Spektakulärer Zweikampf am BergSchweizer gegen Amerikaner: Speed-Duell am Mount Everest
Karl Egloff (44) hat am Mount Everest einen direkten Kontrahenten: Tyler Andrews (35). Im Interview erklärt Bergsteiger Egloff die Risiken des Vorhabens – und seine Kleiderwahl.

Der Streaming-Riese Netflix nimmt den höchsten Berg der Welt ins Visier: den Mount Everest. Mit dabei in dieser Dokumentation ist der Schweizer Bergsteiger Karl Egloff. Der 44-Jährige liefert sich im Mai ein Speed-Duell mit dem 35-jährigen Amerikaner Tyler Andrews.
Beide wollen so schnell wie möglich vom Basislager auf den Gipfel und wieder hinunter. Ohne zusätzlichen Sauerstoff. Wer schneller ist, hat eine erste «Fastest Known Time» gesetzt, eine schnellste bekannte Zeit.
Wie bereitet man sich auf so ein Rennen vor? Und welchen Druck bauen die Dutzenden von Kameraleuten auf, die am Berg jeden Schritt der beiden Athleten aufzeichnen? Darüber haben wir mit Karl Egloff geredet, weniger als 48 Stunden bevor er nach Nepal abgereist ist.
Bald fliegen Sie nach Nepal und warten noch immer auf Ihre Jacke für den Gipfeltag. Wo liegt das Problem?
Das Problem ist, dass wir gefilmt werden und nicht die gleiche Jacke tragen dürfen.
Es gibt eine Dokumentation des Duells zwischen Ihnen und Tyler Andrews.
Die Filmcrew kam im Februar in die Schweiz, um einen Teil der Doku zu drehen. Tyler und ich haben den gleichen Ausrüster. Dieser hat nur eine Jacke. Und wir wollten sie beide in Gelb. Das geht für die Filmproduktion nicht. Gerade auf den Drohnenbildern könnte man uns nicht unterscheiden. Darum musste ich eine blaue Jacke bestellen. Aber mir wurde nochmals die gelbe geliefert. Ich hoffe, dass das Problem bald gelöst ist. Es müssen ja noch alle Sponsoren angebracht werden.
Wie ist das für Sie als Bergsteiger, dass man Ihnen die Kleiderwahl vorschreibt?
Das ist komplett neu für mich. Und gleichzeitig verstehe ich es. Die Filmprofis wollen alles perfekt machen. Aber ich bin Bergprofi und weiss, dass die Bedingungen am Berg schnell wechseln können. Möglicherweise muss ich eine weitere Schicht anziehen. Das wird die Filmproduktion akzeptieren müssen. Wir sind nicht auf einem Fussballfeld.
Andrews und Sie starten an verschiedenen Tagen. Warum?
Bei zwei Athleten am gleichen Tag wäre das Risiko viel zu gross: Der Athlet, der dem anderen hinterherläuft, könnte Fehler machen, die er nicht machen würde, wenn er alleine unterwegs ist. An einem anderen Berg wäre das denkbar, am Kilimandscharo oder so. Aber am Everest, mit den Gefahren im Khumbu-Gletscher und der Todeszone, da geht das einfach nicht.
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Wie kam es zum Duell zwischen Ihnen und Andrews?
Als die Zusammenarbeit mit der Filmproduktion zustande kam, wusste ich nicht, dass Tyler involviert sein würde. Ich wusste nur, dass ich einen Kontrahenten haben würde. Im Februar diskutierten wir Szenarien und Fragen: Was passiert, wenn einer nicht gehen kann? Wer startet zuerst?

Sie trafen Andrews im Februar, als ein erster Teil der Doku gedreht wurde. Welchen Eindruck hatten Sie von ihm, als Sie ihn am Berg in Aktion sahen?
Er kommt aus einer ganz anderen Welt als ich. Tyler ist Läufer, der das Bergsteigen erst kürzlich entdeckt hat. Ich bin das Gegenteil: Ich bin Bergsteiger, der den Leistungssport entdeckt hat. Ursprünglich wollten wir das Duell auf der Nordseite austragen, wo die Distanzen länger sind. Das wäre ein Vorteil für ihn gewesen.
Aber die Nordseite erlaubt keine Besteigungen ohne zusätzlichen Sauerstoff.
Darum haben wir auf die Südseite gewechselt. Hier ist die Distanz kürzer, der Aufstieg steiler und im Khumbu-Gletscher haben wir technische Passagen. Für Tyler ist der Gletscher ein Nachteil. Für mich als Bergführer ist er ein Vorteil, das ist mein Gelände.
Wo sehen Sie Andrews im Vorteil?
Zwischen Camp 1 (6060 m) und Camp 3 (7200 m) wird er sehr schnell sein. Da muss ich schauen, dass ich einigermassen mithalten kann.

