Kolumne «Dorfgeflüster»Nachbarn können ansteckend sein
Was im Quartier passiert, wenn jemand sein Altpapier eine Woche zu früh rausstellt.
Papier ist geduldig, heisst es. In Stäfa wurde diese Geduld am letzten Samstag in meinem Quartier auf die Probe gestellt – bis das Warten sinnlos wurde. Konkret: Es ging ums Altpapier. Irgendjemand in meiner Nachbarschaft stellte seine Bündel schon am Vorabend vor die Türe, und am Morgen darauf stapelten sich auf den Trottoirs vor weiteren Häusern die geschnürten Papierpäckli – auch vor unserem.
Kurz vor Mittag meldete sich beim Blick auf die Strasse erstmals das unbewusste Gefühl, dass diesmal etwas nicht so ist wie üblich. Es wurde 13 Uhr, noch immer lagen die Bündel unberührt da. Ich ging hinaus und wurde sogleich beruhigt: Nicht unser Haus wurde bei der Sammlung übergangen, auch bei den Nachbarn lag das Altpapier noch abholbereit.
Nach einer weiteren Stunde wurde es mir zu bunt. Gerade als ich das Quartier erneut in Augenschein nehmen wollte, pfiff mich unsere Hausherrin zurück. Eine Freundin habe sie eben angerufen und gefragt, ob wir uns nicht im Datum geirrt hätten, die Papiersammlung sei doch erst in einer Woche. Der Blick in den Abfallkalender bestätigte: Sie hat recht.
Unter verlegenem Grinsen trug ich die Stapel zurück in den Keller und erinnerte mich an eine lustige Episode. Vor über 30 Jahren war ich Redaktor des «Zolliker Bote» und platzierte übereifrig die noch in der Nacht im Redaktionsbriefkasten eingeworfene amtliche Anzeige für die nächste Altpapiersammlung im Blatt. Doch das Inserat der Gemeinde war erst für die nächste Woche geplant. So häufte sich am Samstag in Zollikon und Zollikerberg vor mindestens der Hälfte aller Haushalte das Altpapier – und musste am Montag von einer Sondermülltour eingesammelt werden. Immerhin war es die billigste Umfrage der Zeitungsgeschichte, wie gut amtliche Anzeigen gelesen werden.
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