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Michelle Gisin auf gleicher Piste wie ihr Bruder

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Die Saslong, diese Testosteronstrecke im Grödnertal, war gestern fest in Frauenhand. Die Abfahrerinnen hatten mit zwei Trainings ihre Premiere auf der Männerpiste. Heute testen sie ein drittes Mal, ehe sie um 12.30 Uhr zum Rennen in Südtirol starten – zum ersten Mal seit der WM 1970.

Und auch wenn sie die berühmt-berüchtigten Kamelbuckel umfahren, der Ciaslat-Wiese die Ruppigkeit genommen wurde und die Kurssetzung weniger Geschwindigkeit zulässt als bei den Männern, ist es ein besonderer Tag für die Speed-Spezialistinnen. Dass sie sich auf demselben Terrain messen können wie die Männer, ist eine Seltenheit. Ausnahme im aktuellen Weltcupkalender sind die Rennen von Lake Louise; und in Garmisch-Partenkirchen gibt es eine Kandahar 1 für die Frauen und eine Kandahar 2 für die Männer.

In der Geschichte des Skisports aber gab es das immer mal wieder. Sogar in Wengen. 1945 und 1946 waren erst nur Schweizerinnen zugelassen zum Lauberhornrennen, das für die Frauen weiter unten gestartet wurde. 1947 fand aber auch eine internationale Lauberhornabfahrt der Frauen statt. Die Churerin Lina Mittner, wegen ihrer unerschrockenen Art «kühne Lina» genannt, gewann mit fünf Sekunden Vorsprung.

Auch in Kitzbühel traten Frauen von 1934 bis 1961 an, allerdings nie zu einer Abfahrt auf der Streif, der Königin unter den Tempopisten. In Bormio trugen sie beim Weltcupfinal 1995 und 2000 Abfahrten auf der verkürzten Stelvio aus. Und 2011 bestritten sie einen Super-G in Beaver Creek auf der legendären Birds of Prey. Und nun also kommt es wegen der Absage der Rennen in Vald'Isère zu einem nächsten seltenen Auftritt dieser Art.

Die Stürze, die ihr halfen

Für eine Athletin wird dieser noch spezieller. Die Allesfahrerin Michelle Gisin, die in diesem Winter noch kein Rennen ausgelassen hat, tat sich schwer mit der Entscheidung, ob sie in Gröden fahren soll. Die offene Frage beantwortete sie – zumindest vorderhand – gestern Vormittag, als sie sich aus dem Starthaus abstiess. Zwei Tage zuvor hatte die 25-Jährige bange Stunden erlebt, als ihr Bruder Marc auf der Saslong heftig gestürzt und bewusstlos den steilen Hang hinuntergeschlittert war. Eine Hirnerschütterung, Rippenbrüche, die Verletzungen an der Lunge verursachten, und eine eingedrückte Hüftpfanne trug er davon.

Oft hatte Michelle Gisin in ihrer Kindheit Stürze ihrer acht Jahre älteren Schwester Dominique miterlebt, die während ihrer Karriere alleine am Knie neunmal operiert wurde. Und der schwere Unfall von Marc, fünf Jahre älter als sie, 2015 in Kitzbühel nahm sie mit. Doch nichts schreckte Michelle Gisin ab. Vor zwei Wochen sagte sie der «SonntagsZeitung», die Stürze ihrer Geschwister seien für ihre Entwicklung gar gut gewesen, «weil es mir unheimlich viel Respekt gab vor dem Skisport. Andere setzen sich nicht damit auseinander. Ich aber war dazu gezwungen.» Und Dominique Gisin sagte: «Sie fällt praktisch nie dumme Entscheidungen. Wenn sie sich nicht hundertprozentig wohlfühlt, fährt sie sicher hinunter.»

So dürfte das auch gestern gewesen sein. Michelle Gisin wurde in den Trainings 35. und 32. An diesem in vielerlei Hinsicht aussergewöhnlichen Tag mochte sie verständlicherweise nicht reden. Wie gut sie den Sturz ihres Bruders verkraften würde, deutete sie mit ihrem Start im Training zumindest an.