Es werden mehr als ein Dutzend Kameraleute am Berg sein. Wie blenden Sie das aus und verhindern, dass durch die Produktion zusätzlicher Druck entsteht?
Der Rummel ist komplett neu für mich, an die Kamerateams werde ich mich gewöhnen müssen. Es gibt ein gewisses Risiko, dass man am Berg komplett kaputt ist, wegen der Kameras dann aber mehr gibt, als man hat.
Hilft die Arbeit mit Ihrem Psychologen dabei?
Mit ihm habe ich besprochen, dass ich alles ausblende, was nicht mit meinen Beinen zu tun hat.
Im Basecamp werden Sie mit Hunderten von Menschen zusammenleben. Wie wird das?
Ich gehe zuerst an den Mera Peak (6476 m hoher Berg in der Nähe des Everest, d. Red.), wo ich mich akklimatisieren werde. Dort lebe ich in einer Art Teehaus, einem bescheidenen Raum mit normalem Bett. Im Basislager des Everest werde ich dann in einem Zelt leben. In einem hohen, damit ich mich nicht immer bücken muss. Auch da werde ich ein richtiges Bett mit einer richtigen Matratze haben, so werde ich gute Nächte verbringen.
Sie sind mit der Agentur von Lukas Furtenbach unterwegs.
Genau, zusammen mit Nicolas Miranda (Egloffs Bergpartner, der ihn begleitet und für den Notfall Flaschensauerstoff mitführt, d. Red.). Lukas Furtenbach bietet eine super Küche mit eher westlichem Essen und Kaffee. Zudem gibt es Duschen. An jedem anderen Berg wäre das der totale Luxus, am Everest ist das inzwischen Standardprogramm. Auf Heli-Doping werde ich verzichten, die kurzen Flüge nach Kathmandu zur Erholung oder einem kurzen Nachtessen.
Andrews schliesst sich der Agentur Asian Trekking an. Warum?
Weil er ein Freund von Dawa Steven Sherpa ist, dem Chef von Asian Trekking. Er war mit ihm schon mehrmals unterwegs und wollte nichts Neues machen.
Sie werden mehrere Wochen im Basecamp sein. Abgesehen von den Trainingstouren, was werden Sie dort so lange machen?
Ich werde so viel Zeit haben, dass ich das Zuhause vermissen werde, die Frau und die Kinder. Wenn du nichts im Kopf hast, dann wird das noch schlimmer. Ich werde wohl die ganze Zeit Fotos von ihnen anschauen. Das macht dich kaputt. Darum werde ich versuchen, aktiv zu bleiben: ein bisschen rennen, Filme schauen, Karten spielen, Wäsche waschen, Tagebuch schreiben. Ich weiss nicht, wann ich das letzte Mal Tagebuch geschrieben habe.

Andrews wird vor Ihnen starten, zumindest ist das sein Plan. Wenn er vom Gipfel zurück ist: Was wollen Sie von seiner Tour wissen?
Alles. Wie hat er sich ernährt? Wo hat er Zeit verloren? Was hätte er besser machen können? Was kann ich daraus lernen?
Und welche Schuhe er trägt?
Das ist eine der wichtigsten Informationen für mich. Er möchte mit sehr leichten Schuhen hochgehen, mit solchen, die man für einen 4000er-Gipfel benutzt. Da bin ich skeptisch, weil ich selbst sehr konservativ unterwegs bin in Sachen Schuhe. Ich will nicht zu viel riskieren, nur um ein bisschen Zeit zu gewinnen.
Werden Sie unterwegs die Schuhe wechseln können?
Ja. Auf den Rotationstouren (Aufstieg zu höheren Camps und Abstieg zum Basecamp zwecks Akklimatisierung, d. Red.) werde ich Schuhe in den Camps platzieren. Mein Plan ist, in Camp 4, auf knapp 8000 Meter Höhe, eine Stunde Pause zu machen: ein bisschen schlafen, vielleicht etwas essen. Wenn ich dieses Essen verdauen kann, könnte das ein Gamechanger sein. In diesem Camp ist wohl auch der richtige Zeitpunkt, die Schuhe und die Socken zu wechseln. Danach beginnt die Todeszone, ab dann bist du wirklich schwach und der Körper braucht Zeit.
Sie bestehen darauf, dass Sie selbst und Andrews auf Doping getestet werden. Wie funktioniert das?
Es kommt ein dreiköpfiges Team ins Basislager für Blut- und Urinproben. Die Tests werden unmittelbar vor und unmittelbar nach der Besteigung gemacht. Diese Ethik ist mir sehr wichtig.
Ihr Vater hat Ihnen die Berge gezeigt. Wenn Sie damals gewusst hätten, dass Sie sich einmal am Everest ein Duell mit einem anderen Athleten liefern werden, was hätten Sie über sich selbst gedacht?
Ich hätte mich ausgelacht: Berge sind keine Wettkampfstätten. Mich beschäftigt, dass ein anderer Athlet gleichzeitig am Mount Everest ist. Ich muss das einfach vergessen.
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