Ostsee-Nato-Gipfel in FinnlandMit Drohnen, Schiffen und Sanktionen gegen die russische Schattenflotte
Um russische Sabotageakte zu verhindern, wollen die Nato-Staaten ihre Präsenz in der Ostsee erhöhen. Es geht um den Schutz von Gaspipelines, Daten- und Stromleitungen.
- Die Nato hat in der Ostsee eine erhöhte Präsenz wegen Bedrohungen durch die russische Schattenflotte angekündigt.
- Die Staatschefs kündigten «zusätzliche Mittel» zum Schutz der Unterseekabel an.
- Sie wollen mehr Drohnen, Fregatten und Patrouillenschiffe einsetzen.
Finnlands Staatspräsident Alexander Stubb hat zusammen mit Nato-Generalsekretär Mark Rutte und dem estnischen Ministerpräsidenten Kristen Michal die Ostsee-Anrainer innerhalb des Bündnisses zusammengetrommelt, um über die Bedrohung aus Russland und China zu sprechen.
Zunehmend ist die Ostsee Schauplatz einer Auseinandersetzung, die zwar nicht mit offener Gewalt, aber grosser Skrupellosigkeit ausgetragen wird. Im Visier sind europäische Lebensadern, die durch die Ostsee führen – Gaspipelines ebenso wie Daten- und Stromleitungen. «Nicht Krieg, aber auch nicht Frieden», beschrieb der schwedische Premierminister Ulf Kristersson am Vortag dieses kleinen Gipfels den schwelenden Zustand.
Das Treffen war von der Nato einberufen worden, nachdem Finnland Ende Dezember einen Rohöltanker im finnischen Meerbusen gestoppt hatte, weil er dringend verdächtigt wird, mit seinem Anker mehrere Kabel zerstört zu haben. Die Eagle S, die seit dem Zwischenfall vor einem südfinnischen Hafen festgehalten wird, fährt unter der Flagge der Cook-Inseln, wird aber der russischen Schattenflotte zugerechnet.
Nachdem das Drama um die Eagle S der dritte Vorfall dieser Art innerhalb von 14 Monaten war, hat die Nato bereits in der vergangenen Woche angekündigt, ihre Präsenz in der Ostsee künftig erhöhen zu wollen.
Als wolle ein unsichtbarer Regisseur die sowohl angespannte als auch unübersichtliche Lage illustrieren, kam gerade, als sich die Staatsmänner im Präsidentenpalast zum Gruppenbild aufstellten, aus Polen die Nachricht, dass ein Schiff der russischen Schattenflotte zurzeit verdächtige Kreise über einer Pipeline ziehe, die Polen mit norwegischem Gas versorgt.
So sollen die Unterseekabel geschützt werden
Die Staats- und Regierungschefs wählten sehr klare Worte: Man sei «entschlossen, Sabotageversuche abzuschrecken, aufzudecken und zu bekämpfen», heisst es in einer gemeinsamen Erklärung. «Auf jeden Angriff auf unsere Infrastruktur wird mit einer robusten und entschlossenen Reaktion reagiert. Wir sind bereit, feindselige Handlungen, die von böswilligen Akteuren begangen wurden, gegebenenfalls zuzurechnen.»
Die Staatschefs kündigten «zusätzliche Mittel» zum Schutz der Unterseekabel an. Am wichtigsten ist dabei das neu zu schaffende «Baltic Sentry» (Baltische Wache), das mit Drohnen, Fregatten und weiteren Patrouillenschiffen ausgestattet werden soll. Nato-Generalsekretär Mark Rutte sagte, man wolle nicht ins Detail gehen, «damit der Feind nicht klüger wird».
In der gemeinsamen Erklärung wird eine «Ausweitung der Sanktionen» angekündigt, ausserdem wolle man zukünftig die Schiffsversicherungszertifikate genauer überprüfen und die Routen der Schiffe noch genauer tracken.
Alexander Stubb stellte einen Zehnpunkteplan vor, der neben der Verstärkung der Nato-Präsenz in der Ostsee unter anderem vorsieht, dass Rechtsexperten aus den Aussenministerien der Anrainerstaaten die Schifffahrtsgesetze überprüfen sollen. Bislang ist es rechtlich kaum möglich, ein Schiff zu betreten und zu durchsuchen, wenn es sich in internationalen Gewässern befindet.
Stubb plädierte ausserdem dafür, da man Sabotageakte wohl nie ganz verhindern könne, eine Ersatzinfrastruktur zu bauen, also für die wichtigsten unterseeischen Verbindungen Zweitkabel zu verlegen. Ausserdem schlug er vor, permanent ein Reparaturschiff in der Ostsee kreuzen zu lassen.
Olaf Scholz ist zurückhaltender
Für den deutschen Kanzler Olaf Scholz dürfte die Teilnahme an diesem Nato-Treffen eine der letzten Auslandsreisen vor der Bundestagswahl sein. Während Stubb und seine lettischen und litauischen Präsidentenkollegen mehrmals von «gemeinsamen Feinden» sprachen, wählte Scholz, der sich im Wahlkampf als besonnener Friedensbewahrer präsentiert, vorsichtigere Worte. Er sprach von «einer sehr ernsten Angelegenheit» und zeigte sich besorgt über die «russischen Aktivitäten».
Der Frage, ob er den Zustand wie sein schwedischer Kollege Kristersson nicht mehr als Frieden beschreiben würde, wich er aus. Es gebe einen Krieg in Europa, sagt er, den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Man wisse, «dass wir mehr für unsere eigene Sicherheit tun müssen», und gebe daher zwei Prozent der Wirtschaftskraft für die Verteidigung aus.
«Es besteht natürlich die Notwendigkeit, uns auch mit hybriden Bedrohungen auseinanderzusetzen», fügt er hinzu. Angriffe auf die Infrastruktur könnten nicht ignoriert werden und seien eine «ernste Gefahr».
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