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AboFit und munter
«Mit Kältereizen kann man Kalorien verbrennen»

Alexander Bartelt ist kein grosser Fan von Eisschwimmen. Es sei mit Risiken behaftet, den Körper plötzlich so stark abzukühlen.

Dieser Artikel erschien erstmals am 25. Januar 2022. Für die Feiertage ergänzen wir unser Angebot für Sie und wünschen Ihnen eine gute Lektüre.

Im menschlichen Körper gibt es ein Organ, das vielen unbekannt sein dürfte: Das braune Fettgewebe hilft, die Körpertemperatur zu regulieren. Alexander Bartelt erforscht die Grundlagen von Fettleibigkeit, Diabetes und Gefässerkrankungen. Im Gespräch mit dieser Zeitung erklärt er, wie der Körper bei Kälte Energie verbraucht, und gibt Tipps fürs Eisschwimmen.

Herr Bartelt, warum nimmt die Körpertemperatur der Menschen seit Jahrzehnten ab?

Aus Forschungsarbeiten des 19. Jahrhunderts wissen wir tatsächlich, dass die Durchschnittstemperatur bei US-Amerikanern vor 150 Jahren um die 37 Grad Celsius gelegen hat – und heute beträgt sie 36,6 Grad. Wir werden sozusagen immer cooler. Das liegt wahrscheinlich daran, dass wir heute weniger mit chronischen Infektionskrankheiten wie Tuberkulose zu kämpfen haben – und mit geringeren Schwankungen in unserer Umgebungstemperatur durch höheren Wohnkomfort.

Wie beeinflussen Kleidung und Heizung unsere Körpertemperatur?

Wir sind heute so gut ausgestattet mit Daunenjacken und Zentralheizung, dass unsere Körper keine Notwendigkeit haben, extra Wärme zu produzieren. Eigentlich haben wir dafür ein eigenes Organ, das braune Fettgewebe. Aber für die meisten Menschen ist dieses heute irrelevant, wird nicht benutzt und verkümmert.

Wo findet sich dieses Gewebe?

Babys haben am Rücken und zwischen den Schulterblättern relativ viel braunes Fett. Lange war die Lehrmeinung, dass dieses Gewebe bei Erwachsenen dann verschwindet. Aber 2002 wies man es durch Zufall erstmals mittels radiologischer Verfahren unter den Schlüsselbeinen und im Halsbereich von Versuchspersonen nach.

Wie funktioniert es?

Im braunen Fett sind ausserordentlich viele Mitochondrien, die Eisen enthalten und den Zellen ihre dunklere Farbe verleihen. Die Mitochondrien bauen Zucker und Fett ab und stellen daraus normalerweise das Energiespeichermolekül ATP her. Braune Fettzellen haben aber einen molekularen Trick, wodurch sie Fette und Zucker einfach direkt in Wärme umwandeln. Wenn Rezeptoren auf der Haut einen Kältereiz melden, dann wirft das Gehirn diese Wärmeproduktion an.

Ist es denkbar, dass Übergewicht manche Menschen so gut isoliert, dass diese gar keine Wärmeproduktion durch das braune Fett mehr brauchen?

Je übergewichtiger ein Mensch ist, desto weniger braunes Fett können wir nachweisen. Aber werden die Leute übergewichtig, weil sie ihr braunes Fett nicht nutzen, oder sind sie durch ihr normales, weisses Fettgewebe tatsächlich so gut isoliert, dass sie es nicht brauchen? Wahrscheinlich liegt die Wahrheit in der Mitte. Man kann jedenfalls bei Übergewichtigen das braune Fettgewebe trainieren, indem man sie über vier Wochen immer wieder Kälte aussetzt.

Das klingt fies.

Die Teilnahme an den Studien war selbstverständlich freiwillig. Anfangs liess man die Probanden für zwei Stunden in einem 16 Grad kalten Raum warten, oder sie sollten einen Fuss ins kalte Wasser stellen. Heute benutzen Forscher Kälteanzüge, durch die Wasser geleitet wird. Egal mit welcher Methode: Die Kollegen haben immer wieder nachgewiesen, dass sich das braune Fettgewebe durch Kälte aktivieren lässt.

