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Wettbewerb im Detailhandel
Die Migros-Preissenkungen sind gut für Konsumentinnen. Und für die Bauern?

Dominik Wirth leert die Tafelaepfel aus seinem Erntesack in die Holzkisten, fotografiert auf dem Hof von Natalie und Dominik Wirth in Neukirch (Egnach) am Mittwoch, 25. September 2024. Natalie und Dominik Wirth haben den regenerativen und pestizidfreien Bauernhof von Helmut Mueller uebernommen, und bauen biologisch Hochstammbaeume an. Sie haben ueber 400 verschiedene Apfelsorten, und zuechten ihre eigenen Sorten. (KEYSTONE/Gaetan Bally)
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In Kürze:
  • Die Migros will so die Abwanderung zu Discountern wie Aldi und Lidl stoppen.
  • Ökonom Binswanger zweifelt, ob tiefere Preise die Kunden langfristig binden.
  • Landwirte befürchten negative Auswirkungen auf ihre Einkommen.
  • Aldi und Lidl nehmen die Ankündigung der Migros gelassen.

Die Produkte in der Migros sollen deutlich günstiger werden. Laut der Migros-Chefetage darf es für Konsumentinnen und Konsumenten keinen Grund mehr geben, zum Discounter zu gehen.

Die Preissenkungen werden die Kundinnen und Kunden nicht sofort spüren. Zuerst soll der Preis von «über 60» Alltagsprodukten auf das Niveau der billigeren Konkurrenz gesenkt werden. Bis Ende 2025 sollen es über 1000 Produkte sein, die günstiger sind. Geplant sind Preisreduktionen beim Gemüse und bei Früchten, danach sollen «viele Fleisch-, Fisch- und Convenience-Artikel» folgen.

Ob die Migros damit ihr Ziel erreichen wird, ist offen. «Es kommt darauf an, wie stark die Preissenkungen ausfallen und welche Produkte tatsächlich betroffen sind», sagt Mathias Binswanger. Er ist Vizepräsident des Vereins Faire Märkte Schweiz sowie Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Olten. Ausserdem dürfe die Qualität nicht unter den tieferen Preisen leiden. «Im Idealfall kann die Abwanderung der Kunden zu Aldi und Lidl verlangsamt beziehungsweise gestoppt werden, denn diese werden nicht schlafen.»

Die deutschen Discounter Aldi und Lidl sind seit rund zwanzig Jahren in der Schweiz, in dieser Zeit haben sie ihren Marktanteil massiv ausgebaut. «Da diese deutlich billiger sind und auch qualitativ bei vielen Produkten mithalten können, ist die Migros gezwungen, die Preise ebenfalls zu senken», so Binswanger. Die Migros wolle sich dafür auf das Kerngeschäft zurückziehen, die Organisation zentralisieren und mit neuen Läden den Umsatz ankurbeln.

Tiefe Preise zulasten der Landwirtschaft?

Offen ist darüber hinaus, ob dadurch die Lieferanten, wie Bäuerinnen und Bauern, weiter in Schwierigkeiten geraten. «Dieser Druck war jetzt schon vorhanden, und die Neuausrichtung der Migros darf nicht zulasten der Landwirtschaft erfolgen», sagt der Ökonom. Auch hier weisen die deutschen Konkurrenten den Weg: «Wie Aldi und Lidl zeigen, ist es möglich, den Konsumenten günstigere Preise anzubieten, insbesondere auch für Bioprodukte, ohne dass man den Bauern geringere Preise bezahlt.»

Markus Ritter, Präsident des Bauernverbands und Mitte-Nationalrat, ist skeptisch, ob die Rechnung der Migros-Chefs aufgeht. Er sagt: «Diese Strategie ist für die einheimischen Bauernfamilien gefährlich.» Es werde nicht lange gehen, bis die Migros versuche, günstiger einzukaufen. «Das ist für uns inakzeptabel», so Ritter. Er fordert eine gegenteilige Entwicklung: «Die Preise müssen für die Produzenten weiter steigen, damit die Landwirtschaft die stark gestiegenen Kosten decken kann.»

Kilian Baumann, Nationalrat der Grünen und Präsident der Kleinbauern-Vereinigung, sagt: «Der Druck wird sicher zunehmen, obwohl bei vielen Produkten nur ein kleiner Teil der Produktkosten auf die Landwirtschaft entfällt, während die Verarbeitung und die Detailhandelsmargen viel mehr ins Gewicht fallen.» Hier würde folglich viel grösseres Sparpotenzial bestehen. «So erhalte ich als Produzent beispielsweise für ein Kilo Biobohnen 80 Rappen, das dann im Detailhandel für fast 7 Franken verkauft wird», so Baumann.

ABD0059_20241010 - SALZBURG - ÖSTERREICH: ++ THEMENBILD ++ Ilustrationsthema "Wetter / Herbst / Jahreszeiten / Ernte / Obst" - Äpfel und Birnen liegen in einem Korb, aufgenommen am Mittwoch, 9. Oktober 2024. - FOTO: APA/BARBARA GINDL

Lebensmittel seien wertvoll, und der Preis müsse diesen Wert widerspiegeln. «Wenn der ganze Detailhandel sich nun gegenseitig unterbietet und eine negative Preisspirale einsetzt, wird jemand dafür bezahlen», sagt Ritter. Wenn der Preis der Lebensmittel im Verkauf zu tief sinke, sei weniger Wertschöpfung da, die bis zu den Bauernfamilien gelange. «Wir nehmen die Migros beim Wort und werden aufmerksam beobachten, ob sie die Preissenkungen vollumfänglich selbst auffängt und keinen Druck auf ihre Lieferanten ausübt, die diesen Druck dann unweigerlich weitergeben würden», sagt Ritter.

Ähnlich hört es sich bei Proviande, der Dachorganisation der Fleischbranche, an. Der Verband ist alarmiert, denn der Ankündigung der Migros sind Preissenkungen beim Fleisch seitens Aldi vorausgegangen. «Proviande vertritt den Standpunkt, dass Fleisch als hochwertiges und aufwendig produziertes Lebensmittel nicht wie irgendwelche Billigware behandelt und angeboten werden sollte», so ein Sprecher.

Aldi und Lidl werden reagieren

Ökonom Binswanger erwartet, dass es für die Migros nicht einfach sein wird, die Discounter mit Tiefpreisen zu schlagen. Dies, da diese ihre Preise ebenfalls senken werden: «Aldi und Lidl werden ihre Preise wohl gezielt anpassen, um nicht teurer als die Migros zu sein.»

Das zeigen auch die ersten Stellungnahmen von Aldi und Lidl. Die Medienstelle von Aldi Suisse teilt mit: «Die beste Qualität zum günstigsten Preis wird es nach wie vor bei Aldi Suisse geben!» Statt nur Versprechen zu glauben, lohne es sich, sich selbst ein Bild davon zu machen, wie viel sich beim Einkauf sparen lasse.

Und die Mediensprecherin von Lidl sagt: «Wir sehen uns durch die Preissenkungen unseres Mitbewerbers bestärkt in unserer eigenen Strategie: Wir bieten das beste Preis-Leistungs-Verhältnis der Schweiz.» Dass dies funktioniere, zeige der hohe Kundenzuwachs, den Lidl verzeichne.