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G20-Gipfel in Indonesien
Chinesische Kurskorrektur? Geplante G20-Erklärung mit Kriegskritik

Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping bei G20 Gipfel in Bali. (15. November 2022) 
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Russland gerät knapp neun Monate nach Beginn seines Kriegs gegen die Ukraine auch in der G20-Runde führender Wirtschaftsmächte unter Druck. Beim Gipfel auf der indonesischen Insel Bali verzichteten bisherige Unterstützer wie China und Indien darauf, eine gemeinsame Abschlusserklärung zu blockieren.

In dem am Dienstag praktisch fertig ausgehandelten Papier heisst es: «Die meisten Mitglieder verurteilten den Krieg in der Ukraine aufs Schärfste.»

Auch Moskau will die Erklärung mittragen – weil darin ausdrücklich betont wird, dass nicht alle G20-Länder die Verurteilung teilen. Das Papier soll an diesem Mittwoch zum Abschluss des Gipfel von den 20 Delegationen verabschiedet werden.

Bisher hat Chinas Staatschef Xi Jinping den russischen Präsidenten Wladimir Putin nahezu uneingeschränkt unterstützt. Der Kremlchef liess sich auf dem Gipfel von Aussenminister Sergej Lawrow vertreten. Dieser blieb auch während einer Videobotschaft des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski im Saal.

«Es gab andere Auffassungen und unterschiedliche Bewertungen der Lage»

Konkret wird im Entwurf der Abschlusserklärung aus einer Resolution der Vereinten Nationen zitiert. Damit wird Russland aufgefordert, die Kriegshandlungen einzustellen und seine Truppen sofort aus der Ukraine abzuziehen.

Auf Russlands Position wird vor allem mit dem Satz eingegangen: «Es gab andere Auffassungen und unterschiedliche Bewertungen der Lage.» Russland akzeptiert demnach auch, dass der russische Angriff als Krieg bezeichnet wird und nicht – wie von Putin vorgegeben – als «militärische Spezialoperation».

Lawrow bestätigte, dass die Arbeit praktisch abgeschlossen sei. «Unsere westlichen Kollegen haben auf jede erdenkliche Weise versucht, diese Erklärung zu politisieren, und sie haben versucht, Formulierungen reinzuschmuggeln, die eine Verurteilung der Handlungen der Russischen Föderation im Namen der ganzen G20 implizieren würden, einschliesslich uns selbst», sagte er nach Angaben der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass. Der Entwurf enthalte nun sowohl die westliche als auch die russische Sichtweise auf den Krieg in der Ukraine.

Zudem steht in dem Entwurf, dass der Krieg nach Auffassung der meisten G20-Mitglieder die Probleme der Weltwirtschaft verstärkt und zum Beispiel das Wachstum schwächt und die Inflation steigen lässt. Wer die meisten G20-Mitglieder sind, wurde nicht aufgelistet.

Deutliche Worte zu atomaren Drohungen

Russland stimmt auch zu, dass in der Abschlusserklärung nicht nur der Einsatz von Atomwaffen, sondern auch die Drohung damit als unzulässig bezeichnet wird. Zuletzt hatte die völkerrechtswidrige Annexion von vier besetzten ukrainischen Gebieten Sorgen vor einem russischen Atomwaffeneinsatz geschürt. Militärisch war Russland zuletzt immer stärker unter Druck geraten – Putin musste etwa mehrere wichtige besetzte Städte räumen.

Chinas Staatschef: Kooperation statt Konfrontation

Xi Jinping rief die G20 in der Auftaktsitzung zur Einigkeit auf. Konfrontation solle durch Kooperation ersetzt werden. Die Weltwirtschaft werde angesichts etwa der Corona-Pandemie anfälliger. Das geopolitische Umfeld bleibe angespannt. Die Krisen von Ernährung und Energie verstärkten sich gegenseitig.

Der chinesische Staatschef hatte sich am Montag vor Beginn des G20-Gipfels auf Bali rund drei Stunden lang intensiv mit US-Präsident Joe Biden ausgetauscht. Es war das erste persönliche Gespräch seit Bidens Einzug ins Weisse Haus vor rund zwei Jahren. Zuletzt waren die Beziehungen als eisig beschrieben worden.

Peking verfolgt zwar eine harte Linie, versucht aber trotzdem, die Beziehungen zu den USA und der EU zu verbessern, um die eigene Entwicklung voranzubringen.

Selenski spricht über Plan für Kriegsende

Der ukrainische Präsident betonte in seiner Videoansprache an die G20, für ein mögliches Ende des Krieges seien ein Abzug der russischen Truppen und eine Wiederherstellung der territorialen Unversehrtheit seines Landes nötig. Für die Ukraine seien «effektive Sicherheitsgarantien» notwendig, sagte er laut Manuskript.

Selenski forderte auch eine Verlängerung des unter Vermittlung der Türkei und der UN geschlossenen Abkommens über den Export von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer. Die G20 unterstützten die Forderung im Entwurf ihrer Abschlusserklärung.

Nichts Neues beim Thema Energie

Keine grossen Erfolge konnte der Westen hingegen in Fragen der Energiesicherheit erzielen, die vor allem in Europa durch die drastisch gesunkenen Lieferungen von Öl und Gas aus Russland gefährdet ist.

In dem Entwurf für die Abschlusserklärung betonen die G20-Mitglieder lediglich, dass dringend etwas getan werden müsse, um mehr Stabilität auf dem Energiemarkt zu erreichen. Die Energiewende solle sauber und nachhaltig gestaltet werden.

Die Zentralbanken sollen sich stark für finanzielle Stabilität und die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen einsetzen. Die Inflation in vielen Mitgliedsstaaten wie beispielsweise in den USA werde genau beobachtet – und die Geldpolitik weiterhin angemessen angepasst, heisst es in dem Entwurf.

Die G20 fordern weitere internationale Zusagen zur finanziellen Unterstützung von Entwicklungs- und Schwellenländern über sogenannte Sonderziehungsrechte. Das Sonderziehungsrecht ist ein vom Internationalen Währungsfonds eingeführtes Reserveguthaben, das allen Mitgliedstaaten zusätzlichen finanziellen Spielraum verschafft. Grosse IWF-Mitglieder können ihr Ziehungsrecht an ärmere Staaten abtreten. Ziel seien 100 Milliarden US-Dollar an freiwilligen Beiträgen für notleidende Staaten.

Gipfelgastgeber Widodo warnt vor Spaltung der Welt

Zu Beginn des G20-Gipfels der führenden Industrie- und Schwellenländer warnte der indonesische Präsident Joko Widodo als Gastgeber vor einer neuen Spaltung der Welt. «Wir dürfen nicht zulassen, dass wir in einen neuen Kalten Krieg geraten.» Er appellierte an die Teilnehmer: «Wir sollten die Welt nicht in zwei Teile trennen.»

Mit Blick auf Russlands Krieg gegen die Ukraine fügte Widodo hinzu: «Wir müssen den Krieg beenden. Wenn der Krieg nicht zu Ende geht, wird es schwierig, unserer Verantwortung für künftige Generationen gerecht zu werden.»

Beim zweitägigen G20-Gipfel sind neben der EU die Länder Deutschland, Argentinien, Australien, Brasilien, China, Frankreich, Grossbritannien, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kanada, Mexiko, Russland, Saudi-Arabien, Südafrika, Südkorea, Türkei und die USA vertreten.

Indien wird am 1. Dezember die G20-Präsidentschaft von Indonesien übernehmen.

SDA/chk