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Schienenkreuzfahrt durch den Balkan
Mit dem Zug von Montenegro nach Slowenien 

Schwindel­erregend: Zwischen Monte­negros Hauptstadt Podgorica und ­der serbischen Grenze fährt der Zug über den ­höchsten Bahn­viadukt ­Europas, den 200 Meter ­hohen Mala-Rijeka-Viadukt.
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Dieser Artikel stammt aus der Schweizer Familie

Die kleine, froschgrüne Rangierlokomotive pfeift wie eine grosse. Stolz manövriert sie drei uralte Passagierwagen vor den Bahnhof des Städtchens Bar im südlichen Montenegro und stottert davon. Damit hat sie ihr heutiges Tagwerk erledigt; die Eisenbahnwaggons warten nun geduldig auf Passagiere und vor allem auf eine grössere Lokomotive, die sie in die Hauptstadt Podgorica bringen soll.

Bar ist zwar nicht gerade am Ende der Welt, liegt aber immerhin am Schluss der Eisenbahnlinie, die den kleinen Balkanstaat durchzieht. Hier kommen genau zehn Züge täglich an und werden neu zusammengesetzt wie gerade jetzt.

Nostalgie muss sein: Zwar ist das Roll­material der Bahngesell­schaften in den Balkanländern nicht das modernste, doch genau das macht seinen Charme aus.

Bar ist unser Ausgangspunkt für eine Bahnreise quer durch den Balkan. Sie führt den Fotografen Jorma Müller und mich von der nahen albanischen Grenze bis nach Ljubljana in Slowenien mit einem Abstecher nach Dubrovnik. Der öffentliche Verkehr ist in dieser Gegend nicht auf die bei uns angestrebte Pünktlichkeit ausgerichtet. Das gibt uns Zeit, bei der Wirtin Jagoda Janković, 40, vorbeizuschauen. Sie führt die kleine Bar im Bahnhof und sagt von sich: «Ich kenne alle.» Sie meint damit die Eisenbähnler und die einheimischen Passagiere, denn Touristen ver­irren sich selten hierher.

Diese Reise ist ein Angebot der Schweizer Familie, mehr Infos finden Sie hier.

Janković köchelt uns auf einem Gaskocher eine Tasse von ihrem pechschwarzen Kaffee, wie er im südlichen Balkan verbreitet ist. Das Pulver geht gleich mit in die Tasse, und es empfiehlt sich, das Gebräu in Schlückchen zu geniessen. Auch wenn wenig los ist, hat es die Barfrau verstanden, ihr Lokal zu einem kleinen Gourmettempel auszubauen. Nebst Süssigkeiten stehen auch Gulasch mit Bohnen oder Ćevapčići-Würstchen im Angebot, die uns auf dieser Reise wie alte Bekannte immer wieder begrüssen werden.

Sie kennt ihre Gäste: Jagoda Janković am Gas­kocher ihrer kleinen Bahnhofsbar. Längst weiss sie, welcher Bähnler seinen Kaffee wie am liebsten mag.

Etwas später auf dem Perron heisst uns ein Mann mit knallroter Mütze und Kelle in der Hand freundlich einsteigen; wir betreten ein Zugabteil mit leicht abgewetzten Sitzen. Dann ein kurzer Ruck, und die Fahrt geht los in Richtung des Skutarisees, der Montenegro von Albanien trennt.

Der Reiz des Kargen: Eine Landschaft wie in einem Traum: Der Skutarisee, der grösste See der Balkanhalbinsel.

Eine üppig grüne, mediterrane Landschaft mit Palmen und Olivenbäumen zieht vorbei. Nach und nach setzen Feuchtgebiete mit Buchsbäumen und Zypressen ein, die wie Wegweiser in der Landschaft stehen. Der Zug bewegt sich langsam auf einen Damm zu – ein erster Höhepunkt dieser Reise. Denn man wähnt sich wie auf einem Schiff, wenn der Zug über den Skutarisee «schwebt», bis er am anderen Ufer wieder sicheres Gelände erreicht und schliesslich die Hauptstadt Podgorica.

