Basismodelle ab 2025 elektrischMercedes verabschiedet sich schneller vom Verbrenner
Plötzlich steigt auch Mercedes früher um auf reine Elektroautos. Ein konkretes Datum hat der Konzern nicht, aber grosse Pläne - und ein neues Problem.
Bei Daimler hat es eine gewisse Tradition, Gemeinsamkeiten zwischen einer Ketchup-Flasche und der Elektromobilität zu beschreiben. Schon der frühere Konzernchef Dieter Zetsche zog den Vergleich: «Wenn man draufschlägt, weiss man, irgendwann kommt was raus», sagte er. «Du weisst nicht wann, aber wenn's kommt, dann richtig.» Entscheidend sei, auf den Moment vorbereitet zu sein, in dem der Ketchup plötzlich aus der Flasche flutscht.
Ola Källenius ist als Vorstandsvorsitzender jetzt dafür verantwortlich, diesen Zeitpunkt nicht zu verpassen. Lange ging man in Stuttgart davon aus, dass es noch viele Jahre eher tröpfeln wird aus der E-Mobilitäts-Ketchup-Flasche. Doch nun sieht es so aus, als ob es den Schwaben mit dem grossen Umschwung gar nicht schnell genug gehen kann. Källenius sagte am Donnerstag: «Der Wendepunkt rückt näher.»
Basismodelle ab 2025 rein elektrisch
Der Konzern hat neue Pläne vorgestellt, wie rasch die Umstellung hin zum reinen E-Auto-Hersteller vonstattengehen soll. So sollen bei Daimler von 2025 an alle neu entwickelten Fahrzeugplattformen – die technische Basis von Automodellen – ausschliesslich elektrisch sein. Im gleichen Jahr werde man drei neue dieser Plattformen einführen. Ab dann soll für jedes Modell ein reines E-Auto zur Wahl stehen, etwa auch bei den AMG-Sportwagen oder der Luxusmarke Maybach.
Wobei Daimler anders als etwa Audi und VW, die bis Anfang der 2030er-Jahre Verbrennermodelle ausmustern wollen, ein Ausstiegsjahr offenlässt. Die Botschaft lautet stattdessen: Man bereite sich darauf vor, noch vor Ende dieses Jahrzehnts ausschliesslich Autos mit vollelektrischem Antrieb zu produzieren – mit dem Nebensatz: «Wo immer die Marktbedingungen es zulassen.»
Dudenhöffer: «Mutig, aber richtig»
Auch in Stuttgart wird der Verbrennungsmotor damit ein schnelleres Ende finden, als es noch vor wenigen Jahren denkbar schien. Wenn schon in vier Jahren kein neues Modell mehr als Benzin- oder Dieselfahrzeug entwickelt wird, haben bei Mercedes abgesehen vom Gebrauchtwagenmarkt die letzten Verbrennerautos wohl noch vor 2035 ausgedient, wenn etwa die EU-Kommission ein Verkaufsverbot für nicht klimaneutrale Neuwagen plant.
«Das ist mutig, aber auch richtig,» sagt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. Daimler schliesse damit zu Audi und VW, aber auch zu Tesla auf. «Nur BMW ist jetzt als letzter Dinosaurier unter den deutschen Premiumherstellern unter Druck, auch für seine Modelle endlich das faktische Ende des Verbrennungsmotors zu verkünden.»
Nun ist die Politik gefordert
Mit dem schnelleren Umstieg auf E-Mobilität schiebt Daimler die Verantwortung auch verstärkt in Richtung der Politik. Nicht umsonst betonte Daimler-Chef Ola Källenius bei der Vorstellung des Strategie-Updates erneut, wie wichtig es sei, dass Industrie und Politik zusammenarbeiteten. Denn durch höhere Kraftstoffpreise, Kfz-Steuern oder eine City-Maut können Autofahrer leichter davon überzeugt werden, ihren nächsten Wagen als vollelektrisches Modell zu wählen. Gleiches gilt für Kaufprämien, die in den kommenden Jahren noch die Mehrkosten ausgleichen sollen, die Elektrofahrzeuge im Vergleich zu Verbrennern haben. Und nicht zuletzt muss auch die Ladeinfrastruktur Schritt halten mit der zunehmenden Zahl der Stromer.
Nur wenn all diese Vorhaben ineinandergreifen, werden in zehn Jahren wohl wirklich die meisten Autokäufer keine Argumente mehr für einen Verbrenner haben. Das Bild hat sich also gewandelt: Herrschte lange der Eindruck vor, die Hersteller seien zu träge und würden ihren Beitrag zum Klimaschutz hinauszögern, geraten mit jeder Ankündigung eines Autobauers die verantwortlichen Politiker unter Druck, gefälligst die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen.
40 Milliarden in E-Auto-Produktion
Von 2022 bis 2030 will Daimler mehr als 40 Milliarden Euro in Batteriefahrzeuge investieren. Unter anderem in acht Gigafabriken für Batteriezellen weltweit, die das Unternehmen aber nicht alleine, sondern mit noch nicht genannten Partnern aufbauen will. Auch das ist eine Trendwende bei den Schwaben: Bisher hatte Daimler eine eigenständige Grossserienzellproduktion abgelehnt und auf Zulieferer gesetzt.
Die Investitionen in Verbrennerautos und Plug-in-Hybride sollen bis 2026 um 80 Prozent im Vergleich zu 2019 sinken. Die Renditeziele von Herbst 2020 bestätigte Ola Källenius trotz des schnelleren Umschwungs zu anfangs noch unprofitableren Elektroautos. Demnach soll in normalen Zeiten eine operative Marge in niedriger bis mittlerer einstelliger Prozenthöhe, in guten Zeiten eine zweistellige Marge erreicht werden.
Zuletzt hatte Daimler für das erste Halbjahr 2021 Rekordgewinne und eben diese zweistellige Marge vermeldet. Doch Investoren zeigten sich bereits skeptisch, ob diese guten Zahlen auch in den kommenden Jahren zu erreichen sein werden.
Nachfrage nach Elektro-SUVs ungebrochen
Die Strategie von Daimler offenbart auch den Zwiespalt, in dem die deutschen Premiumhersteller stecken: Die Umstellung von Verbrenner- zu Elektroautos kostet viele Milliarden, und wie bei Benzinern werfen auch die kleineren Modelle als Stromer deutlich weniger Gewinn ab als SUVs oder grosse, teure Limousinen. Anders als die Volumenhersteller Volkswagen und Toyota, die mehr als dreimal so viele Autos verkaufen, wird Daimler diesen Konflikt nicht dadurch auflösen können, indem man über die Masse an Elektroautos den Kostennachteil auffängt.
Es bleibt den Stuttgartern also nur, auf das profitable Luxussegment zu setzen – auf grosse, elektrische Limousinen wie den EQS oder schwere SUVs, die zunehmend auch als reine Elektrofahrzeuge angeboten werden. Gerade in China, dem wichtigsten Absatzmarkt, ist die Nachfrage nach diesen Modellen ungebrochen.
Geht dieser Plan auf, könnte Daimler auch im E-Mobilitätszeitalter profitabel sein. Klimaschützer sehen diesen Weg jedoch kritisch: Diese Fahrzeuge seien «Ressourcenfresser und haben mit einer nachhaltigen Mobilität der Zukunft nichts zu tun», sagt etwa Jens Hilgenberg, Leiter der Verkehrspolitik beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland.
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