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Nach Kurz-Krieg und Explosion
Lage in Karabach immer verzweifelter

epa10883988 Ethnic Armenian flee Karabakh for Armenia sitting in a truck at the Lachin checkpoint controlled by Russian peackeepers and Azeri border guards, Azerbaijan, 26 September 2023. Azerbaijan on 19 September 2023 launched a brief military offensive on the contested region of Nagorno-Karabakh, a breakaway enclave that is home to some 120,000 ethnic Armenians. Following a ceasefire agreed on 20 September 2023, Azerbaijan opened all checkpoints with Armenia for the unimpeded exit of civilians from the disputed territory. The Armenian government announced the evacuation of more than 19,000 local residents from Nagorno-Karabakh, and a humanitarian center has been set up in the village of Kornidzor near the so-called Lachin corridor, the main route between Armenia and the breakaway region. Russian peacekeepers escorted convoys with civilians leaving Nagorno-Karabakh for Armenia, the Russian defense ministry said.  EPA/ROMAN ISMAYILOV
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Die Not steht der armenischen Ärztin aus Berg-Karabach förmlich ins Gesicht geschrieben: «In diesem Moment haben wir keine medizinischen Ressourcen mehr übrig, die uns helfen können», sagt sie in einem Video, das in sozialen Netzwerken vielfach geteilt wird.

Es fehle an Antibiotika, Patienten müssten dringend ausgeflogen werden, sagt sie mit gehetzter Stimme. Dann läuft sie zurück ins Krankenzimmer. Das Video soll am Dienstag aufgenommen worden sein – einige Stunden, nachdem unweit von Berg-Karabachs Hauptstadt Stepanakert ein Treibstofflager explodiert war. Laut den Behörden der international nicht anerkannten Republik starben mindestens 20 Menschen, rund 300 weitere wurden verletzt.

Die Ursache der Explosion vom Montagabend ist noch immer unklar. Fest scheint nur zu stehen, dass sie mindestens 68 Todesopfer gefordert hat. Wie die Regierung der selbsternannten Republik am Dienstag mitteilte, wurden zudem 290 Menschen verletzt, 105 werden noch vermisst. Eine frühere Bilanz war von 20 Toten und 280 Verletzten ausgegangen.

Die Menschen wollten mit Autos flüchten vor der aserbaidschanischen Armee, die sie in der vergangenen Woche angegriffen und nach kurzen, aber heftigen Kämpfen besiegt hatte. Nach örtlichen Berichten standen sie zum Zeitpunkt des Unglücks zu Hunderten an der Tankstelle an, um Benzin für die Flucht zu erhalten.

Lange Schlangen auf dem Weg nach Armenien.

Berg-Karabach liegt zwar auf aserbaidschanischem Staatsgebiet, wird aber mehrheitlich von ethnischen Armeniern bewohnt und ist zwischen den beiden verfeindeten Ex-Sowjetrepubliken schon seit Jahrzehnten umkämpft. Am vergangenen Dienstag startete das autoritär geführte Aserbaidschan eine Militäroperation zur Eroberung Berg-Karabachs. Nur einen Tag später ergaben sich die unterlegenen Karabach-Armenier.

Während der kurzen Kämpfe kamen armenischen Angaben zufolge mehr als 200 Menschen ums Leben, mehr als 400 weitere wurden demnach verletzt. Die Zehntausenden armenischen Zivilisten in der Region fürchten nun, vertrieben oder von den neuen aserbaidschanischen Machthabern unterdrückt zu werden.

Zusätzlich angespannt ist die humanitäre Lage, weil Aserbaidschan schon Monate vor den Angriffen mit einer Blockade der einzigen armenischen Zufahrtsstrasse nach Berg-Karabach begann. Deshalb sind unter anderem Lebensmittel knapp und – was aktuell besonders fatal ist – Medikamente.

Seit Sonntag dürfen flüchtende Zivilisten über diesen so genannten Latschin-Korridor ausreisen, und sie haben sich zu Tausenden auf den Weg gemacht. Auf Fotos vom Dienstag war zu sehen, wie sich auf der kurvenreichen Strasse riesige Staus bildeten; es ging nur schleppend voran. Autos wurden mit dem wichtigsten Hab und Gut vollgepackt, teils der Hausrat auf das Fahrzeugdach geschnallt. Auf armenischem Staatsgebiet angekommen wurden die Menschen von Hilfsorganisationen in Empfang genommen. Viele wirkten völlig erschöpft, manche weinten.

Die Regierung in Armeniens Hauptstadt Eriwan sprach zuletzt von rund 19 000 Geflüchteten. Unterdessen hielten in Eriwan auch die Proteste gegen die politische Führung an, die sich nach Ansicht der Demonstranten zu wenig für die Karabach-Armenier eingesetzt hat.

Mit Blick auf die Opfer der Tankstellen-Explosion mahnte unterdessen auch das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) schnelle Hilfe an. «Die Krankenhäuser in der Region waren bereits vor dem Zustrom von Patienten durch die Explosion überlastet», heisst es in einer Mitteilung.

Refugees look on as they wait near a Red Cross registration centre in Goris, on September 26, 2023. Hundreds of vehicles were heading to Armenia from Nagorno-Karabakh on September 26, 2023,  following Azerbaijan's lightning offensive against the separatist enclave, an AFP team at the scene said. (Photo by ALAIN JOCARD / AFP)

«Das ist eine absolute Tragödie für Hunderte von Menschen, die jetzt unter schrecklichen, schmerzhaften Verbrennungen leiden», sagte Ariane Bauer, IKRK-Regionaldirektorin für Europa und Zentralasien. Teams des Roten Kreuzes lieferten medizinische Hilfsgüter und halfen bei der Evakuierung von Verletzten per Krankenwagen, wie es hiess.

Offiziell bot auch Aserbaidschan seine Hilfe an. Baku sei zur Aufnahme von Opfern der Explosion aus Karabach bereit, teilte der aserbaidschanische Präsidentenberater Hikmet Hajiyev mit. Ob die Armenier nach den Schikanen der vergangenen Monate nun aber ihre verletzten Landsleute ausgerechnet in die Obhut des verfeindeten Nachbarlandes geben wollen, ist äusserst fraglich.

SDA/aeg