Als wäre nie Krieg gewesen

Von Podgorica lockt ein Ausflug mit dem Auto an die Adria, nach Dubrovnik, die südlichste kroatische Stadt mit ihrer mächtigen Festung. Diese hielt während Jahrhunderten unerwünschte Gäste fern, wie etwa die Ottomanen, die den Einheimischen das Leben schwer machten. Wer die Stadt aus dem 17. Jahrhundert heute durch das grosse Tor mit dem klangvollen Namen Vrata od Pila betritt, glaubt sich anfangs in einem Museum, so original­getreu ist die zum Unesco-Weltkulturerbe gehörende Altstadt nach den Granaten­angriffen im Jugoslawienkrieg 1991 wiederaufgebaut worden. Der Rundgang auf der Wehrmauer mit Aussicht übers Meer verstärkt diesen Eindruck zusätzlich.

Magnet für Touristen: Die Adria-Perle Dubrovnik ­erstrahlt heute ­wieder in alter ­Frische. ­Tagsüber wird das Zentrum der Altstadt von Touristen geradezu ­überrannt.
Romantik pur: In den Dubrovniker Seitengässlein kann man dem Touristenrummel der Hauptstrasse entfliehen.

Die Hauptstrasse in Dubrovnik ist so belebt, dass es sich empfiehlt, die verwinkelten Nebengassen zu erkunden. Im ersten Haus an der schmalen Zlatarska ulica stossen wir auf das Atelier des Künstlers und Musikers Igor Hajdarhodzić, 62, mit seinen schier unzähligen Modellbooten auf den Gestellen. Der Mann hat sich dem Miniatur-Schiffbau verschrieben, allerdings auf eine spezielle Art: Er sammelt auf Flohmärkten sowie bei Sinti und Roma alte Musikinstrumente, um damit seine Kähne zu konstruieren.

Schiffchen ahoi! Igor Hajdarhodzić in seinem ­Atelier, wo aus alten Musik­instrumenten Modellboote werden.

So bestaune ich einen Kutter aus Teilen einer Blockflöte, dem Korpus eines Cellos und einer Trompete, die den Kamin des Dampfers bildet: «Ich verbinde die Seefahrt mit der Musik», sagt Hajdarhodzić und markiert mit stolzer Haltung den Kapitän in seinem Atelier.

Bahnhöfe im Niemandsland

Nach unserem Streifzug durch Dubrovnik fahren wir wieder zurück nach Podgorica und nehmen dort den Zug Richtung Norden ins Städtchen Bijelo Polje nahe der serbischen Grenze. Die Fahrt führt durch eine zerklüftete Berglandschaft mit Büschen und kargen Bäumen an steilen Hängen. Wie auf alpinen Routen geht es unaufhaltsam aufwärts. Hoch oben über einem Tal zieht der Zug schliesslich an den Felsen entlang, während die Sonne die Szenerie zum Leuchten bringt.

Der Zug hält abrupt. Ein Blick aus dem Fenster zeigt ein kleines Bahnhofsgebäude im Niemandsland, keine Spur von einer Ortschaft weit und breit. Mit solchen Kürzestaufenthalten gondeln wir weiter nach Bioče, Bratonožići, Lutovo. Jeder Dorf­name so fremdländisch wie der nächste. Der Zug schlängelt sich durch grüne Landschaften, bis er durch einen Tunnel rattert und über die höchste Eisenbahnbrücke Europas: den fast 200 Meter hohen Mala-Rijeka-Viadukt mit seinen vier Pfeilern. Sensible Gemüter blicken beim Überqueren des Tales besser nicht in die Tiefe; der Blick in die Weite ist spektakulär genug.

Wir erreichen Bijelo Polje, passieren kurz darauf die Grenze, um in die serbische Hauptstadt Belgrad zu gelangen, die grösste Metropole des Balkans. In der Einkaufsstrasse Knez Mihailova herrscht reger Betrieb; ein Boulevardcafé ums ­andere ist proppenvoll, als wäre das Kaffeetrinken wichtigster Daseinszweck. Wir überqueren eine Strasse, als plötzlich Heimatgefühle aufkommen: Ein grünes Basler «Drämmli» rattert vorbei, das zu ­Hause ausrangiert wurde. Für mich als Basler eine grossartige Begegnung.

