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Rekurs gegen Volksabstimmung
Verwaltungsgericht kippt Mindestlohn für Zürich und Winterthur

Blick hinter die Kulissen im Hotel Seedamm Plaza am 31. Maerz 2014. Ein Kuechenangestellter an der Geschirrwaschanlage.
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Seit eineinhalb Jahren wird Tieflohn-Angestellten in den Städten Zürich und Winterthur eine Lohnerhöhung versprochen. Doch nun sollen sie diese nicht erhalten. So will es das Zürcher Verwaltungsgericht.

Im Juni 2023 sagten 69,4 Prozent der Stadtzürcher Stimmbevölkerung Ja zur Mindestlohn-Initiative eines links geprägten Komitees. Gemäss Vorlage hätte ab 1. Januar 2024 in der Stadt Zürich niemand mehr weniger als 23.90 Franken pro Stunde verdienen dürfen. Das entspricht 4000 Franken im Monat bei einer 100-Prozent-Anstellung.

Fast gleichzeitig sagten 65,5 Prozent der Stimmberechtigten in Winterthur Ja zu einer ähnlichen Vorlage mit einem Mindestlohn von 23 Franken pro Stunde. 

Doch die Volksentscheide können bislang nicht umgesetzt werden. Die Stadtzürcher und Winterthurer Gewerbeverbände rekurrierten dagegen. Vor dem Bezirksrat, der ersten Instanz, unterlagen sie. Die Rekurrenten zogen aber beide Beschwerden weiter und haben nun vom Verwaltungsgericht recht erhalten. Das geht aus den am Freitag publizierten Urteilen hervor.

Verwaltungsgericht: Eine Stadt darf das nicht

Die Gewerbeverbände argumentieren, dass Gemeinden wie Zürich und Winterthur die Kompetenz dazu fehle, einen Mindestlohn durchzusetzen. Diesem Einwand stimmt das Verwaltungsgericht zu.

Im Urteil heisst es: Die kantonalen Gesetze würden den Gemeinden keinen Raum lassen, um zur Vermeidung von Armut in privatrechtliche Arbeitsverhältnisse einzugreifen. Die Mindestlohn-Verordnungen würden daher gegen kantonales Recht verstossen. 

Allerdings waren sich die Richter nicht einig. Eine Minderheit des Verwaltungsgerichts ist der Ansicht, dass das kantonale Recht den Gemeinden Raum zur Einführung eines Mindestlohns gewährt.

Die Befürwortenden hatten zudem im Vorfeld zwei Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. Beide kamen zum Schluss, dass Mindestlöhne auf kommunaler Ebene zulässig seien.

Gewerbeverbände sehen sich bestätigt

Die Stadtzürcher und Winterthurer Gewerbeverbände sehen sich durch das Verwaltungsgericht bestätigt. Kommunale Regelungen würden zu einem Flickwerk im Kanton führen, schreiben sie in einer gemeinsamen Mitteilung. Viele Gewerbetreibende seien in mehreren Gemeinden tätig. «Wenn in jeder ein eigener Mindestlohn gälte, würde das sehr viele Kontrollen und viel Bürokratie nötig machen», sagt Nicole Barandun, Präsidentin des Stadtzürcher Gewerbeverbands. 

Die meisten Mitglieder des Gewerbeverbands unterstünden einem Gesamtarbeitsvertrag, der weit höhere Löhne als den Mindestlohn von 4000 Franken im Monat vorgebe, sagt Barandun. «Wir wollen ebenfalls anständige Löhne, aber wir wehren uns gegen weitere Auflagen und Kontrollen.»

Das gewerkschaftsnahe Initiativkomitee und die SP der Städte Zürich und Winterthur halten den Gerichtsentscheid für «fragwürdig». In ihren Mitteilungen verweisen sie auf die zwei in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten. Diesen widerspreche das Verwaltungsgericht diametral. Die Befürwortenden fordern daher, dass Zürich und Winterthur das Urteil beim Bundesgericht anfechten. 

Oliver Heimgartner, Präsident der Stadtzürcher SP, kritisiert zudem den Gewerbeverband: Dieser sorge dafür, dass Reinigungsunternehmen und Fast-Food-Ketten ihre Gewinne auf Kosten der Ärmsten steigerten. Diese hätten endlich einen fairen Lohn verdient.

Auswirkungen bis nach Bern

Zuständig für die Umsetzung der Mindestlöhne sind die Städte Zürich und Winterthur. Ob sie den Entscheid weiterziehen, haben sie noch nicht entschieden. Es ist allerdings zu erwarten, da auch der Zürcher Stadtrat das Anliegen unterstützt. So dürfte das Bundesgericht bestimmen, ob die am schlechtesten Verdienenden die versprochene Lohnerhöhung noch bekommen oder nicht.

Die aktuellen Gerichtsurteile sind auch für die Städte Bern und Biel interessant. In Bern läuft derzeit die Unterschriftensammlung für eine städtische Mindestlohninitiative. In Biel wurde eine solche bereits eingereicht.

Fünf Schweizer Kantone haben in den letzten Jahren bereits Mindestlöhne eingeführt. Die bürgerlichen Parteien wollen solche kantonalen und kommunalen Lösungen mit einem neuen nationalen Gesetz stark einschränken. Dagegen wehren sich allerdings die meisten Kantone und die Stadt Zürich.