Historische AbstimmungMigros-Delegierte machen Weg für Alkoholverkauf frei
Die Mehrheit der Migros-Delegiertenversammlung hat für eine Statutenänderung gestimmt, die den Alkoholverkauf in Filialen ermöglichen könnte.
Am Samstag fiel der Startschuss zu einem langwierigen Prozess, an dessen Ende ein bisheriges Migros-Tabu gebrochen werden könnte: Das Alkoholverkaufsverbot. Entscheiden werden nun die 2,2 Millionen Genossenschafterinnen und Genossenschafter. Dies haben die Delegierten am Samstag mit 85 zu 22 Stimmen entschieden.
Die Mehrheit hat sich in Zürich für eine Statutenänderung ausgesprochen, die den Alkoholverkauf in Migros-Filialen möglich machen könnte. Als nächstes werden sich die zehn regionalen Genossenschaften mit dieser Frage beschäftigen.
Bislang ist der Alkoholverkauf gemäss den Migros-Statuten in den stationären Filialen verboten. Damit habe der Gründer Gottlieb Duttweiler sicherstellen wollen, dass durch sein Geschäftsmodell «günstige Preise durch tiefe Margen» nicht die Alkoholsucht gefördert würde, schreibt die Migros auf ihrer Webseite.
Die Delegierten hätten den «demokratischen Weg» freigemacht zur Frage des Alkoholverkaufs, teilte die Migros am frühen Samstagnachmittag über Twitter mit.
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Wie es weiter geht
Bis in den Migros-Filialen allerdings Alkohol gekauft werden kann, dauert es noch ein Weilchen – und es kann je nach Region zu Unterschieden kommen.
Ab Dezember entscheiden die Verwaltung und Genossenschaftsräte der zehn regionalen Migros-Genossenschaften über die Aufhebung des Verbots. Auch dort müssen mindestens zwei Drittel der jeweiligen Gremien zustimmen. Ist das der Fall, können die Genossenschafterinnen und Genossenschafter in ihrer Region in einer Urabstimmung über die Aufhebung des Verkaufsverbots für Alkohol entscheiden.
Die Urabstimmungen sind bis zum 4. Juni 2022 geplant, wie die Migros auf ihrer Website mitteilte. Die Entscheide wären für die Migros verbindlich. In denjenigen Verkaufsstellen, deren Genossenschaften sich mit einer Mehrheit von zwei Drittel für den Verkauf von Alkohol ausgesprochen haben, könnten somit im Verlaufe des übernächsten Jahres alkoholhaltige Getränke angeboten werden.
Im Vorfeld zur Abstimmung hatte das Blaue Kreuz vor einem «Verrat» an der DNA der Migros gewarnt. Das Unternehmen riskiere, die Reputation eines sozialen und gesellschaftsverantwortlichen Grossverteilers zu verlieren.
Bislang ist der Alkoholverkauf gemäss den Migros-Statuten in den stationären Filialen verboten. Der Konzern selber umgeht diese Regelung indirekt schon seit Jahren, indem er in seinen Tochterunternehmen Denner und Migrolino, seinem Internetladen leshop.ch, den Migrol-Tankstellen und den Partnerläden VOI Alkohol und zum Teil auch Tabakwaren anbietet.
Bereits 1999 entschied die Delegiertenversammlung, dass in den Restaurants der Golfklubs und der Freizeitanlagen der Genossenschaft alkoholische Getränke ausgeschenkt werden dürfen.
Spannende Ausgangslage
Für den früheren Migros Chef Anton Scherrer ist der Verzicht auf Alkohol «nicht mehr der Anker der Migros», wie er im Sommer gegenüber den Tamedia-Zeitungen sagte. Man müsse in der Alkoholfrage den Zeitgeist betrachten. Und vor allem für Jüngere sei das kaum mehr ein Thema. Deshalb sei es gut, dass man die Genossenschafter befrage.
Ob sich die Genossenschafterinnen und Genossenschafter am Ende für die Aufhebung des Verbots aussprechen werden, ist aber noch nicht sicher: So sagte der frühere Migros-Finanzchef Mario Bonorand gegenüber den CH Media-Zeitungen ebenfalls im Sommer, er könne sich nicht vorstellen, dass die Migros-Delegierten dieses «Heiligtum» abschaffen werden. Die Werte von Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler seien immer noch sehr stark verankert. Vom Kulturprozent bis hin zur demokratischen Genossenschaft – und eben auch dem Verzicht auf Alkohol und Tabak. Viele Delegierte sähen sich als Wächter von Duttweilers Vision.
Für den Konzern Migros wäre der Alkoholverkauf auf jeden Fall lukrativ: So rechnet Bonorand bei einer Aufhebung des Verbots mit einem Umsatzplus von 1,5 bis 2 Milliarden Franken.
SDA
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