Bald erreichen wir den Park der Festungsanlage Kalemegdan, die seinerzeit gegen die unerwünschten Besuche der Türken gebaut wurde. Heute spazieren junge Eltern mit Kinderwagen und ältere Paare an Stöcken durch die weitverzweigte Grünanlage mit Linden und Eichen.

Belgrader Weitblick: ­Die Plattform der ­Festung ­Kalemegdan mit Blick auf Donau und Save.

Eine grosszügig angelegte Aussichtsterrasse bietet einen fantastischen Blick über den Zusammenfluss der Save und der Donau, der beiden wichtigsten Flüsse auf dem Balkan. Einmal vor Ort, versteht man sofort, weshalb die alten Belgrader ihre Festung genau hier bauten: Denn Soldaten, die sie stürmen wollten, mussten in ihren Rüstungen zuerst ein Flussbad nehmen. Ein lebensgefährliches Unterfangen.

Eine weitere Sehenswürdigkeit in Belgrad ist die serbisch-orthodoxe Kathe­drale des Heiligen Erzengels Michael aus dem 19. Jahrhundert. Weihrauch liegt in der Luft, als wir das Gotteshaus betreten und die in Gold gefassten Ikonen von Heiligen bewundern – von Johannes dem Täufer bis zum heiligen Nikolaus.

Schlange ­stehen vor der auf einem Stehpult ­präsentierten Ikone: Gläubige in der ­goldstrahlenden ­serbisch-orthodoxen Michaelskathedrale in Belgrad.

Höhepunkte der Balkanküche

Zurück am Bahnhof, geht unsere Reise weiter nach Zagreb, der Hauptstadt des benachbarten Kroatiens. In einem modernen Wagen fahren wir durch eine weite Ebene. Kleine Dörfer mit Einfamilien­häusern im Bungalowstil und Gärten mit Obstbäumen ziehen vorbei, bis wir nach knapp sieben Stunden Zagreb erreichen.

Der Bahnhof ist gut 125 Jahre alt, ein verspieltes architektonisches Bijou aus der Zeit, als die Stadt noch zum Reich von Franz Joseph I. und seiner Gemahlin Sisi gehörte. Die Menschen hatten damals Sinn fürs Grosszügige, wie der hufeisenförmige Park belegt, der den Bahnhof mit der Stadt verbindet. Wir schlendern zum zentralen Ban-Jelačić-Platz und von dort hinauf in die Altstadt. Sie wirkt bescheiden, auch heimelig, als wäre den Bauherren im 19. Jahrhundert die Vergänglichkeit ihrer Architektur bewusst gewesen. Zu Recht, denn Zagreb wurde immer wieder von Erdbeben heimgesucht, was sich in diesen einfachen, dafür umso stabileren Bauten niedergeschlagen hat.

Stadtoase: Unter Platanen im Park beim Bahnhof Zagreb ist gut flanieren.

Wer Zagreb besucht, darf den täg­lichen Markt am Rand der Altstadt nicht verpassen. Nebst frischem Gemüse und Früchten gibt es viel Eingemachtes wie Ajvar, eine Mischung aus Paprika und Auberginen, die auf dem Balkan weitverbreitet ist – und perfekt zu den allgegenwärtigen Ćevapčići passt.

Wie anspruchsvoll die einheimische Küche sein kann, zeigt sich auf der letzten Station unserer Reise in Ljubljana. Wir besuchen eines der angesagten Lokale in der Hauptstadt Sloweniens, das «Julija». Das Wirtepaar Vito Korošec und Irena Prebil schlägt in seinem Restaurant eine kulinarische Brücke: «Wir vereinen in unserer Küche den Balkan, Österreich und Italien», sagt Vito. Und empfiehlt uns an diesem Tag die slowenischen Idrija-Ravioli mit Speck und Steinpilzen an einer hausgemachten Weinsauce oder die Štruklji, Strudel mit lokalem Frischkäse.

Einfach mmmh … Im Restaurant Julija in Ljubljana besonders ­beliebt: Die feine Rotweinsauce.

Bei einem Glas blaufränkischem Šturm-Rotwein lassen wir die Reise in Gedanken Revue passieren, bevor wir auf unserem Abendspaziergang durch Ljubljana ein letztes Mal zum Fluss Save gelangen – unserem treuen Reisebegleiter durch den Balkan in der Eisenbahn.

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