Mexiko klagt gegen US-WaffenherstellerMit dem Barrett-Gewehr werden sogar Helikopter abgeschossen
Ob mit goldenen Pistolen, AK-47 oder Scharfschützengewehren: Im mexikanischen Drogenkrieg wird US-Gerät eingesetzt. Jetzt sollen die Hersteller drankommen.
Killer des Kartells Jalisco New Generation, die grösste Drogenbande Mexikos, planten 2020 einen Anschlag auf den Polizeichef der Hauptstadt Mexiko-Stadt. Am 26. Juni fuhren sie vor dem exklusiven Wohnsitz des Opfers vor. Bei sich hatten sie drei Barrett-Scharfschützengewehre, eine Pistole und drei automatische Maschinengewehre von Smith & Wesson, Ruger und Colt.
Das brutale Attentat kostete zwei Polizisten und einen Zivilisten das Leben, der Polizeichef wurde schwer verwundet. Einmal mehr hatte das Kartell, das ein Drittel des Drogenexports in die USA kontrolliert, seine Waffengewalt bewiesen; und einmal mehr stammten die Schusswaffen, die beim Überfall eingesetzt wurden, von Herstellern in den USA.
Drogenbosse lieben die goldbeschichtete Pistole von Colt
Die mexikanische Regierung schätzt die wirtschaftlichen Schäden des Drogenkriegs auf zehn Milliarden Dollar, und sie will nun zum ersten Mal die US-Waffenhersteller zur Verantwortung ziehen.
Ihre im Bundesstaat Massachusetts eingereichte Klage erhebt schwere Vorwürfe. Firmen wie Smith & Wesson, Ruger und Colt wüssten sehr wohl, dass ihre Waffen nach Mexiko geschmuggelt würden, heisst es in der Klage.
Entgegen den Behauptungen der Hersteller würden keine strikten Kontrollen und Prüfungen beim Verkauf der Waffen durchgeführt. «Die US-Hersteller vermarkten, verteilen und verkaufen Waffen gezielt so, dass sie bei den Drogenkartellen in Mexiko landen», klagt die mexikanische Regierung.
Als Beispiel nennt sie das Design einer goldbeschichteten Pistole von Colt, die mit der Aufschrift «Emiliano Zapato 1911» und dessen Ausspruch «Es ist besser, stehend zu sterben als kniend» versehen ist. Drogenbosse lieben gemäss mexikanischen Medien die Waffe, mit der 2017 die investigative Reporterin Miroslava Breach ermordet wurde.
Auch Kriegswaffen wie die AK-47 auf dem Markt
Die Waffenhersteller weisen jede Schuld von sich und schieben ein Gesetz vor, mit dem der Kongress sie 2005 praktisch kugelsicher vor zivilrechtlichen Klagen geschützt hat. Dieses Gesetz ist allerdings aus mexikanischer Sicht nicht anwendbar, weil das Bundesgericht Haftungsklagen aus dem Ausland ausdrücklich zugelassen habe.
Die Klageschrift zitiert Dutzende von Medienberichten, Untersuchungen und offiziellen Dokumenten, die den Tatbestand des von den USA tolerierten Waffenschmuggels belegen.
Bekannt ist auch, dass ein grosser Teil der in den Grenzstaaten Texas, Arizona und New Mexico erworbenen Waffen in den Händen der Kartelle landen – besonders Kriegswaffen wie die AK-47 und das grosse Kaliber-50-Gewehr von Barrett, mit dem immer wieder auch Helikopter von Armee und Polizei abgeschossen werden.
Die Klage ist ein neuartiger Versuch, die USA für den Waffenschmuggel mitverantwortlich zu machen, nachdem alle Bemühungen Mexikos, mit dem US-Justizministerium eine Lösung zu finden, ins Leere geführt haben.
«Die Klage neutralisiert das Argument, Mexiko sei für das Drogenelend in den USA verantwortlich, und gibt der mexikanischen Regierung eine neue Handhabe in den Verhandlungen mit den USA», sagt Carlos Pérez Ricart, Professor am Center for Economic Research and Training in Mexiko-Stadt.
Mexiko versuche mit der Klage, den Waffenschmuggel ins Zentrum des Problems zu stellen. «Ihr in den USA seid wegen des Drogenschmuggels besorgt, aber wir in Mexiko sind ebenso besorgt über den Waffenschmuggel.»
Bidens Regierung dürfte Klage gelegen kommen
Bei einer Besichtigung des Grenzübergangs zwischen El Paso und Ciudad Juárez bestätigten US-amerikanische Grenzbeamte dem Reporter dieser Redaktion vor einiger Zeit bereits, dass sie sich auf den Drogenschmuggel aus Mexiko konzentrierten.
Die Frage, ob auf der mexikanischen Seite nach Waffen gesucht werde, liessen sie unbeantwortet. Das Ungleichgewicht der Kontrollen ist ein Schwachpunkt der Klage. Denn auch die mexikanische Regierung kauft ihre Schusswaffen überwiegend von US-Herstellern. Tausende dieser Waffen fallen bei Überfällen und Anschlägen den Kartellen in die Hände.
In Mexiko gibt es nur einen offiziellen, vom Militär betriebenen Waffenverkauf. Und hier werden angeblich weniger als 50 Lizenzen pro Jahr ausgestellt.
Auch wenn die Erfolgsaussichten der Klage vor Gericht als begrenzt erscheinen, ist die Klage politisch nicht ohne Brisanz. Präsident Joe Biden hat nämlich angekündigt, den Verkauf von kriegsmässigen Schusswaffen erneut zu verbieten, nachdem ein früheres Verbot vom Kongress ausser Kraft gesetzt wurde.
Die US-Regierung sehe die Klage deshalb durchaus nicht als feindliches Manöver, meint Cecilia Farfàn-Mendez, Direktorin am Center for US-Mexico Studies der Universität San Diego. «Sie dürfte sogar froh sein, wenn die Klage vor Gericht vorankommt. Es wäre ein Start, um das Problem endlich ernsthaft anzugehen.»
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