Dann müsste der Trend zum Eisschwimmen, den man in den letzten Wintern beobachten konnte, in Ihrem Sinne sein?

Davon bin ich kein grosser Fan, weil es durchaus mit Risiken behaftet ist, den Körper plötzlich so stark abzukühlen. Das ist eine grosse Belastung, alle Blutgefässe in den Armen und den Beinen ziehen sich zusammen, um die Durchblutung und damit den Wärmeverlust zu reduzieren. Das kann für Menschen, die kein besonders gut trainiertes Herz haben, zum Herz-Kreislauf-Kollaps führen. Auf keinen Fall sollte man ins Eiswasser springen, sondern zuerst den Fuss hineinhalten – und vielleicht reicht es einem ja dann schon.

Kann man abnehmen, wenn man sich eine möglichst kalte Umgebung schafft?

Ja, mit einem thermogenen Lebensstil kann man Kalorien verbrennen. Ich lüfte zum Beispiel oft, und das Thermostat meiner Heizung ist auf 18 Grad eingestellt. Auch im Winter trage ich meistens keine Jacke, sondern nur eine Weste, sodass meine Arme der Aussentemperatur ausgesetzt sind. Es geht darum, kleine Kältereize in den Alltag einzubauen, um das braune Fett kontinuierlich zu stimulieren.

«Für die Aktivierung der braunen Fettzellen müssen wir nicht frieren, sondern nur Kälte empfinden.»

Wer will ständig frieren?

Frieren bedeutet, dass der Körper mit der Wärmeproduktion in Rückstand ist. Dabei zittert man – die Muskeln ziehen sich zusammen, um Wärme zu erzeugen. Das geht zu weit. Für die Aktivierung der braunen Fettzellen müssen wir nicht frieren, sondern nur Kälte empfinden. Und das ist genau das, was wir beim thermogenen Lebensstil erreichen wollen.

Die meisten Menschen finden es ziemlich ungemütlich, wenn sie sich in die Kälte begeben müssen.

Man muss sich ja nicht ins Eisfach setzen, sondern nur machen, was akzeptabel ist. Die meisten haben eine Wohlfühlzone. Aber man kann sich in gewissem Masse umstellen. Es ist auch möglich, gezielt Reize zu setzen, wie es schon lange etwa in Kneippkuren gemacht wird – also durch kaltes Wasser waten, kalt duschen, kalte Bäder.

Gibt es keine andere Möglichkeit, das braune Fett zu aktivieren, als über Kälte?

Doch, es gibt in der Nahrung viele Substanzen, die das braune Fettgewebe aktivieren. Das sind sekundäre Pflanzenstoffe, vor allem die scharfen Gewürze. Wenn einem heiss wird bei scharfem Essen und einem der Schweiss die Stirn herunterläuft, dann hat das unter anderem damit zu tun, dass das braune Fett aktiviert wird.

Wie man es auch dreht und wendet – um das braune Fett zu aktivieren, muss es wehtun?

Nein, man muss nicht das extrascharfe Thai-Curry bestellen. Es gibt tatsächlich Substanzen, die das braune Fett aktivieren und dabei nicht scharf schmecken, enthalten zum Beispiel in grünem Tee und Kaffee. Und mittlerweile gibt es sogar geschmacksneutrale Nahrungsergänzungsmittel, die man als Pille schlucken kann, ganz ohne Kälte, Schmerz und Schärfe. Empfehlen kann ich das aber nicht, denn diesbezüglich fehlt es noch an Forschungsdaten. Der beste und natürliche Reiz ist immer noch die Kälte, und das ist wissenschaftlich erwiesen.

Kann man abnehmen, indem man das braune Fett aktiviert?

