Schwimm-Trainerin aus Thalwil Nach dem Taucher ist manches noch verschwommen
Sascia Kraus wollte ein Synchronduett nach Tokio führen. Nun muss dieses entscheiden, ob es mit der Thalwiler Olympionikin von Rio für die Olympischen Spiele 2021 einen zweiten Anlauf nimmt.

«Wie es für mich gewesen wäre, kann ich mir nur schwer vorstellen. Meine Mädels tun mir so leid.» Sascia Kraus würde Vivienne Koch (21) und Joelle Peschl (20) am liebsten fest in die Arme schliessen und trösten, doch in Corona-Zeiten geht das nicht. Seit Anfang 2018 trainiert die Thalwilerin die Synrchonschwimmerinnen des SC Flös in Buchs. Vier- bis fünfmal pro Woche steigen sie normalerweise zusammen ins Wasser. Die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Tokio war ihr grosses Ziel. «Nun droht unser gemeinsamer Traum zu platzen», seufzt die 27-Jährige.
Eine Verschiebung der Spiele auf nächstes Jahr oder gar die Absage zeichnete sich zwar ab. Doch Kraus blieb mit ihrem Duo auf Vorbereitungs-Kurs und liess nichts unversucht. «Wir wussten ja nicht, ob doch noch Qualifikationswettkämpfe stattfinden.» Nach der Schliessung aller Hallenbäder in der Schweiz fragte die Olympionikin von 2016 vergeblich beim Kanton Zürich und beim Bund um eine Sonderbewilligung für Trainings an. Sie sah nur noch eine Alternative: Magglingen. «Um wenigstens dort trainieren zu können, begaben wir uns in Selbstisolation.» Kraus und ihr Freund setzten fünf Tage lang keinen Fuss vor die Wohnungstür. «Das war hart», schildert sie.
Alles auf dieses Jahr ausgerichtet
Am Montag brach die Trainerin ihre Selbstisolation ab und ordnete ihren Athletinnen dasselbe an. «Kurz bevor wir sie durchgestanden hätten», sagt Kraus. Denn die Verschiebung von Tokio 2020 auf 2021 wurde angekündigt – und war tags darauf Tatsache. Der Thalwilerin war bewusst: «Nun machen Trainings im abgeschotteten Magglingen keinen Sinn mehr.» Sie habe ihren Mädels eine Woche lang freigegeben, bis nächsten Montag werden sogar sämtliche Fitnessübungen daheim ausgesetzt. «Sie müssen zuerst einmal alles setzen lassen und sich überlegen, wie es weitergehen soll.»
Während andere Sportler ihren Fokus bereits auf 2021 legen können, stellt sich für Vivienne Koch und Joelle Peschl die Frage: Wollen, geschweige denn können sie überhaupt noch? «Vivienne hat geplant, im Spätsommer ihr Studium zu beginnen, was ihr ihre Eltern empfehlen», sagt Kraus. Und Joelle – die Thurgauerin wohnt seit drei Jahren in Rüschlikon – habe all ihre Pläne ebenso auf Tokio 2020 ausgelegt. «Sie setzte für Olympia ihr Maturajahr aus.» Die schulischen Ausbildungen sind das eine, der finanzielle Aspekt das andere. Trainerin Kraus rechnet damit, dass es nun noch schwieriger wird, Sponsoren für ein weiteres Profijahr der beiden zu finden. «Sie müssen eine wahnsinnig schwierige Entscheidung treffen.»
Träumen von offenen Bädern
Die Trainerin tauscht sich täglich mit den zwei Rheintalerinnen via Skype oder Whatsapp aus. Vor und während der Selbstisolation motivierte sie die beiden, «so gut es ging». Das letzte gemeinsame Training im Wasser hielten sie vor zwei Wochen ab. «Eine lange Zeit, in der das Wassergefühl und Lungenvolumen verloren geht.» Kraus gibt zu bedenken, dass das Wassertraining nicht durch Kraft- und Fitnessübungen daheim oder an der frischen Luft zu ersetzen sei. «An Land fit zu sein, ist etwas ganz anderes.»
Nicht ins Hallenbad zu können, ist auch für Kraus eine Qual. Zweimal pro Woche trainiert sie jeweils mit der Showgruppe ihres Clubs, den Zürcher Limmat-Nixen. Statt im oder am Becken aktiv zu sein, muss sie nun daheim ausharren. «Käme jetzt jemand und würde mir einen Schlüssel zu einem Hallenbad geben, würde ich sofort hingehen.» Davon träume sie, bis die Türen der Bäder wieder aufgehen. Immerhin kann sich die Thalwilerin mit administrativen Aufgaben für Swiss Swimming die Zeit sinnvoll vertreiben. Kraus ist im 50-Prozent-Pensum für den nationalen Verband tätig.
Als Trainerin im SC Flös sind ihr derzeit die Hände gebunden. Der Verein hat auf Kurzarbeit umgestellt. «Finanziell mache ich mir keine Sorgen», stellt sie klar. «Vielmehr macht mir die Situation meiner Mädels zu schaffen, und ich vermisse sie mit jedem vergangenen Tag mehr.» Für die beiden Athletinnen ist wie für die Trainerin nach dem Taucher mit Blick in die Zukunft noch manches verschwommen, doch die nächste Woche sollte etwas mehr Klarheit bringen.
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