«The Boyfriend» auf NetflixSchwule Jungs, die sich verlieben wollen
Japan bringt mit «The Boyfriend» die erste schwule Datingsendung heraus. Die Netflix-Serie ist vor allem: erfreulich zurückhaltend.
«Jeder kann sich in jeden verlieben» steht am Anfang in geschwungenen Schriftzeichen, und das ist wahr, aber eben in einigen Teilen der Welt nicht so wahr wie in anderen. Japan ist eine der wenigen reichen Demokratien, in denen die gleichgeschlechtliche Ehe noch nicht legalisiert ist. Nun startet Netflix mit «The Boyfriend» das erste schwule Datingformat des Landes, in dem neun Männer in ein mintgrünes Poolhaus am Meer ziehen, um sich zu verlieben.
Statt jetzt – wie in Datingshows üblich – diese neun normschönen Männer mit ein paar Flaschen Schnaps am Pool zu platzieren und zu warten, was passiert, denkt sich «The Boyfriend» etwas Neues aus: Die Männer betreiben für einen Monat gemeinsam einen Kaffeewagen nahe Tokio.
Zaghafte Flirtversuche
Nach vier der zehn Folgen kann man durchaus zweifeln, ob die Gründung eines Gastronomiebetriebs der schnellste Weg zur grossen Liebe ist. So bleibt es unter den Teilnehmern – oder sollte man sagen, den Angestellten – oft bei zaghaften Flirtversuchen am Arbeitsplatz: «Kazuto, dein Kundenservice ist grossartig.» Oder: «Ich will mit Dai arbeiten und viel Geld einnehmen.»
Einer der wenigen Konflikte der Sendung kreist um einen professionell Go-go-tanzenden Kandidaten, der für seinen Ernährungsplan täglich drei Packungen Pouletfleisch püriert (!) und damit die gemeinsame Kaffeekasse strapaziert. Das ist, wenn schon ohne Zoff und Zunder, vor allem süss anzuschauen, denn die Männer scheinen sich – auch in der Hähnchenkrise – in Rücksicht und Höflichkeit stets übertreffen zu wollen.
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Beim Verlieben selbst, eigentliches Ziel der Show, sieht man dann nur selten jemanden. Schuld daran ist unter anderem das Expertenpanel, bei dem fünf TV-Celebrities im Studio sitzen und das Geschehen kommentieren. Im Stil einer öffentlich-rechtlichen Fussballübertragung werden Komplimente bejubelt wie ein schöner Freistoss, taktische Anpassungen empfohlen («Dai müsste jetzt mehr auf ihn zugehen») und beiläufige Handberührungen per Superzeitlupe im Videobeweis geprüft. Das nervt, denn sie wiederholen mit einer unglaublichen Verlässlichkeit und Akribie exakt, was man Sekunden zuvor gesehen hat.
Toll ist, wie klischeefrei «The Boyfriend» ihre Teilnehmer im Alltag zeigt. Zurück im Strandhaus spielen sie einander Klavier vor, schneiden sich die Haare, spielen Jenga und räumen gemeinsam die Küche auf. Dabei kommt die Sendung ganz ohne Peinlichkeiten und Voyeurismus aus. Einige Männer werden im Laufe der Staffel offener mit Unsicherheiten oder freunden sich an – auch das wird im Studio bejubelt.
In seltenen, aber grossen Momenten wird die konservative Regierung in Japan kritisiert. So sagt Taeheon am gemeinsamen Grillabend einen Satz, für den allein sich schon das Einschalten lohnt: «Sogar Wasser tut es nicht gut, wenn es zu lange stillsteht: Wir brauchen Veränderung.»
Und nun wird die japanische Verfassung wohl nicht über Nacht wegen einer Datingshow geändert, doch wer beim Schauen nichts gespürt hat, ist selber schuld.
The Boyfriend, auf Netflix, immer dienstags neue Folgen.
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