen mal wieder die gefürchteten Netzwerkeffekte, bei denen sich alles auf wenige Plattformen konzentriert, wo vorher ein analoges Nebeneinander herrschte. Die Panik, dabei abzusaufen, spülte in den vergangenen Jahren gewaltige Milliardensummen auf den Markt, man konnte plötzlich für wenig Geld viele tolle Filme und Serien gucken. Die neueste Frontmeldung in den Streaming-Wars lautet nun aber: Netflix erhöht die Abopreise. Schon wieder.
Auch andere Anbieter haben das kürzlich getan, die vorangegangene Erhöhung bei Netflix selbst liegt erst wenige Monate zurück. Wer dessen Angebot mit allem Drum und Dran will, ohne Werbung und in höchster Bildauflösung, der muss jetzt monatlich rund 27.90 Franken (vorher: 24.90 Franken) zahlen. Aber vielleicht ist das immer noch zu wenig.
Denn die Preise im Streamingbereich sind gleichzeitig zu hoch und zu niedrig – zu hoch für die Kunden und zu niedrig für die Filmfirmen. Und mit dieser explosiven Mischung gehen die Streamingkriege in die dreckige Phase.
Es gab eine Zeit, da war es rational, Milliarden zu verbrennen
Wer Filme und Serien liebt, der kann inzwischen locker 50 oder 60 Franken monatlich für das Streaming ausgeben – es sollten ja mehrere Abos sein, weil der neue heisse Kram eben meistens irgendwo anders stattfindet. Die «New York Times» berichtete kürzlich über das Phänomen «nomadischer» Abonnenten, die munter (oder möglicherweise auch weniger munter) zwischen den Angeboten hin und her wechseln, um die Filetstücke der Kataloge durchzugucken und dann weiterzuziehen.
Erhebungen kommen zum Schluss, dass viele Menschen genervt sind von der Streaming-Kleinstaaterei, dass sie weniger Geld dafür ausgeben wollen und darüber nachdenken, die Zahl ihrer im Schnitt 2,1 Abos zu reduzieren. Unter zwei kommt aber nur noch eine Zahl, nämlich eins. Für kleinere Plattformen sind das schlechte Nachrichten.
Unbeschränkter Zugang zu Filmen und Serien gegen eine niedrige monatliche Gebühr und trotzdem mit Qualitätsanspruch – das klassische Streamer-Modell stammt aus einer Zeit, als Kredite günstig waren. Netflix, das es etabliert hat, wurde auf einem derzeit rund 14 Milliarden US-Dollar hohen Berg an Schulden erbaut. Aber die Zeiten niedriger Leitzinsen, als es rational war, Milliarden zu verbrennen, in der Hoffnung, irgendwann ein profitables Streamingportal zu haben, sind vorbei. Das Geldverbrennen geht aber weiter. Und irgendwer muss die Kosten nun tragen.
Streaming soll künftig so funktionieren wie andere plattformbasierte Geschäftsmodelle
Die Chefs von Warner und Paramount sollen sich im Dezember getroffen haben, um über eine Fusion der Konzerne zu sprechen, was die «Financial Times» als Ausdruck «absoluter Panik» in der Filmbranche bezeichnete. Die FT erklärte auch, die Streaming-Wars seien vorüber «und Netflix hat gewonnen».
Ehemalige und eigentlich noch gegenwärtige Konkurrenten, selbst Disney, lizenzieren auf der zunehmend verzweifelten Suche nach Geld inzwischen wieder Filme und Serien an Netflix. Sie «füttern damit die Bestie», wie es ein Marktanalyst formulierte – und die Bestie erhöht die Preise. Weil die anderen es müssen. Und die Bestie es kann.
Da sind sie also, die Netzwerkeffekte, die das Geschehen im Netz immer wieder auf einige wenige Plattformen konzentrieren, weil es zunehmend unattraktiv wird, ewig zwischen verschiedenen Angeboten zu «nomadisieren», wenn man auch auf einer einzigen Plattform alles bekommt. Und just als die digitalen Gravitationskräfte einsetzen, tauchen Pläne auf, dass Streaming künftig mehr so funktionieren soll wie andere plattformbasierte Geschäftsmodelle.
Die Streamer wollen stärker nach Erfolg bezahlen. «Bloomberg» berichtete, bei Apple kursierten bereits konkrete, wenn auch noch nicht spruchreife Pläne eines «Punktesystems», das die Vergütung von Filmproduktionen für das Streamingangebot von Apple TV+ künftig regeln soll.
Die Grundlage dieses Punkte-Bonussystems sind Apples Daten, was wie viel geguckt wird. Apple will also nach Leistung bezahlen, allerdings nicht verraten, wie die Leistung konkret war, denn damit würde es sich angreifbar machen, etwa für Nachvergütungsklagen oder wenn Gagen neu verhandelt werden.
Das erklärte Ziel der Streamer dabei ist, Kosten zu sparen. Der Kuchen für die Filmschaffenden soll insgesamt kleiner werden – aber man wird es ihnen wohl als Chance verkaufen: Wer genau das liefert, was laut den Daten der Film-Techplattformen zieht, und damit besonders hohe Sehzeiten erzeugt, der kann sogar mehr bekommen als zuvor. An dieser Stelle möge man bitte mal zwei, drei Sekunden lang darüber nachdenken, was das inhaltlich, von künstlerisch gar nicht zu reden, bedeuten könnte.
Wie Spotify oder Uber
Apples Mitbewerber sollen Berichten zufolge an ähnlichen Modellen herumdenken. Die Streamer haben also bei den Kunden zunächst eine Billigmentalität durchgesetzt, monatlich Grossproduktionen für vier Franken geliefert zu bekommen, nun wälzen sie die unternehmerische Verantwortung für ein an sich kaum tragfähiges Geschäftsmodell auf die Produzenten ab. So wie Spotify. Oder Uber.
Die Pläne sind erstens der Versuch, die Abhängigkeit von den Streamern zu erhöhen. Zweitens, massiv Kosten zu sparen. Und drittens, die Kreativen und Produzenten zur verlängerten Werkbank zu degradieren. Also eigentlich so eine Art Autozulieferermodell.
Es sieht ganz so aus, als müsste nun allmählich jemand den realen Preis für die immer noch gewaltige Flut an Serien und Filmen, die auf den Plattformen landen, bezahlen. Wer wird das sein? So wie es derzeit aussieht: Netflix nicht.
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