Trend in Biografiefilmen Napoleon, der Softe – Hollywood entmannt seine Helden
Biopics sind dank Napoleon, Ferrari oder Leonard Bernstein das Genre der Stunde. Leider dürfen diese Männer offenbar keine Heroen mehr sein.
Drei Männer, drei klingende Namen, drei grosse Biografien: Napoleon, Ferrari und Maestro (Leonard Bernstein). Der erste hat Europa gleich zweimal erobert. Der zweite hat eine Automarke geschaffen, die bis heute als Inbegriff des Sportwagens gilt. Der dritte war der berühmteste Dirigent Amerikas.
Die Biografien dieser drei Legenden wurden gerade von drei grossen Männern des Kinos verfilmt: Ridley Scott, Michael Mann und Bradley Cooper. Doch die Zeiten sind vorbei, als man von grossen Filmemachern auch grosses Kino erwarten könnte. Wenigstens wenn es um die ehemals wichtigste Filmfigur überhaupt geht: den männlichen Helden.
Der männliche Held nämlich steht unter Verdacht, ein Rassist und Sexist zu sein, also ein Auslaufmodell. Wer dennoch von ihm erzählen will, muss ihn brechen, ihn kastrieren – oder ihm eine starke Frau zur Seite stellen. Denn erst in ihr spiegeln sich die wahren Qualitäten, seine sensible Seite nämlich, so scheinen heutige Drehbuchautoren überzeugt.
Kaum in der Lage, die Heilsarmee zu führen
Angefangen beim Generalissimus Napoleon. Dass Joaquin Phoenix zu alt, zu dick und zu gelangweilt wirkt, um den ehrgeizigen jungen Haudegen glaubhaft zu verkörpern: geschenkt. Viel schlimmer ist, dass Regisseur Ridley Scott Napoleons Grösse nicht in seinen Taten, sondern in der wechselhaften Beziehung zu Josephine sucht. Anstatt von Schlachtfeld zu Schlachtfeld, eilen wir von Liebesschwüren zu Beziehungsknatsch, was unvermeidlich in der Feststellung Josephines mündet, dass hinter jedem grossen Mann eine noch grössere Frau stehe. Und dass Napoleon ohne sie ein Nichts wäre. Im echten Leben sagen solche Dinge meistens Männer, die ihre Frauen kontrollieren wollen. Bei diesem Napoleon wäre das hingegen gar nicht nötig. Er scheint kaum in der Lage, eine Heilsarmee zu führen, geschweige denn, die Welt zu erobern.
Auch Regisseur Michael Mann lässt Enzo Ferrari in den Niederungen des Häuslichen versauern. Schon in der ersten Szene sehen wir ihn mit seiner Geliebten und dem gemeinsamen Kind, was natürlich seiner Frau und Geschäftspartnerin gar nicht passt, zumal die beiden erst tragisch ihren eigenen Sohn verloren haben. In der zweiten Szene dürfen wir Enzo Ferrari beim Ehestreit zuschauen, womit der Ton des Films gesetzt ist. Statt einer Geschichte von starken Motoren und verwegenen Rennfahrern wird uns ein Beziehungsdrama serviert, dessen Protagonist genauso gut Metzger oder Sanitärinstallateur sein könnte.
Und schliesslich Leonard Bernstein, der nicht nur ein begnadeter Musiker, sondern auch ein bisexueller Polyamorist war, was Bradley Cooper stundenlang ausbreitet. Auch hier geht es um die Beziehung zwischen Bernstein und einer Frau. Der Figur und ihren Konflikten fehlt es an Tiefe, und die musikalische Karriere des Komponisten bleibt kosmetische Zierde.
Vielleicht liegt es daran, dass alle drei Filme von mehr oder weniger alten weissen Männern gedreht wurden. Weshalb sie vielleicht besonders streberhaft signalisieren mussten, dass sie die Zeichen der Zeit erkannt haben und ihre Helden von einer ganz anderen Seite zeigen wollten. Leider haben sie sich für die langweiligste Seite dieser Männer entschieden. Beziehungsprobleme hat schliesslich jeder.
Helden werden auf ihre Gefühle reduziert
Vielleicht liegt es auch daran, dass der Lebenswandel dieser drei berühmten Männer vor den moralischen Schiedsgerichten der Gegenwart ohnehin nie würde bestehen können. Und offenbar gebietet der Zeitgeist, nicht mehr auf die Taten von Helden, sondern auf ihre Gefühle zu fokussieren. Zumindest wenn sie männlich sind.
Ist die Heldin weiblich, ist das kein Problem, wie die neue Netflix-Serie «Griselda» über die gleichnamige kolumbianische Gangsterbraut beweist. Sie beginnt damit, wie die Drogendealerin ihren Mann erschiesst – seinem Schicksal werden noch weitere Männer folgen. Dennoch wird Griselda als komplexe Heldin und liebende Mutter gezeigt, was für Kritik gesorgt hat: Man verherrliche hier eine Killerin. Mag sein, aber das ergibt interessante Filme. Und ist immer noch besser, als wenn man Griselda anhand ihrer Männer porträtiert hätte.
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