Genfer Wirtschaftshilfe für PutinMitten im Krieg werden Schweizer Unternehmer nach Russland gelockt
Seine Lobbyarbeit für Russland lässt Guy Mettan wegen des Kriegs offiziell ruhen. Doch nun lädt der ehemalige Journalist Unternehmer zu einer Reise an ein Wirtschaftsforum ein.
Der Krieg gegen die Ukraine und die westlichen Sanktionen setzen der russischen Wirtschaft zu. Das Land braucht frisches Kapital und neue Arbeitsplätze – und kann dabei auf einen Mann in Genf zählen: Guy Mettan. Mettan ist ein ehemaliger Journalist und amtierender Kantonsrat. Vor allem aber präsidiert er die Union des Chambres de Commerce, eine schweizerisch-russische Wirtschaftskammer, die sich gemäss eigener Darstellung auch für Mitgliedsunternehmen in der Ukraine und weiteren ehemaligen Sowjetstaaten einsetzt.
Der parteilose Mettan war früher bei der CVP und kandidiert aktuell auf einer SVP-Liste für den Genfer Kantonsrat. Er schreibt unter anderem für die «Weltwoche» prorussische Texte.
«Das Seco hat Angst.»
Mitten im Krieg plant Mettan nun, mit einer Delegation von Schweizer Unternehmern nach Jekaterinburg zu reisen und an einem Wirtschaftsforum teilzunehmen. Seine gut gehüteten Reisepläne hat der Westschweizer Radiosender RTS letzte Woche publik gemacht. Mettan bestätigte auf Anfrage dieser Zeitung seine Absicht, betont aber: «Das Reiseprojekt ist noch nicht konkret, es handelt sich eher um eine Save-the-Date-Ankündigung.» Ansonsten pflegt Mettan bezüglich seiner Reisepläne einen diskreten Umgang.
Gemäss Mettan «haben zwei oder drei Unternehmer ihr Interesse bekundet». Früher sei er jeweils mit dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) ans noch grössere Wirtschaftsforum in St. Petersburg gereist, heute ist das Seco gemäss Mettan aber kein Partner mehr. «Das Seco hat Angst», bedauert Mettan und betont: «Für Schweizer Unternehmen ist es immer noch möglich und erlaubt, Geschäfte mit und in Russland zu machen. Es besteht jedoch das Risiko, dass die Presse dies skandalisiert und man boykottiert wird, auch als kleines Unternehmen.» Sowieso könne man sich «in den Schweizer Medien zu solchen Fragen nicht mehr frei äussern». Er sei letztes Jahr aber gleich zweimal in Russland gewesen, so Mettan, «im Juni und im Dezember, und die Stimmung dort ist sehr ordentlich», lautet seine Bilanz. Es gebe «eine kleine Rezession, die mit jener während der Covid-Pandemie jedoch nicht vergleichbar ist».
Weissrussland als Spezialgast
Der von Mettan womöglich anvisierte Anlass in Jekaterinburg ist das Wirtschaftsforum Innoprom. Der Anlass findet im Juli statt. Organisator ist das russische Ministerium für Handel und Industrie. Das Hauptthema des diesjährigen Forums: «Nachhaltige Produktion: Erneuerungsstrategien». Als Spezialgast ist Weissrussland angekündigt.
Dass Mettan nach Unternehmen sucht, die mit ihm nach Russland reisen, hat sich in Westschweizer Wirtschaftskreisen in der Zwischenzeit herumgesprochen. Aus der Genfer Handelskammer heisst es, natürlich seien für hiesige Unternehmen nicht alle Wirtschaftsaktivitäten in Russland sanktioniert, aber man sei bezüglich dieser Reise nur schon deshalb skeptisch, weil Schweizer Unternehmer von den russischen Behörden zu Propagandazwecken instrumentalisiert werden könnten – zum Beispiel in den Medien.
Mettans Reisepläne sind auf der Website seiner Wirtschaftskammer nirgendwo zu finden. Die letzten Einträge für Aktivitäten stammen aus dem Jahr 2020. Stattdessen heisst es da: «Aufgrund der Umstände und im Einklang mit den Statuten der Vereinigung, die unpolitisch und neutral ist, hat der Verbandsvorstand den Beschluss gefasst, seine Aktivitäten in der Ukraine und in Russland bis auf weiteres auszusetzen.»
Russland-Seminare für Firmen
Im Hintergrund bewarb Mettan offenbar auch ein Online-Beratungsseminar zu Russland, das diese Woche stattfinden soll und von Switzerland Global Enterprise (SGE) durchgeführt wird. SGE ist die offizielle Organisation für Exportförderung und Standortpromotion des Bundes. Die Organisation wird vom Seco finanziert, ist in der ganzen Schweiz und in 31 Ländern präsent und betreibt auch in Moskau ein Büro. Das Moskauer Büro ist der Schweizer Botschaft angegliedert. Es ist nach wie vor in Betrieb, hat seinen Personalbestand aber auf ein Minimum reduziert.
Die SGE macht ihre Veranstaltungen in der Regel öffentlich. Das Onlineseminar zu Russland ist hingegen unauffindbar. SGE-Sprecherin Christine Moser sagt: «Wir haben nur Unternehmen zum Seminar eingeladen, die heute schon in Russland tätig sind.» Seit Ausbruch des Krieges habe man bereits drei Seminare durchgeführt und jeweils 50 bis 100 Zuschaltungen registriert, so die SGE-Sprecherin. Es gehe darum, Schweizer Firmen, die nach Russland exportieren oder dort produzieren, bezüglich der Einhaltung der Sanktionen und in logistischen Fragen zu beraten. Es gehe nicht darum, neue Firmen über Russland zu informieren, so Moser. Sowieso hätten sich einige zurückgezogen oder Aktivitäten eingefroren, andere versuchten sich ausserhalb Russlands neu zu orientieren. Sylvain Jaccard, Leiter des SGE-Büros in Lausanne, sagt: «Vor allem für KMU ist es aktuell schwierig, sich juristisch zu orientieren, was in den Geschäftstätigkeiten mit Russland noch erlaubt und was verboten ist.» Mit Mettan kooperiert die SGE aber nicht. «Was er in Russland tut, liegt nicht in der Verantwortung der SGE», sagt Sylvain Jaccard.
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