Emotionen nach der BarrageNach diesem Sieg macht Schällibaum klar, wie er seine Zukunft bei GC sieht
GC-Retter Justin Hammel lässt lieber andere feiern. Amir Abrashi findet: «Da hatten wir Glück, das muss ich sagen.» Und Trainer Marco Schällibaum hat einen grossen Wunsch.
Als alle ausflippen, die Spieler vor ihm und die GC-Fans hinter ihm, da steht Justin Hammel im Tor und hat das Gefühl, dass dieser Match noch nicht gewonnen ist. Später wird er über diesen Augenblick sagen: «Ich habe gewusst oder bin davon ausgegangen, dass noch einer kommt.» Und tatsächlich: Es kommt noch einer.
Asumah Abubakar hat die Grasshoppers im Barrage-Rückspiel gegen Thun gerade 2:1 in Führung gebracht. Und bevor wir nun zu Hammel und seiner Eingebung kommen, gibts ein paar Zahlen zu diesem Tor.
GC trifft wieder in der Nachspielzeit, in der 91. Minute, nachdem den Zürchern im Hinspiel in der 97. Minute das 1:1 gelungen war. Der Treffer fällt nach dem 26. GC-Corner in der Barrage. Für Stürmer Abubakar, im Winter aus Luzern gekommen, ist es erst der zweite Treffer im 18. Einsatz. Für GC bahnt sich nun der erste Auswärtssieg seit 174 Tagen an. Und für den FC Thun sieht es so aus, dass er im Ligabetrieb nach 18 Heimspielen und 15 Siegen erstmals in dieser Saison verlieren dürfte.
Oder doch nicht?
Hammel hat eben dieses Gefühl. Deshalb freut er sich nicht zu lange über das 2:1. Er versucht, konzentriert und ruhig zu bleiben. Aus gutem Grund. Ein paar Augenblicke später taucht Miguel Castroman vor ihm auf. Ganz alleine steht der Thuner und versucht, den Ball ins Tor zu lenken. Nur: Hammel lässt sich nicht überlisten. «Ich habe in diesem Moment einfach funktioniert», sagt der Goalie und fügt auch noch an: «Ich hatte null Bock auf Verlängerung oder Penaltyschiessen.»
23-jährig ist Hammel und Held des Augenblicks. Nach dem Match wirkt er allerdings nicht wie der Mann, der die traditionsreichen Grasshoppers gerade vor weiterem Ungemach bewahrt hat in dieser Krisensaison. Er erinnert eher an den Beamten vom Steueramt, der nach acht Stunden Schicht nach Hause will, um den Pullunder zu waschen. Morgen gehts schliesslich weiter. Und so erklärt er auch noch, angesprochen auf die lange Nacht, die es nach solchen Erfolgen normalerweise gibt: «Ich bin sicher nicht der Partykönig. Aber andere werden bestimmt gross feiern.»
Abrashi: «Das sind die geilsten Siege»
Im Gegensatz zu Hammel ist Amir Abrashi so aufgekratzt, dass er vermutlich sogar den alten Amir-Abrashi-Rekord im Aufgekratztsein bricht. Als der GC-Captain vom Rasen in die Katakomben kommt, kündet er sich mit lautem Gebrüll an. Und dann sprudelt es aus ihm heraus.
Unheimlich gross sei die Erleichterung, nicht in Worte zu fassen. Er habe in den vergangenen Tagen kaum noch schlafen können, so gross sei der Druck gewesen, so viel sei auf dem Spiel gestanden «für uns Spieler, für GC, für Zürich, für die Fans und Mitarbeiter». Und nun dieses 2:1 mit dem späten Tor: «Das sind die geilsten Siege.»
Abrashi, der nach der Barrage ins EM-Vorbereitungscamp der albanischen Nationalmannschaft einrückt, findet das Resultat «über zwei Spiele völlig verdient», obwohl ihm in der ersten Halbzeit in Thun nicht immer wohl gewesen ist. GC ging zwar früh in Führung, in der 3. Minute durch Morandi. Dann aber liess die Mannschaft stark nach, Thun hatte mehrere vorzügliche Chancen, erzielte aber nur einen Treffer. «Da hatten wir Glück, das muss ich sagen», urteilt Abrashi, «aber nachher hatten wir alles im Griff.»
Alles? Nein, nicht alles. Auch Abrashi hatte nicht vergessen, was sich in der 95. Minute vor dem GC-Tor abspielte. «Für solche Momente haben wir Justin Hammel», sagt der 34-Jährige, «er hat die ganze Saison riesig gespielt. Ich kann nur den Hut vor ihm ziehen.»
Die Frage ist, ob GC den gebürtigen Basler Hammel halten kann. Der Goalie mit Vertrag bis 2025 dürfte begehrt sein, vielleicht auch beim FCB. Und eine Frage bei GC ist auch, wie es auf der Trainerposition weitergeht.
Schällibaum: «Die Jungs sind die Helden»
Marco Schällibaum steht im Kabinengang der Stockhorn-Arena und sagt: «Für mich ist wichtig, dass ich dem Club, der mein ganzes Leben geprägt hat, etwas zurückgeben konnte. Das macht mich stolz.»
Er hat den Match so intensiv erlebt wie kaum ein anderes Spiel seiner Karriere. «An einem solchen Abend bist du in einer Welt, mit der du fast nicht umgehen kannst. Die Emotionen und der Druck waren riesig.» Das Tor in der Nachspielzeit hat in ihm ein Glücksgefühl ausgelöst, «das ich nicht beschreiben kann».
Im April ist der 62-Jährige als Nothelfer gekommen. Nach der Rettung findet er warme Worte für seine Spieler. «Die Jungs sind die Helden», bemerkt er, «in den vergangenen Wochen waren viele Bosheiten gegen uns gerichtet, aber sie haben an sich geglaubt. Und das ist wichtig.»
Schällibaums Vertrag läuft nur bis Ende Juni. In dieser Thuner Nacht aber macht er klar, dass er GC-Trainer bleiben möchte: «Ich weiss, dass ich mit meiner Mannschaft gerne zusammen bin – die Mannschaft aber auch gerne mit mir.»
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