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Repression im Iran
Mullahs installieren Kopftuch-Kameras

Die Proteste werden weitergehen: Frauen auf einem Basar im Norden Teherans.
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Die Proteste im Iran haben in den letzten Wochen ein wenig nachgelassen, doch die Wut der Massen bleibt. Die brutale Repression des Mullah-Regimes hält unvermindert an, es werden sogar neue Methoden vorbereitet, um die Kopftuchpflicht für Frauen und Mädchen durchzusetzen.

In einer Sitzung des iranischen Parlaments vergangene Woche sagte der Abgeordnete Bijan Nobaveh, der Kulturausschuss habe sieben neue Massnahmen vorgeschlagen, die von der Führung des Landes gebilligt worden seien. Dazu soll in Zukunft der Einsatz von Überwachungskameras im öffentlichen Raum gehören, um Frauen zu identifizieren, die ihren Kopf nicht mit dem verhassten Stück Stoff bedecken wollen.

Hotels und Geschäfte geschlossen

Frauen, die trotz mehrmaliger Verwarnung die rigide Kleiderordnung ablehnen, müssen damit rechnen, dass die Behörden ihnen die Handy- und Internetverbindung sperren. Das kündigte der Parlamentarier Bijan Nobaveh an. Polizei und Justiz sind beauftragt, Beweise zu sammeln. Laden- und Hotelbesitzer sowie Betreiber von Einkaufszentren sind für die Umsetzung der neuen Vorschriften verantwortlich. In den letzten Tagen wurden Hotels und Geschäfte geschlossen, in denen Frauen kein Kopftuch trugen.

Seit November sind mehr als 1000 Schülerinnen und Studentinnen Opfer von Giftattacken geworden. Eine Frau ist gestorben: Szene aus der Hauptstadt Teheran.

Die jüngste Protestwelle begann vor sechs Monaten, als die 22-jährige Mahsa Amini in Polizeigewahrsam starb. Die junge Frau wurde willkürlich festgenommen, weil in den Augen der Sittenpolizei ihr Kopftuch nicht korrekt genug sass. Nach der sogenannten Islamischen Revolution 1979 wurde die Hijabpflicht für alle Frauen und Mädchen ab neun Jahren eingeführt. Seither kämpfen viele Iranerinnen gegen den staatlich verordneten Zwang, sich zu verschleiern. Zuvor mussten iranische Frauen fast fünf Jahrzehnte lang keinen Schleier tragen.

Das Kopftuch gehört neben dem Amerika- und Israelhass zur Identität der iranischen Theokratie.

Schah Reza Pahlewi hatte in den 1930er-Jahren die Türkei besucht und gesehen, wie Mustafa Kemal Atatürk mit einer Modernisierungsinitiative die junge Republik veränderte. Der Perser wollte es dem Türkenherrscher gleichtun und verbot am 7. Januar 1936 das Tragen religiöser Kleidung. Zur Verkündung der neuen Regelung erschienen seine Frau und seine beiden Töchter erstmals ohne Kopftuch in der Öffentlichkeit. Nicht alle waren bereit, die rigorose Europäisierung zu akzeptieren. Anfang der 80er-Jahre schlugen die Konservativen zurück: Revolutionsführer Ayatollah Khomeini zwang die Frauen in den Tschador. Das dunkle Gewand lässt nur das Gesicht frei.

Sie unterstützen die iranischen Frauen: Demonstrierende vor dem Hauptsitz der EU-Kommission in Brüssel.

Das Regime scheint entschlossen zu sein, jede Lockerung des Kopftuchverbots abzulehnen. Der iranische Justizchef sagte kürzlich: «Das Kopftuch abzunehmen, ist genau dasselbe, wie seine Feindschaft gegen die Islamische Republik und deren Werte auszudrücken.» Dutzende religiöse Würdenträger fordern die Regierung auf, Verstösse gegen die Kleidervorschriften mit Härte zu ahnden und – kein Witz! – die «Ausbreitung des Nudismus» zu stoppen. Das Kopftuch gehört neben dem Amerika- und Israelhass zur Identität der iranischen Theokratie.

Mit Peitschenhieben misshandelt

Seit Januar sind gemäss UNO-Angaben 143 Menschen hingerichtet worden, die meisten seien wegen Drogendelikten in Gefängnis gewesen. Ihnen seien «extrem unfaire» Prozesse gemacht worden, sagte zu Wochenbeginn Javaid Rehman, der Sonderberichterstatter für Menschenrechte im Iran. Voriges Jahr seien mindestens 500 Todesurteile vollstreckt worden, so der Experte vor dem UNO-Menschenrechtsrat in Genf. Seit dem Ausbruch der jüngsten Proteste wurden ausserdem mindestens 527 Menschen getötet. Rehman sprach von Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Seit November sind mehr als 1000 Schülerinnen und Studentinnen Opfer von Giftattacken geworden. Eine Frau ist gestorben.

Opfer der Repressionswelle sind auch Kinder, die an Protesten teilgenommen haben. Nach einem Mitte März veröffentlichten Bericht von Amnesty International wurden selbst 12-Jährige mit Peitschenhieben und Elektroschocks misshandelt und sexueller Gewalt ausgesetzt. «Es ist abscheulich, dass Beamte verletzlichen und verängstigten Kindern und ihren Familien solch schwere Schmerzen zufügen und sie mit massiven körperlichen und seelischen Narben zurücklassen», sagte die stellvertretende Regionaldirektorin von Amnesty International für den Nahen Osten und Nordafrika, Diana Eltahawy.

Ziel des Regimes sei es, die Jugend des Landes zu unterdrücken. Bereits im Dezember hatte die Menschenrechtsorganisation der iranischen Regierung vorgeworfen, bei der Niederschlagung der landesweiten Proteste mindestens 44 Kinder getötet zu haben.