Kommentar zur queeren PolitikDas dritte Geschlecht sollte uns alle interessieren
Mit Nemos ESC-Sieg wird die Forderung nach einem dritten Geschlecht diskutiert. Das ist zu begrüssen.
Die Schweiz ist im Nemo-Fieber – und diskutiert über das dritte Geschlecht. Also über die Frage, ob Menschen wie Nemo, die sich weder als Frau noch als Mann verstehen, in amtlichen Dokumenten eine dritte Option eintragen oder die Geschlechtsangaben ganz offenlassen können.
Das ist zu begrüssen. Denn bisher wurde keine öffentliche Diskussion dazu geführt. Stattdessen hat der Bundesrat im Dezember 2022 entschieden, in der Schweiz seien die gesellschaftlichen Voraussetzungen für die rechtliche Akzeptanz eines dritten Geschlechts nicht gegeben.
Dieser Entscheid des Bundesrats ist nicht länger haltbar. Es gibt keinen Grund, warum sich die Schweiz rückständiger verhalten sollte als andere Länder, in denen die Einträge zum Geschlecht bereits seit längerer Zeit offengelassen werden können oder eine dritte Option zur Verfügung steht, etwa in Deutschland.
Gewiss, beim dritten Geschlecht geht es um eine Minderheit, der in der Schweiz je nach Schätzung einige Zehntausend, allenfalls etwas mehr als hunderttausend angehören. So genau weiss das niemand. Aber das spielt auch keine Rolle. Denn wir alle wollen in einer freien Gesellschaft leben, in der es Rechtsgleichheit gibt – und niemand aufgrund seines Geschlechts diskriminiert wird.
Daher braucht es nun Anpassungen. Der praktikabelste Ansatz ist, wo immer möglich auf Geschlechtskategorien zu verzichten. Das ist der Vorschlag des Transgender Network Switzerland. In der alten ID gab es keine Angaben zum Geschlecht. Im heutigen Führerausweis fehlen sie ebenfalls. Ein Verzicht ist also möglich. Mitgetragen wird der Vorschlag auch von Vertretern der FDP: In den allermeisten Gesetzestexten kann der Geschlechtseintrag weggelassen werden.
Und wo es nicht möglich ist? Dort wird man Lösungen finden müssen – allenfalls mit der Einführung einer dritten Geschlechtskategorie. Der Bundesrat wird im nächsten Jahr einen weiteren Bericht vorlegen, in dem er zeigt, wie das Leben von nonbinären Personen im Alltag erleichtert werden kann. Das muss uns alle interessieren: Noch immer leben wir in einer Gesellschaft, die stark von überkommenen Geschlechtsvorstellungen geprägt ist. Zeitgemäss ist das schon lange nicht mehr. Die Forderung von Nemo und Gleichgesinnten lädt uns daher ein, nochmals grundsätzlich zu prüfen, wo in unserer Gesellschaft Menschen aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert werden – und wie das endlich aufhört.
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