Für die Umgebungstemperatur ist das untersucht – mit jedem Grad, mit dem diese fällt, steigt der Energieumsatz in den braunen Fettzellen. Beim Menschen kann so der Grundumsatz um bis zu 200 Kalorien pro Tag ansteigen. Allein mit dem thermogenen Lebensstil kann man nicht nennenswert abnehmen, vor allem nicht, wenn man krankhaft übergewichtig ist – das braune Fett aktiv zu halten, kann aber dazu beitragen, das Körpergewicht zu stabilisieren.

Ist es denkbar, nicht bloss die kleinen Polster braunen Fetts zu aktivieren, sondern gleich das oftmals stark vertretene normale, weisse Fett in braunes umzuwandeln?

Bei Tieren, die viel grössere Kälte aushalten als wir, Nagetieren etwa, ist das ein ganz einfacher Prozess. Bei ihnen ist das weisse Fett total flexibel, es kann sich schnell in braunes Fett verwandeln, sobald die Umgebung kalt ist. Diese Fähigkeit haben Menschen nicht. Wenn wir verstehen würden, welche molekularen Signale hinter der Verwandlung von weissem in braunes Fett stehen, könnten wir Übergewichtigen vielleicht auf diese Weise beim Abnehmen helfen.

«Die grösste Stellschraube ist das Essen. Man muss weniger Kalorien zu sich nehmen, als man verbraucht.»

Bis es so weit ist – wie nimmt man am besten ab?

Die grösste Stellschraube ist das Essen. Man muss weniger Kalorien zu sich nehmen, als man verbraucht. Natürlich hilft da also die radikale Fastenkur – aber leider eben nur kurzfristig. Kein Mensch will dauerhaft hungern. Deshalb muss man die Diät so wählen, dass sie mit dem Alltag vereinbar ist.

Was ist aus Sicht das Fett-Forschers vom Low-Carb-Trend zu halten?

Bei dieser Diät wird die Menge an Kohlenhydraten verringert, und wenn welche verwendet werden, dann nur solche, die zu einer langsamen Freisetzung von Zucker aus der Nahrung ins Blut führen. Dadurch wird der Stoffwechsel insgesamt entlastet. Das erreichen Sie auf jeden Fall, auch ohne dass Sie unbedingt Gewicht dabei verlieren.

Also ist die klassische kalorienreduzierte Mischkostdiät à la «Brigitte» doch am besten?

Solche Diäten sind sehr empfehlenswert, da sie mit ihren Kochrezepten für eine ausgewogene Ernährung sorgen. Aber der dazu notwendige Zeitaufwand kann in unserer modernen Berufswelt heutzutage viele Abnehmwillige abschrecken.

Was halten Sie vom Intervallfasten?

Ich habe seit fast 16 Stunden nichts gegessen, und wenn ich heute Morgen gefrühstückt hätte, dann hätte ich jetzt genauso viel Hunger. Für mich selbst habe ich herausgefunden, dass mir Intervallfasten hilft, mein Gewicht zu halten, ohne besonders auf Kalorien zu achten. Ich lasse einfach eine ganze Mahlzeit aus. Aber das ist sehr individuell. Man muss durch Ausprobieren herausfinden, ob der zeitweise Verzicht auf Nahrung einem guttut.

Für alle, denen Fasten und Diäten zu anstrengend sind: Wie kann man sich trotzdem so ernähren, dass man nicht ständig zunimmt?

Gesättigte Fette und einfache Zucker sollte man möglichst meiden. Stattdessen Nahrung zu sich nehmen, die viel Ballaststoffe und schwer verdauliche Kohlenhydrate enthält – also etwa Vollkornbrot, Salat, Gemüse. Man sollte sich aber vor allen Dingen nicht verrückt machen hinsichtlich des Körpergewichts. Bis zu einem Bodymassindex von 25 besteht kein Grund zur Besorgnis, es sei denn der Blutdruck oder Blutfettwerte sind erhöht. Wenn das nicht der Fall ist, kann man auch mal ein deftiges Essen geniessen, ohne danach Gewissensbisse zu haben.