Nahost-Konflikt im NationalratFabian Molina fordert Anerkennung von Palästina – und erntet Kritik
Der SP-Politiker lanciert einen brisanten Vorschlag. Das sei der «komplett falsche Zeitpunkt», entgegnet Mitte-Ständerätin Marianne Binder.
Im Nahostkonflikt ist keine Entspannung in Sicht. Mit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober und der israelischen Reaktion darauf scheint die Zweistaatenlösung in weite Ferne gerückt zu sein. Damit ist ein unabhängiger palästinensischer Staat gemeint, der Seite an Seite mit Israel existiert. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu lehnt eine solche Lösung ab.
Kann das der richtige Moment sein, Palästina als Staat anzuerkennen? Fabian Molina findet: Ja. Gerade wegen der aktuellen Situation stelle er diese Forderung. Am Freitag hat der SP-Nationalrat einen parlamentarischen Vorstoss eingereicht mit dem Titel «Zwei souveräne Staaten, Israel und Palästina, als Grundlage für einen dauerhaften und gerechten Frieden».
Molina wurde bereits vorgeworfen, den Terrorangriff der Hamas zu spät und zu wenig deutlich verurteilt zu haben. Sein Vorstoss könnte nun als einseitige Positionierung verstanden werden. Das weist Molina aber zurück: Die Hamas lehne eine Zweistaatenlösung ebenso ab wie Netanyahu, sagt er. Molina betont ausserdem, dass die Anerkennung an eine Bedingung geknüpft wäre: die Bedingung, dass die Hamas die am 7. Oktober entführten israelischen Geiseln freilasse.
«Das kann keine Lösung sein»
Mitte-Ständerätin Marianne Binder hält den Vorstoss trotzdem für eine schlechte Idee. «Es ist doch einfach der komplett falsche Zeitpunkt», sagt sie. «Die Hamas kontrolliert und terrorisiert das ganze Gebiet. Sie will keinen Frieden und verantwortet den Krieg.»
Selbstverständlich würde auch sie sich zwei Staaten wünschen, die friedlich nebeneinander lebten, sagt Binder, die Mitglied der parlamentarischen Gruppe Schweiz-Israel ist. «Das ist aber mit der Hamas schlicht und ergreifend nicht möglich. Die Terrororganisation spricht Israel das Existenzrecht ab.» Solange die Hamas an der Macht sei, würde mit der Anerkennung Palästinas gewissermassen auch sie anerkannt. Und das könne keine Lösung sein, weder für Israel noch für die palästinensische Seite. «Es braucht in Palästina endlich Leute, die den Frieden auch garantieren können», sagt Binder.
Vorerst nur der Nationalrat
Molina sieht seinen Vorschlag als Stärkung der friedlichen Kräfte – im Einklang mit dem Hamas-Verbot. Er fordert, dass der Nationalrat Palästina auf der Grundlage der Grenzen von 1967 als Staat anerkennt. Dies würde dazu beitragen, den Frieden in der Region zu fördern und eine gerechte Lösung zu unterstützen, schreibt er zur Begründung. Und: «Der Bundesrat wird eingeladen, diesem Beschluss zu folgen.»
Vorerst würde also bloss der Nationalrat Palästina anerkennen, was primär eine symbolische Geste wäre. Molina vergleicht sie mit der Anerkennung des Völkermordes an den Armeniern: Der Nationalrat hat den Völkermord 2003 anerkannt, der Bundesrat bisher nicht.
Würde die offizielle Schweiz Palästina als Staat anerkennen, stünde sie indes nicht allein da. Von 193 UNO-Mitgliedsstaaten haben bisher 139 Palästina als unabhängigen Staat anerkannt, darunter auch europäische Staaten wie Schweden, Island, Tschechien, die Slowakei und Polen. Andere Staaten sagen, ein palästinensischer Staat müsse im Rahmen von Friedensverhandlungen mit Israel vereinbart werden.
EDA: Zuerst Verhandlungen
So argumentiert auch das Aussendepartement (EDA). Die Schweiz setze sich seit Jahren für die Schaffung eines souveränen Staates Palästina auf der Grundlage der Grenzen von 1967 ein, der Seite an Seite mit Israel existiere, schreibt es auf Anfrage. Aber: «Diese Zweistaatenlösung soll auf dem Verhandlungsweg erzielt werden.» Der Zeitpunkt der Anerkennung Palästinas wäre aus Sicht des EDA dann gegeben, wenn diese «konkret zur Realisierung der von der Schweiz angestrebten Zweistaatenlösung beitragen» könnte.
Generell setze die Anerkennung eines Staates voraus, dass die drei völkerrechtlichen Kriterien der Staatlichkeit erfüllt seien: Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt. Die bilaterale Anerkennung sei jedoch ein politischer Akt. Es liege im freien Ermessen jedes Staates, einen anderen anzuerkennen.
Bis der Nationalrat über Molinas Vorstoss abstimmt, wird einige Zeit verstreichen. Zurzeit hätte das Anliegen eher geringe Chancen auf eine Mehrheit: Abgesehen von Mitte-Nationalrat Andreas Meier haben ausschliesslich Ratsmitglieder von SP und Grünen den Vorstoss mitunterzeichnet.
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